Köln. In einem Lied von Wincent Weiss heißt es: Ey, da müsste Musik sein. In vielen Konzerthallen galt zuletzt: Ey, da müsste Publikum sein. War es aber nicht. In Köln hat man das nun geändert - mit Wincent Weiss. Er testet, ob sich Live-Musik mit Pandemie vereinbaren lässt.

Als Wincent Weiss um 20.48 Uhr auf die Bühne tritt, blickt er in eine Arena, für die an diesem Abend das gilt, was sich jeder Musiker wünscht: Sie ist komplett ausverkauft. Nur sieht sie ganz und gar nicht danach aus.

Auf den Rängen sind viele Sitzschalen leer, im Innenraum stehen Besucher weiträumig verteilt - und umzäunt von Plexiglas-Boxen. Auch Weiss fällt auf, dass hier etwas nicht ganz zusammenzupassen scheint. Er lacht, als er seinem Publikum zuruft: "Vielen Dank fürs ausverkaufe Haus!"

Es ist ein besonderes Konzert, das Weiss an diesem Abend in der Kölner Lanxess-Arena spielt. Das Verwunderliche sind nämlich nicht die Zahl oder die Anordnung der Zuschauer - sondern, dass die Show in Corona-Zeiten überhaupt zustande kommt. Monatelang war das auch in Köln nicht möglich. Nun wurde ein Konzept entwickelt, mit dem in der Arena wieder Musik vor Live-Publikum gespielt werden darf. Die Veranstalter bezeichnen es als europaweit "einzigartig" in der brachliegenden Konzertbranche. Weiss ist der erste Künstler, der es austestet. "Ich bin jetzt Versuchskaninchen für alle", sagt er.

Die stark zurückgefahrene Zuschauerzahl ist Teil des Plans. Rund 900 Fans sind zugelassen - in einer Halle, in die bis zu 20.000 Menschen passen. Damit sich ihre Wege nicht kreuzen, wurde die Arena in fünf unabhängige, radikal getrennte Zonen eingeteilt. Jede hat einen eigenen Ein- und Ausgang, eigene Toiletten, eigene Getränkestände. Auffälligster Teil des Konzepts sind aber die sogenannten Cubes, also Würfel, im Innenraum. Die Plexiglas-Boxen für je wenige Zuschauer sind zur Bühne hin und nach oben offen. Zwischen ihnen: Abstand. Gleiches gilt auf dem Unterrang, auf dem auch Fans sitzen dürfen. Weiss tritt vor einem minimalen Publikum auf.

Der Musiker ist dennoch begeistert. "Geil! Geil! Geil!", ruft er. "Das erste Konzert für uns 2020 vor Publikum." Auch der 27-Jährige hat sich über die umfassenden Corona-Regeln für den Abend gebeugt. Es gilt, Pionierarbeit zu leisten. "Ich darf nicht aktiv zum Singen auffordern", erläutert er beispielsweise seinen zumeist jungen, weiblichen Fans. Die brauchen aber auch keine Aufforderung. Es kommt Stimmung auf. Anhand des Geräuschpegels kann man nur schwerlich erraten, ob gerade 900 oder 9000 Menschen in der Halle sind.

Sein bislang letztes Konzert hatte Weiss zuvor im Dezember gegeben. Er sang in einem Ski-Gebiet, tiefste Vor-Corona-Zeit. Als Kollegen irgendwann mangels anderer Möglichkeiten auf bisweilen merkwürdige Autokino-Konzerte auswichen, war er nicht dabei. "Ich habe gesagt, irgendwie habe ich da nicht so Bock drauf", berichtet er der dpa. "Ich möchte Mucke machen, ich möchte vor Leuten spielen und nicht vor Autos, die mich die ganze Zeit anhupen."

Ihm selbst sei es in der Corona-Zwangspause gar nicht so schlecht ergangen, sagt Weiss. Viel Zeit mit der Familie, viel Zeit für Kreatives - unter anderem die Arbeit an einem neuen Album. Aber für seine Band und die Crew sei die Zeit "natürlich Superhölle" gewesen. Jetzt gebe es mal wieder Arbeit, und das sei gut. Und die Fans seien auch glücklich. Die pflichten bei. "Es war schon eine andere Stimmung", sagt Anna, 23 Jahre alt. "Aber sie war trotzdem super."

Finanziell betrachtet ist das Konzept nach Angaben der Beteiligten noch nichts, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Bei der aktuellen Kapazität sei man in einem Bereich, in dem man "eher" subventioniere, erklärte der Veranstalter. Interessant ist aber die Perspektive, sollten irgendwann mehr Besucher möglich sein.

Viele der Künstler, die nun in Köln im gleichen Format auftreten wollen, spielen mehrere Shows hintereinander. Auch Weiss bleibt für vier Konzerte mehrere Tage in Köln - auch das ist für ihn durchaus ungewohnt. Er hat sein Skateboard dabei und will in Köln Zeit im Skatepark verbringen. Corona macht es möglich.