Ludwigsburg. Jeden Morgen singt Uwe Baltner auf dem Weg zur Arbeit und filmt sich dabei. Er hat eine Million Follower.

Uwe Baltner wirkt immer noch ein wenig, als könne er den ganzen Rummel um ihn und seine Singerei nicht ganz ernst nehmen. Eine Million Menschen folgen dem Werbefachmann aus Ludwigsburg mittlerweile auf Instagram.

Etliche schauen sich Tag für Tag auf der Internet-Plattform an, wie Baltner auf seiner Autofahrt ins Büro mit Schmackes und einem Lächeln - nun ... wie er singt. Den Blick aufs Handy gerichtet, das am Armaturenbrett seines Fiat 500 in einer Halterung steckt.

Baltner singt aus vollem Herzen und filmt sich, während er die Songs von US-Bands ebenso wie Chart-Klassiker aus England und Hip-Hop aus Deutschland im Karaoke-Stil zum Besten gibt. Ab und zu singt er auch wenig bekannte Hits aus Afrika, aus Russland oder Arabien. Ein einfaches Rezept, das zunächst ein wenig Überwindung verlangt, ein bisschen Zeit kostet und schließlich weltweit für viel Aufsehen sorgt.

Instagram - Jeder fünfte Follower kommt aus Afrika

Jeder fünfte Follower in seinem Instagram-Fanclub stammt aus Afrika, ein weiteres Fünftel aus den USA. "Musik verbindet", sagt Baltner. "Große Künstler haben meine Songs geteilt, unter anderem Chris Brown in den USA [...] Und da war mir dann irgendwie klar: Das ist jetzt nicht mehr normal. Also das ist nicht so die normale Entwicklung, sondern da passiert jetzt grad irgendwas."

Höchste Zeit also, seiner Frau das kleine Experiment auf Instagram zu beichten, das da "durch die Decke gegangen ist", wie er sagt. Ursprünglich hatte sich der 56-Jährige mit dem Singen nicht nur seine lange Zeit unterwegs vertreiben und die Stimme trainieren wollen. "Ich wollte mir auch den Griff zu den Süßigkeiten auf dem Beifahrersitz abgewöhnen." Die ersten Videos seien eigentlich nur "für den Hausgebrauch" gedacht gewesen. Aber warum nicht auch teilen? Er sei ein extrovertierter Typ, sagt Baltner, das Wissen um Zuschauer habe ihn zusätzlich motiviert.

Für die Aufnahme seines Songs auf Instagram fährt Uwe Baltner rechts ran

Außerdem bekomme er beim Singen gute Laune. "Das kickt mich morgens gut in den Tag." Hat er das Gefühl, ein Lied am Steuer ausreichend geprobt zu haben, fährt er an einer Parkbucht rechts ran und nimmt es so lange auf, bis es ihm gefällt. Kamera läuft, Lächeln, Singen, Lächeln, Kameras aus - und ab ins Netz. Wie jeden Morgen, teils sogar zwei bis drei Mal am Tag.

Diese Motivation will er weiterreichen an diejenigen, die ihn und sein Instagram-Konto Tag für Tag mit Musikwünschen füttern. Er wolle gute Laune nach außen transportieren: "Da scheint es dringenden Bedarf zu geben. Und es ist schon eine gute Sache, wenn man Leuten morgens ein Lächeln aufs Gesicht zaubert." Deshalb lächle er, bevor er den ersten Ton singe, deshalb sei er auch humorvoll, wenn er am Abend nach der Arbeit teils noch ein oder zwei Stunden auf die Kommentare im Internet aus aller Welt antworte.

Ein Gegentwurf zu Influencern auf Instagram

Wie erklärt er sich denn seinen Erfolg im Netz? Er sei weder extravagant noch eine werbende Instagram-Erscheinung, sagt Baltner. "Die Leute finden mich einfach nett." Er sehe eben so aus, "wie ich aussehe, wenn ich ins Büro fahre". Das Beständige, das Einfache, die gute Laune - "das ist auch so'n bisschen ein Gegenentwurf zu dem, was diese Influencer so machen". Als Influencer gelten Menschen, die mit großer Reichweite in sozialen Medien die öffentliche Meinung stark mitgestalten und teilweise mit Werbung Geld verdienen. Spaß beim Singen, das sei "eine bessere Botschaft als Styling- und Shopping-Tipps".

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Eine Botschaft, die sich vielleicht auch geschäftlich nutzen lässt? "Ich mache das zwar alles zum Spaß", sagt Baltner. "Aber wir sind als Werbeagentur natürlich auch interessiert daran, die Reichweite für unsere Kunden zu vermarkten." Noch haben Baltner und sein Ludwigsburger Team keine konkreten Pläne. Aber vollkommen ungenutzt wollen sie die Möglichkeit auch nicht lassen, die sich ihnen überraschend bietet.

Selbstverständlich musste Baltner nicht lange überlegen, welchen Song er anlässlich des Erreichens von einer Million Follower zum Besten gibt: "We Are The Champions", der Klassiker seiner Lieblingsband Queen, musste es sein. Und natürlich weiß auch der Backnanger, dass sich der Hype im Netz nicht ewig halten wird, die Zahl der Follower werde auch wieder sinken. "Irgendwann habe ich dann wieder wie zum Start nur noch einige Hundert Follower, dafür aber auch eine schöne Geschichte."