Berlin. Asthma und Allergien sind laut Experten ein Paradebeispiel für Klimawandel und dessen Gesundheitsfolgen. Es bestehe Handlungsbedarf.

Patientinnen und Patienten mit Asthma und allergischen Erkrankungen sind besonders vom Klima­wandel betroffen. Darauf weist der Ärzteverband Deutscher Allergologen e.V. (AeDA) im Rahmen der Weltklimakonferenz in Ägypten hin. Laut AeDA haben allergische Erkrankungen und Asthma in den letzten Jahrzehnten rapide zugenommen und betreffen heute etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt.

In Deutschland habe mittlerweile rund jeder Fünfte eine manifeste Pollenallergie, so Oliver Pfaar von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Die Zahl sta­gniere seit Jahren auf hohem Niveau. Ein ernstzunehmendes Problem. „Viele Daten zeigen, dass Heuschnupfen sowohl die allgemeine Lebensqualität als auch die Arbeitsproduktivität Betroffener einschränkt“, sagt Pfaar.

AeDA-Präsident Ludger Klimek vom Allergiezentrum in Wiesbaden betont, dass der Klimawandel und die globale Erwärmung in vielerlei Hinsicht direkten Einfluss auf das Auftreten und den Schweregrad dieser Krankheiten hätten. Der Grund: Längere warme Jahreszeiten führen zu längeren Pollenflugzeiten mit stärker allergenen Pollen, so Klimeks Erklärung.

Erderwärmung: CO2-Belastung verstärkt allergische Reaktionen

Susanne Jochner-Oette, Professorin für Landschaftsökologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, ergänzt: „Durch die steigenden Temperaturen werden die Pollenkörner häufig in größeren Mengen produziert und früher freigesetzt.“ Studien zeigen zudem, dass die Wirkung der Allergene etwa durch die steigende CO2-Belastung noch verstärkt wird.

Dass die Allergiesaison durch den Klimawandel länger andauere, das betreffe vor allem krautige Pflanzen und Gräser, sagt Jochner-Oette. Hinzu kommt: Auch stark allergieauslösende Pflanzen wie die Beifuß-Ambrosie, die früher in südlicheren Gegenden beheimatet waren, breiteten sich bei uns aus, so die Expertin.

Dadurch entstehen neue Pollenquellen, die die sogenannte Allergenexposition für Allergikerinnen und Allergiker erhöhen – also die Menge an natürlichen allergie-auslösenden Substanzen, denen sie ausgesetzt sind. Neue anthropogene Stoffe – durch den Menschen künstlich erzeugt – kommen laut Klimek erschwerend hinzu.

Naturkatastophen und Überschwemmungen: Auch Schimmelpilze nehmen zu

In den letzten 50 Jahren seien mehr als 200.000 dieser neuen anthropogenen Stoffe in die Umwelt freigesetzt worden. Das große Problem daran ist laut AeDA-Präsident Klimek, dass es kein umfassendes Verständnis oder Strategien zur Abschwächung der entzündungsfördernden, allergenen und toxischen Wirkung dieser Stoffe gebe.

„Naturkatastrophen und Überschwemmungen erhöhen die Feuchtigkeit und das Schimmelpilzrisiko“, gibt Klimek ergänzend zu bedenken. „Und Luftverschmutzung, Waldbrände und Staubstürme führen bei Asthmapatienten zu mehr Anfällen oder einer Verschlimmerung der Symptome.“ Der alarmierende Verlust an biologischer Vielfalt, den die Erde in den letzten Jahren erlebe, verschärfe das Problem zusätzlich.

Eine neue Studie von Umweltmedizinerinnen der Universität Augsburg, die im „Allgero Journal“ veröffentlicht wurde, konnte zudem zeigen, dass das Phänomen des sogenannte Thunderstorm-Asthma - auch gewitterbedingtes Asthma – bedingt durch den Klimawandel häufiger auftritt.

Asthma in den letzten Jahrzehnten rapide zugenommen – auch bei Kindern.
Asthma in den letzten Jahrzehnten rapide zugenommen – auch bei Kindern. © iStock | istock

Regen und Gewitten lassen Pollen aufplatzen

Dies ist ein gehäuftes Auftreten teilweise schwerer Asthmaanfälle im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Gewittern. Bei Starkregen und Gewitter könnten Pollen aufplatzen und Allergene freisetzen, erklärt Ökologin Jochner-Oette.

Sich einfach ins Haus oder die Wohnung zurückzuziehen sei aber keine Option „Untersuchungen zeigen, dass auch hier die Pollenbelastung oft sehr hoch ist“, so die Forscherin. Bei Regen sei die Konzentration in Innenräumen teils sogar höher als im Freien. Auch dass die Belastung nach Regen draußen grundsätzlich geringer sei, wie einige glauben, ist laut der Ökologin falsch.

Klimawandel und Gesundheitskrise hängen zusammen

Jochner-Oette betont, wie wichtig es sei, ein Bewusstsein für den komplexen Zusammenhang des Klimawandels und allergischer Krankheiten zu schaffen. Die AeDA fordert mit Blick auf die Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass die durch Allergien ausgelöste Gesundheitskrise mit der Umweltkrise gemeinsam gelöst werden müsse.

Auf der Klimakonferenz sei betont worden, dass ein gemeinsames und interdisziplinäres Vorgehen erforderlich sei, um die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen und abzumildern, damit diese Krankheiten erfolgreich verhindert und behandelt werden könnten, heißt es von Seiten der Fachgesellschaft.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de