Berlin. Bei Lanz präsentierte sich mit Karl Lauterbach ein Kandidat für den SPD-Vorsitz. Zu Olaf Scholz wollte ihm nichts Positives einfallen.

Die lange Castingtour der SPD um ihre zukünftigen Parteivorsitzenden ist bald vorbei. Am Dienstag machte in Potsdam die 20. von insgesamt 23 Regionalkonferenzen Station. Danach dürfen die 430.000 SPD-Mitglieder darüber abstimmen, wer die gebeutelte Traditionspartei aus der Krise führen soll. Bei Markus Lanz war mit dem Gesundheitsexperten Karl Lauterbach einer der prominenteren Kandidaten zu Gast – Lauterbach tritt zusammen mit der Umwelt- und Energiepolitikerin Nina Scheer gegen sechs weitere Duos an.

Spannend genug für Lanz, um gleich auf die für ihn wichtigsten Details hinzuweisen: Dass Lauterbach nämlich erstens ein Freund der chinesischen Kampfsportart Win Tsun sei und zweitens heute ohne sein Markenzeichen, die Fliege, zur Sendung erschienen sei.

Auf seine Nahkampfkünste ging Lauterbach nicht ein, aber er erzählte, dass ihm das Markenzeichen inzwischen manchmal über den Kopf zu wachsen drohe. Anhänger brächten für Selfies extra eigene Fliegen mit. Er habe seine zwar immer dabei, aber manchmal eben nur in der Jackettasche und nicht am Hals. Das liege auch an Hinweisen aus seiner Familie. „Ich trage sie nicht“, formulierte Lauterbach einen seiner herrlichen Lauterbach-Sätze, „um die Dynamik für das angestrebte Amt vorleben zu können“.

Zu Scholz als Finanzminister will ihm nichts Positives einfallen

Das war damit geklärt, es konnte nun über Politik gesprochen werden. Das bedeutet in einer Talkshow wie dieser natürlich zuerst: Personalpolitik. Der Moderator versuchte Lauterbach vor allem über sein Verhältnis zu Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz ins Verhör zu nehmen, der sich zusammen mit der Brandenburger Landespolitikerin Klara Geywitz wohl etwas bessere Chancen auf den Sieg ausrechnen darf. Es hatte seinen eigenen Charme, in Lauterbachs Ausführungen die Loyalität des Parteikollegen mit dem Konkurrenzgedanken ringen zu sehen.

Olaf Scholz, sagte er, sei „ein Mitbewerber, dazu fällt mir spontan nicht viel ein“. Um dann aber doch ein etwas vergiftetes Lob für Scholz‘ Zeit als Arbeits- und Sozialminister hinterherzuschicken, die bekanntlich seit 2009 vorbei ist. Zum amtierenden Finanzminister Scholz schwieg sich Lauterbach eisern aus, machte aber deutlich, dass er von der Politik der Schwarzen Null wenig halte – wie auch vom soeben ausgehandelten Klimapaket, dessen „homöopathische Dosierung“ ihm missfiel.

Die Große Koalition ist ihm für die Klimapolitik zu langsam

„Vielleicht ist er in der falschen Partei“, sagte Karl Lauterbach noch über Scholz, fügte aber sofort beschwichtigend an, er habe „da nur laut gedacht“. Aber der Verbleib in der großen Koalition sei nun mal ein Fehler. Sein Plädoyer für linksgrüne Bündnisse leitete Lauterbach vor allem aus dem dringenden Handlungsbedarf in der Klimapolitik ab, Große Koalitionen seien da viel schwergängiger. Leider unterließ es Lanz, nach den Ursachen für diese Sichtweise zu fragen.

Überraschend freimütig dagegen das Bekenntnis des Kandidaten, was ihn an diesem Konferenzmarathon besonders anstrenge: die ewige Fahrerei mit dem Zug nämlich. „Wir sind eine Leidensgemeinschaft“, sagte Lauterbach. Immer gehe es quer durch die Republik, nur im Ausnahmefall fänden Konferenzen zweimal hintereinander im selben Bundesland statt. Wer das denn geplant habe, fragte Lanz. Lauterbach wusste es nicht.

Regionalkonferenzen als Selbsttherapie der Waidwunden

Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin der „Welt“, nannte die Idee der Regionalkonferenzen eine „sozialdemokratische Urschreitherapie“, bei der es vor allem um plakative Verkürzung und um „den Bauch einer waidwunden Partei“ gehe. Man dürfe ihre Bedeutung nicht überschätzen– schließlich sei es am Ende die Basis, die die Entscheidung treffe.

In einer mathematisch etwas undurchsichtigen Gegenrechnung erwiderte Lauterbach, man komme doch etwa mit einem Drittel derjenigen zusammen, die am Ende tatsächlich zur Wahl gehen würden. Wie auch immer: Bedauerlich blieb, dass eine Kernfrage der künftigen Klimapolitik nur andiskutiert wurde, nämlich wie radikal man dabei vorgehen dürfe, von welchen Veränderungen man die Wähler wie schnell überzeugen müsse.

Die kriminelle Vergangenheit des Verbrecherjägers

Dann ging es, wie es bei Lanz ja guter Brauch ist, plötzlich um etwas ganz anderes, nämlich um Eduard Zimmermann. Rudi Cerne, auch als Sportmoderator bekannt, wird vom kommenden Samstag an die neue Staffel der ZDF-Serie „Vorsicht Falle!“ präsentieren und erzählte, wie dem Erfinder der Ratgebersendung über „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ die Idee dazu kam: Ihm sei beim eigenen Hausbau kurz vor Abschluss der Bauarbeiten mitgeteilt worden, dass das Dach nicht im vereinbarten Preis mit inbegriffen sei.

Rudi Cerne erwähnte nicht, dass Eduard Zimmermann nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst selbst Dieb und Schwarzmarkthändler war und sich mit gefälschten Papieren eine Anstellung im Ausland erschlich, bevor er die schiefe Lebensbahn wieder verließ. Vielleicht war dafür aber auch die Zeit zu knapp.

Ein zu knapp abgehandeltes Thema zum Schluss

Definitiv zu kurz bemessen war sie für den letzten Talkgast Jennifer Kauka, die von den traumatisierenden Erfahrungen ihrer Tochter verschiedenen Schulen berichtete – das Mädchen wurde massiv gemobbt, herumgeschubst und drangsaliert, und dies offenbar nur, weil es extrovertierter und unangepasster war als die Mitschüler. Ein wichtiges Thema, das zu so später Stunde und bei schnell ablaufender Sendezeit vollkommen falsch aufgehoben ist.