Bliederstedt. Familie Petri gibt Pferden in Bliederstedt einen schönen Lebensabend und plant tiergestützte Therapie auf ihrem Hof.

Unbeschwert zotteln, traben oder rennen acht Ponys und Reitpferde gemeinsam über die geräumige Koppel am Ortsrand von Bliederstedt. Manchmal rollen sie sich vor lauter fröhlichem Übermut durchs Gras. Die meisten der Tiere haben schreckliche Traumata, Krankheiten und schwere Verletzungen überwunden. Einige waren schon für den Schlachter bestimmt.

Bald aber sollen die Pferde, die auf dem Gnadenhof von Familie Petri zusammen mit einer kleinen Herde Ziegen ihren Lebensabend verbringen, Menschen helfen, sich von psychischen Problemen und körperlichen Einschränkungen zu befreien.

Zumindest könne der Kontakt zu den Tieren die Beschwerden kranker Menschen lindern. Davon sind Yvonne Petri, die in Sonderhausen eine Praxis für Ergotherapie betreibt, und ihre Tochter Michelle, die sich in Bliederstedt die Pferde betreut, überzeugt. Gemeinsam wollen sie jetzt tiergestützte Therapieangebote auf dem Pferdehof in Bliederstedt aufbauen. Michelle Petri hat Sportwissenschaft und -therapie studiert und hilft in einer Physiotherapie-Praxis in Mühlhausen Leiden bei Menschen zu lindern und weiß, welchen positiven Einfluss Tiere dabei auf Patienten haben können.

Wotan wird als Fohlen vor dem Schlachten bewahrt

Bei den Pferden ist es der jungen Frau offensichtlich schon mehrfach gelungen, Traumata aufzulösen und gesundheitliche Probleme wenigstens zu mildern. „Es ist mir selbst ein Rätsel, wie sie das schafft“, ist Vater Thomas Petri stolz auf seine Tochter. „Sie hat aber auch schon im Alter von gut einem Jahr, bevor sie selbst laufen konnte, auf Ponys gesessen“, erzählt er.

Die Streicheleinheiten von Thomas Petri genießt Silas auch wenn er gesundheitlich nicht mehr richtig auf dem Posten ist.
Die Streicheleinheiten von Thomas Petri genießt Silas auch wenn er gesundheitlich nicht mehr richtig auf dem Posten ist. © Henning Most.

„Vor allem nimmt sie sich unglaublich viel Zeit mit den Pferden, die anderswo längst als Problemfälle abgeschrieben waren“, fügt er hinzu. „Über Monate, manchmal ein Jahr und länger, gehe ich jeden Tag in kleinen Schritten auf die Tiere ein und löse so ganz allmählich Blockaden und Ängste“, erklärt die 25-Jährige selbst. Sei das Vertrauen gewachsen, übertrage es sich dann meist auf andere Menschen und Situationen, die Pferde könnten wieder unbeschwerter leben. Dann gehe von ihnen auch die Ruhe und positive Energie aus, die demnächst Patienten helfen soll, ihre Traumata und Einschränkungen zu überwinden.

Fast alle Tiere hatten in ihrem Leben zuvor grausame Erlebnisse

Fast alle Tiere, die jetzt in der Herde auf dem Gnadenhof ihr Dasein sichtlich genießen, hatten in ihrem Leben zuvor grausame Erlebnisse. Ihren schwarzen Hengst Wotan hat Michelle Petri im Kindesalter gemeinsam mit ihrem Vater buchstäblich vor dem Schlachter gerettet. „Als einjähriges Fohlen stand er bereits in der Box beim Metzger, sollte Fleisch ansetzen. Über Monate hatte er keinen Kontakt mehr zu anderen Pferden oder Menschen und war entsprechend verstört, als wir ihn dort herausholten“, erzählt Thomas Petri. Fast zwei Jahre habe es dann gedauert, bis Wotan wieder aufgepäppelt war. Seitdem sind Michelle Petri und Wotan unzertrennlich und auch bei Turnieren und Reitertreffen immer wieder gemeinsam aufgetreten.

„21 Jahre ist die Rettungsaktion für Wotan nun schon her“, erinnert sich die Tochter. „Und damals entstand die Idee, später so etwas wie einen Gnadenhof für Pferde zu unterhalten.“ Sie wurde konkreter mit jedem Tier, das in den zurückliegenden Jahren zusätzlich auf dem Gelände der Petris seine neue Heimat fand und fast immer mit intensiver Zuwendung und Pflege wieder ins normale Pferdeleben zurückgeführt werden musste.

Sally war völlig abgemagert aus einem vernachlässigten Stall befreit worden

So auch die jetzt vorwitzige Ponystute Sally, die völlig abgemagert aus einem vernachlässigten Stall befreit wurde, nachdem sie dort ohne ausreichend Futter und Wasser trotzdem auch ihr Fohlen durchgebracht hatte. Lange habe sie dann vor Menschen, vor allem Männern, die Flucht ergriffen, erzählt Michelle Petri. „Ich selbst konnte mich ihr ganz behutsam Tag für Tag ein bisschen mehr nähern.“ Heute stupst Sally Besucher fröhlich an. Oder der Schwarzwälder Silas, der an der Kutsche bis vor kurzem ein Traumpferd gewesen sei, so Thomas Petri, nachdem Michelle dem Tier die Angst vor dem Anspannen genommen hatte. Das Trauma rührte von einem Planwagen-Unfall beim vorherigen Besitzer her.

Inzwischen aber leidet Silas an einem Tumor und verbringt seine Tage ebenso wie das kranke Pony Wento, das im selben Jahr wie Michelle geboren ist, auf der Koppel oder im offenen Stall. Den beiden und hoffentlich noch vielen anderen Pferden will Michelle Petri einen schönen Lebensausklang ermöglichen und den Gnadenhof als offizielle Aufnahmestelle für alte und kranke Tier anmelden.