Hannover/Berlin. Sein Abi-Zeugnis musste er in Auschwitz abgeben: Der Holocaust-Überlebende Leon Schwarzbaum hat ein neues bekommen – mit 98 Jahren.

Sein Abitur hat er vor 80 Jahren gemacht – das Zeugnis musste Leon Schwarzbaum im Vernichtungslager Auschwitz abgeben. Am Dienstag hat der jüdische Holocaust-Überlebende in Berlin ein neu ausgestelltes Abitur-Zeugnis erhalten – im Alter von 98 Jahren.

Am jüdischen „Fürstenbergus Lyzeum“ in Bendzin im heutigen Polen hatte Schwarzbaum die Reifeprüfung abgelegt, teilte die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers mit. Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) überreichte dem Senior, der erst vor wenigen Tagen mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden war, das Zeugnis.

Schulleiterin sorgte für Neuausstellung des Abitur-Zeugnisses

Auslöser für die Initiative war der Film „Der letzte Jolly Boy“, der Schwarzbaums vergebliches Bemühen zeigt, sein Zeugnis wiederzubekommen. Nachdem der Film an einer Schule im niedersächsischen Wunstorf vorgeführt worden war, initiierte deren Leiterin die Neuausstellung des Abi-Zeugnisses. In Gesprächen mit Schwarzbaum sei sein Zeugnis rekonstruiert worden, sagte Schulleiterin Elke Helma Rothämel dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Er wusste bis auf eine noch alle Zensuren.“ Es handele sich nicht um ein Zeugnis ehrenhalber, sondern um eine „Hochschulzulassung mit Gültigkeit“.

Schwarzbaum wurde 1921 in Hamburg geboren und lebt in Berlin. 1943 wurde seine gesamte Familie im KZ Auschwitz umgebracht. Weitere Stationen seines Leidensweges in der Zeit des Nationalsozialismus waren unter anderem das KZ Buchenwald und ein Todesmarsch, auf dem ihn am 5. Mai 1945 in der Nähe von Schwerin US-amerikanische Soldaten befreiten.

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Nach dem Krieg eröffnete Leon Schwarzbaum in Berlin ein Geschäft mit Antiquitäten und Kunstgegenständen. Im hohen Alter begann er, jungen Menschen in Vorträgen an Schulen über die NS-Zeit zu berichten. Im Auschwitz-Prozess gegen den früheren SS-Wachmann Reinhold Hanning sagte er 2016 vor dem Detmolder Landgericht als Nebenkläger aus. (dpa)