Sydney. Die Meeresströmungen rund um die Antarktis könnten sich deutlich verlangsamen und sogar zusammenbrechen. Das hätte dramatische Folgen.

Die Antarktis ist – wie auch die Arktis – wichtig für den Ausgleich des Klimahaushalts der Erde. Werden Bereiche dieses komplexen Systems instabil, könnte das Klima auf dem gesamten Planeten aus dem Gleichgewicht geraten. Und bereits jetzt ist der menschengemachte Klimawandel in der Antarktis genauso spürbar wie im Rest der Welt. Die mittleren Jahrestemperaturen auf der Antarktischen Halbinsel sind in den vergangenen 50 Jahren um 2,6°C gestiegen. Auch die Westantarktis erwärmt sich stark, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass immer wieder Eisberge von der Schelfeiskante abbrechen. Auch interessant: Gletscherschmelze – Was das Sterben der Eismassen bedeutet

Die Nachrichten rund um die Antarktis sind seit Längerem beunruhigend. Erst vor wenigen Wochen meldeten Forscher, dass das Meereis rund um den Südkontinent auf einen historischen Tiefststand gefallen ist. Am 21. Februar ging das Meereis in der Antarktis laut dem US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC) auf 1,79 Millionen Quadratkilometer zurück – ein Rekordtief, seit die Satellitenaufzeichnung 1979 begann.

Klimawandel: Antarktis-Studie gibt Grund zur Sorge

Auch eine aktuelle Studie australischer Forscher gibt nun Grund zur Sorge. Konkret geht es um die Meeresströmungen in der Tiefsee rund um die Antarktis. Diese sind seit Tausenden von Jahren in einem relativ stabilen Zustand. Doch mit zunehmenden Treibhausgasemissionen und einer darauf folgenden Erderhitzung wird sich die Zirkulation in der Antarktis in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich erheblich verändern.

„Unsere Modellierung zeigt, dass sich die Umwälzzirkulation in der Antarktis in den nächsten 30 Jahren um mehr als 40 Prozent verlangsamen wird, wenn die globalen Kohlenstoffemissionen auf dem derzeitigen Niveau bleiben“, sagt Matthew England von der University of New South Wales im australischen Sydney, der die Studie koordiniert hat, die in der vergangenen Woche in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde. Damit würden die Strömungen letztendlich auf einen Kollaps zusteuern. „Wir sprechen über das mögliche langfristige Aussterben einer ikonischen Wassermasse“, sagte England. Lesen Sie auch: Forscher warnen – Atlantikströmung kurz vor dem Kollaps

Kaltes Wasser, das in der Nähe der Antarktis absinkt, treibt die Umwälzzirkulation an. Das Netzwerk von Strömungen, das ganz im Süden der Erde angetrieben wird, durchzieht die Weltmeere. Es transportiert Wärme, Kohlenstoff, Sauerstoff und Nährstoffe rund um den Globus – ein Prozess, der das Klima, den Meeresspiegel und die Produktivität mariner Ökosysteme beeinflusst. Etwa 250 Billionen Tonnen kaltes, salziges und sauerstoffreiches Wasser sinken jedes Jahr in der Nähe der Antarktis ab. Dieses Wasser breitet sich dann nach Norden aus und transportiert Sauerstoff in die Tiefen des Indischen, Pazifischen und Atlantischen Ozeans. „Wenn die Ozeane Lungen hätten, wäre dies eine davon“, erklärt der Klimawissenschaftler England.

Studie zur Antarktis zeigt: Erwärmung der Tiefsee bereits im Gange

Doch das sich erwärmende Klima lässt immer mehr Eis rund um die Antarktis schmelzen. Das wiederum macht das Ozeanwasser weniger dicht und verlangsamt so die Umwälzzirkulation der Antarktis. Es wird erwartet, dass sich das Schmelzen der Eisschilde der Antarktis mit der Erwärmung des Planeten weiter beschleunigen wird. Laut Steve Rintoul von der australischen Forschungsagentur CSIRO, Co-Autor der Studie, bestätigen auch direkte Messungen in der Antarktis inzwischen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Modellierung. Sie zeigten, „dass die Erwärmung der Tiefsee tatsächlich bereits im Gange ist“. Auch interessant: Kolonie von Kaiserpinguinen in der Antarktis entdeckt

Die Wissenschaftler gingen bei ihrer Modellierung vom sogenannten „Hochemissionsszenario“ des Weltklimarats IPCC bis 2050 aus. Im Modell sind deutlich mehr Details erfasst worden, die frühere Modelle nicht berücksichtigen konnten – etwa die Frage, wie Schmelzwasser die Zirkulation beeinflussen könnte. Bei einem völligen Zusammenbruch der antarktischen Tiefseeströmung würden die Ozeane unterhalb von 4000 Metern stagnieren. Nährstoffe, die in der Nähe der Meeresoberfläche, gebraucht würden, würden damit in der Tiefe „gefangen“ bleiben, wie die australischen Forscher erklärten. Ein Kollaps würde das globale Klima und die marinen Ökosysteme für die kommenden Jahrhunderte beeinträchtigen.