Wien. Die in Warmwasser lebende Amöbe Naegleria fowleri löst beim Menschen tödliche Hirnentzündungen aus. Doch bald könnte es Abhilfe geben.

Riesenviren klingen zunächst bedrohlich – doch die in einer Kläranlage in Wien gefundenen Viren könnten sich als sehr nützlich gegen eine tödliche Amöbe erweisen.

Immer wieder kommt es zu Todesfällen durch die Amöbe Naegleria fowleri. Diese vermehrt sich in über 30 Grad warmen Wasser und kann von Menschen beim Schwimmen über die Nase aufgenommen werden. Über den Riechnerv kann die Amöbe anschließend zum Gehirn vordringen und dort eine Hirnentzündung auslösen, die fast immer tödlich endet. Eine effektive Behandlungsmethode gegen die Amöbe gibt es bislang nicht.

Studie zeigt: Riesenvirus infiziert Amöbe

Doch nun hat ein Forschungsteam um Patrick Arthof und Matthias Horn ein Virus mit einem ungewöhnlich großen Viruspartikel und komplexen Genomen gefunden, das Naegleria fowleri infiziert und abtötet. Entsprechend wurde es von den Forscherinnen und Forschern auch Naegleriavirus genannt.

Wie die Wissenschaftler im Journal „Nature Communications“ schreiben, wird das Riesenvirus von den Amöben irrtümlich als Futter aufgenommen und zerstört diese dann innerhalb weniger Stunden. Währenddessen bildet das Virus eine „Virusfabrik“ genannte Struktur innerhalb der Amöbenzelle, die das Virenerbgut außerhalb des Zellkerns vermehrt und hunderte neue Viruspartikel zusammenbaut.

„Um die Wirtszelle währenddessen am Leben zu halten, bedient sich das Naegleriavirus vermutlich spezieller Proteine, die die natürliche Immunreaktion der Amöbenzelle unterdrücken und so den vorzeitigen Zelltod verhindern“, erklärt Co-Autor Florian Panhölzl die Forschungsergebnisse in einer Mitteilung der Universität Wien. „Erst nach erfolgreicher Vermehrung der Viren kommt es zur Zerstörung der Wirtszelle und dem Freisetzen der Viren.“

Künstlerische Darstellung des Naegleriavirus
Künstlerische Darstellung des Naegleriavirus © Stefan Pommer/photopic.at/Universität Wien/CC BY-NC-SA 4.0

Naegleriavirus wurde in Kläranlage bei Wien entdeckt

Das Naegleriavirus gehört zur Gruppe der Klosneuviren – benannt nach ihrem Entdeckungsort, der Kläranlage Klosterneuburg nördlich von Wien. Die laut den Forschern weltweit vorkommenden Klosneuviren stehen für eine der Wissenschaft bis dato noch eher fremde Gruppe an Viren.

„Sie sind innerhalb der Riesenviren besonders interessant: Sie besitzen besonders viele Gene, die man sonst nur von zellulären Organismen wie Tieren, Pflanzen, Pilzen oder Bakterien kennt, und die man vor der Entdeckung der Klosneuviren niemals mit Viren in Verbindung gebracht hätte“, sagte Mikrobiologe Matthias Horn von der Universität Wien.

Nähere Analysen des Naegleriavirus zeigen, dass dieses eine mit 1,16 Millionen Basenpaaren ungewöhnlich lange, doppelsträngige DNA besitzt. Auf ihr liegen die genetischen Bauanleitungen für mindestens 59 virale Proteine sowie mindestens 31 Gene, die eigentlich zu zellulären Organismen gehören. Aufgrund von Ähnlichkeiten zum Genom einiger Einzeller vermuten Arthofer und seine Kollegen, dass das Riesenvirus diese Gene aus früheren Wirten übernommen hat.

Forscher hoffen, mit Viren Amöbe bekämpfen zu können

Die Forscher hoffen nun, dass das Naegleriavirus gezielt zur Bekämpfung der tödlichen Amöbe eingesetzt werden kann. „Diese Viren könnten einen ersten Schritt zu einem viralen Gegenmittel gegen Naegleria fowleri repräsentieren“, heißt es in der Studie. So könnten Naeglerien vorbeugend in warme Gewässer und Swimmingspools gegeben werden.

Ob dies zielführend ist, müssen jedoch weitere Forschungen zeigen. „In jedem Fall wird das jetzt entdeckte Virus helfen, die Biologie der Naeglerien und deren Interaktionen mit Viren besser zu verstehen“, sagt Horn.