Berlin. Boris Pistorius übernimmt das Ministerium von Christine Lambrecht. Doch ist der Politiker tatsächlich die richtige Person für das Amt?

Mit einem späten Silvesterknall räumte SPD-Politikerin Christine Lambrecht am Montag ihren Posten als Verteidigungsministerin der Ampel-Koalition. Nun steht ihre Nachfolge fest: Ihr Parteikollege Boris Pistorius wird den Job machen. Das ZDF stellte dafür am Dienstag eigens sein Programm um. Und auch in der Talkshow von Markus Lanz geht es am Abend vor allem um das Verteidigungsministerium und die Herausforderungen, die Pistorius dort erwarten.

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Marie-Agnes Strack Zimmermann, Politikerin (FDP)
  • Pauline Brünger, Klimaaktivistin
  • Nikolas Blome, Journalist
  • Sönke Neitzel, Militärexperte

Direkt zu Beginn zeichnet sich aber ab, wer den viel größeren Raum in der Diskussion einnehmen wird: die geschiedene Verteidigungsministerin selbst. Die Runde scheint sich einig: Lambrecht hat in ihrem Posten zu viel versäumt. Dazwischen kamen kleinere Skandale wie Mitflug ihres Sohnes im Militärhubschrauber und nun eben das missglückte Silvestervideo, in dem sie vor einer Berliner Böllerkulisse über ihre interessanten Begegnungen im Ukraine-Krieg erzählte. Mehr zum Thema: Das fordert die Ukraine vom neuen Verteidigungsminister

Spott bei "Lanz": "Mehr Generäle als fahrende Panzer"

"Der Schlüsselmoment war, als sie 5000 Helme als Lieferung an ein überfallenes Land als militärhistorische Leistung verkaufen wollte", resümiert Journalist Nikolaus Blome. Der Militärexperte Sönke Neitzel dagegen setzt bereits viel früher an: Es sei unverantwortlich gewesen, jemanden wie Lambrecht überhaupt auf den Posten zu setzen. Lesen Sie auch: "Markus Lanz": Silvester-Debatte mit neuen Erkenntnissen

Dabei hatten Rüstungsexperten zunächst ihre Hoffnungen in die Juristin gesetzt. Lambrecht hätte aufräumen und große Reformen starten können, so Neitzel: eine kritische Bestandsaufnahme der Bundeswehr, Aufräumarbeiten beim 15.000-Mitarbeitenden schweren Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz, die Neugründung der Streitkräfte.

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Denn die Strukturen bei der Bundeswehr stehen in mächtigem Ungleichgewicht: Auf 182.000 Berufssoldaten und -soldatinnen kämen 300.000 bis 400.000 Generäle, erklärt FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Das sind mehr Generäle als fahrende Panzer", spottet Journalist Blome.

A propos Panzer: Dass Lambrecht in ihrer Karriere bisher wenig mit Panzern zu tun hatte, war augenscheinlich nicht das Problem für ihr Scheitern. Bis auf wenige Ausnahmen habe es im Verteidigungsministerium immer Personen ohne militärische Fachkenntnisse gegeben, räumt Neitzel ein. Doch auch nach einem Jahr gäbe es keine Lösungsvorschläge für alte Probleme, so der Militärhistoriker: "Das Problem von Frau Lambrecht ist, dass sie sich nicht eingearbeitet hat." Auch interessant: „Anne Will“: Thunberg attackiert die Grünen - „heuchlerisch“

"Markus Lanz": FDP-Politikerin verteidigt Ex-Ministerin

Verständnisvollere Worte findet dagegen ausgerechnet Strack-Zimmermann. Sie ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der sich um Beschlüsse in Sachen Verteidigungspolitik und Streitkräfte kümmert. Lambrecht habe sich zuletzt von den Medien gejagt gefühlt, erklärt Strack-Zimmermann. "Und das wurde sie, auch wenn sie eigene Fehler natürlich hätte einräumen müssen." Lesen Sie hier: Öl-Sanktionen tun Putin weh: Riesenloch in der Kriegskasse

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Dann erklärt Strack-Zimmermann äußere Einflüsse, die Lambrecht vor große Herausforderungen gestellt hätten: der Ukraine-Krieg, das neu aufgekommene öffentliche Interesse für äußere Sicherheit, die Versäumnisse der letzten Regierung. Das Problem habe sich bereits unter Angela Merkel angebahnt, so Strack-Zimmermann. "Jeder, der diesen Laden heute übernimmt, muss unfassbar viel aufräumen."

"Markus Lanz": Politikerin rüffelt Moderator

Ist Boris Pistorius dafür die richtige Person? Bei dieser Frage scheint sich am Dienstagabend noch keiner festlegen zu wollen – bis auf Moderator Markus Lanz. Der versucht immer wieder, Strack-Zimmermann als perfekte Kandidatin für den Posten zu stilisieren. Doch die will sich nicht auf das Spiel einlassen. Lesen Sie mehr: Ende der Parität im Kabinett: Grüne zeigen sich irritiert

"Sie wollen morgen die Überschrift: 'Strack-Zimmermann: Ich wäre die Bessere gewesen'", entgegnet die Politikerin zynisch. Tatsächlich lässt sie sich nicht viel mehr dazu entlocken: Die Entscheidung für Pistorius findet sie "interessant", als niedersächsischer Innenminister habe der SPDler Zugänge zu innerer Sicherheit und Polizeiapparat. Vor allem aber wünsche sie sich, dass er die Interessen der Bundeswehr vertrete, so Strack-Zimmermann.

Boris Pistorius: Später Sprung in die Bundespolitik

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    Auch Blome gibt sich zaghaft: "Bei der niedersächsischen Polizei geht es nicht um Leoparden-Panzer", wirft er ein. Das Verteidigungsministerium brauche jemanden, der die Verwaltung kontrolliert und das viele Geld aus dem Sondervermögen richtig einsetzt. Das findet auch Militärexperte Neitzel: "Verteidigung muss ein Kabinettsprojekt sein", sagt er. Auch interessant: Politikerin und Pistorius-Ex: Das ist Doris Schröder-Köpf

    Nach besonders großer Vorfreude auf den neuen Verteidigungsminister sieht das nicht aus. Vielleicht ist es angesichts der Vergangenheit des Verteidigungsministeriums aber auch einfach mal an der Zeit für nüchternen Realismus.