Erfurt. Hans-Joachim Kohlhoff ist 79 Jahre alt und geht jeden Tag in den Kindergarten in der Clausewitzstraße in Erfurt. Dort bastelt er mit den Kindern Dinge aus Holz.

„Ich will ein Schwert“, sagt Moritz. Er ist fünf. Das ist das Alter der Ritter und Burgen. Alle Generationen wieder. Opa Achim lächelt. Soll er doch sein Schwert haben. Und vor allem: Soll sich der Junge das selbst bauen. Aus Holz und mit Säge und mit Hammer und Nagel.

Waaas? In diesem Alter mit scharfem Werkzeug umgehen, darf man das? Was, wenn etwas passiert? Nein, es passiert doch nichts. Opa Achim ist doch dabei. Nur die Zunge des Jungen geht jeden Sägezahn, der sich durchs Holz frisst, mit. Ist das aufregend. Hier darf der Kleine mit der Säge arbeiten. Wie ein Großer. Und Opa Achim schaut zu. Korrigiert unauffällig, wenn die Säge verkantet. Die Säge gehört ins Holz und nicht in den Finger. Im Kindergarten in der Clausewitzstraße haben sie im Keller eine Holzwerkstatt. Und vor allem haben sie ihn – Opa Achim. Er ist der Mann der Stunde. Wo er ist, ist die Kindertraube nicht weit. Weil sie mit ihm Hammer und Säge und sogar eine Bohrmaschine anfassen können. Weil sie sich wünschen dürfen, was sie bauen wollen. Und fast alle Wünsche eint eines: Das, was da gebaut wird, muss sich bewegen. Ein Auto. Die Eisenbahn. Der Anhänger. Und die Windmühle. Oder die Wippe. Tag für Tag dürfen die Kleinen zu Opa Achim kommen. Zwei Stunden am Vormittag und das bereits das 3. Jahr.

Die Kinder ahnen nicht, wie gut es Hans-Joachim Kohlhoff, Opa Achim also, mit diesem Alltag geht. Er, 79, bekommt schon lange Rente. Aber er bekam auch zu Hause einen Koller. Viel Zeit und wenig Leben. Vor 18 Jahren ist er mit seiner Frau von Rathenow nach Erfurt gezogen, der Enkelin zuliebe. Die ist inzwischen flügge und lebt drei Autostunden entfernt. Die Großeltern sind geblieben.

Im Ehrenamtsportal im Netz fündig geworden

Hans-Joachim Kohlhoff (79) aus Erfurt geht jeden Tag in den Kindergarten und bastelt mit Kindern Dinge aus Holz. Foto: Esther Goldberg
Hans-Joachim Kohlhoff (79) aus Erfurt geht jeden Tag in den Kindergarten und bastelt mit Kindern Dinge aus Holz. Foto: Esther Goldberg © zgt

Hans-Joachim Kohlhoff fragt bei einem Verein nach, ob die etwas für ihn zu tun haben. Haben Sie nicht. Aber sie haben die Idee, im Ehrenamtsportal im Netz nachzusehen. Tatsächlich: Dort sucht ein Kindergarten einen Mann wie ihn. Einen, der in einer Holzwerkstatt zurecht kommt. Wer, wenn nicht er. Er ist gelernter Böttcher. Einer, der zum Beispiel Fässer bauen kann. Und später wird er auch noch Forstmeister. Da sieht er das Holz vor lauter Bäumen nicht. Ganz schnell macht er einen Termin mit Kindergartenleiterin Berit von Chrzanowski-Wien aus.

All das wissen Moritz und Joshua nicht. Sie sind einfach froh, dass Opa Achim mit ihnen etwas Schönes baut. Joshua ist sich allerdings noch nicht ganz sicher, was er diesmal bauen möchte. Also schaut er neugierig Moritz zu. Der hat mit der Säge das erste Stück Holz getrennt. Nun muss er das Holz aus dem Schraubstock nehmen, wenden und die andere Seite sägen. Damit er auch wirklich nicht abrutscht, sägt Opa Achim die ersten eins, zwei Millimeter. So lange, bis das Sägeblatt wirklich sitzt. Als auch noch das zweite Stück Holz abfällt und der künftige Schwertgriff zu erkennen ist, lobt Opa Achim zwar. Doch die Arbeit ist nicht beendet: Jetzt muss der Grat abgerundet werden. Mit Sandpapier. Das interessiert Moritz nicht wirklich. Er schiebt das Sandpapier einfach über das Holz. Davon wird nichts besser. Opa Achim zeigt es dem Jungen. Wenn man den Griff anfasst, ist das unangenehm mit diesem Grat. Moritz seufzt. Okay. Also wieder das Sandpapier über das Holz wischen. „Nimm die Feile, das geht besser“, sagt Opa Achim.

Für Hans-Joachim Kohlhoff können es gar nicht genug Kinder sein, die zu ihm kommen. Er fühlt sich gut mit ihnen. Den Kindern geht es mit ihm offensichtlich ähnlich. Manche malen ihm ein Bild, solange sie warten müssen. Diese Bilder hebt er alle auf. „Nicht, dass die Kinder dann fragen, wo das Bild denn sei“, erklärt er.

Und sein Lachen geht hinauf in die Augen. Dort entsteht ein Funkeln, das nur bis in die Mitte der Pupille reicht.

Während Opa Achim mit den beiden Jungen bastelt und baut, rennen drei Mädchen die Treppe hinunter zum Keller. Die rote Hand an der Tür der Holzwerkstatt, die eigentlich signalisiert, dass besetzt ist, sehen sie nicht. Wollen sie vielleicht nicht sehen. Opa Achim wird doch gleich sagen, was sie tun dürfen. Der weiß doch alles.

Hans-Joachim Kohlhoff gefällt es, wenn die Kinder auf ihn zu gerannt kommen. So soll es sein. Noch möglichst lange, sagt er. Sagen die Erzieherinnen. Die Kinder sagen das nicht. Für sie zählt der Moment. Weil so halt Kindheit geht.

„Meine Hausärztin ist hoch zufrieden mit mir“

Samstags, wenn die Kinder zu Hause sind, geht Hans-Joachim Hohlhoff ebenfalls in den Kindergarten. Weil er das Holz so präparieren will, dass sich kein Kind einen Splitter in die Hand zieht. Also sägt und bohrt und hämmert er vor sich hin. Mit der Kreissäge schneidet er den Griff für Schwerter an. Damit die Kleinen nur noch die Laubsäge nehmen und nicht warten müssen. Das Holz bekommt der Kindergarten von Eltern oder als Reste von einem Baumarkt. Oder vom Sperrmüll.

Wird Opa Achim dieser Lärmpegel nicht zu hoch, die Holzbank nicht zu niedrig, der Keller nicht zu dunkel? Warum denn. „Meine Hausärztin ist hoch zufrieden mit mir. Seit ich dort im Kindergarten bin, bewege ich mich viel mehr und fühle mich fit“, sagt er. Das hier, das sei doch etwas Sinnvolles. Für ihn und für die Kinder.

Endlich hat Moritz sein Schwert fertig. Und nun weiß auch Joshua, was er heute bauen will: Eine Wippe. Auch darauf ist Opa Achim vorbereitet. Dann spann schon mal das Holz in den Schraubstock, sagt er. . .

Alle Beiträge zur TLZ-Aktion: www.tlz.de/gutenachbarn

Gute Nachbarn, gute Taten: Wer Lesementoren hat, ist klar im Vorteil

Gemeinsam für andere im Einsatz: TLZ sucht hilfsbereite Thüringer

Für andere stark machen: TLZ-Aktion „Gute Nachbarn, gute Taten“ gestartet