Berlin. Wenn schlechte Nachrichten aufs Gemüt schlagen, helfen Ausgleich und Balance, sagt Psychologin Muriel Böttger. Fünf Übungen dazu.

Erst Corona, dann Krieg, Energiekrise und Inflation: Seit Monaten bestimmen schlechte Nachrichten die Schlagzeilen und damit auch das Bewusstsein vieler Menschen. „Wir haben genetisch und evolutionär bedingt eine große Portion Pessimismus in uns. Denn wir sind darauf trainiert, Gefahren besonders gut wahrnehmen zu können“, sagt Psychologin Muriel Böttger. Das Problem dabei: Eine gute Balance zwischen Pessimismus und Optimismus sei wichtig für ein glückliches Leben. Böttger, Expertin für positive Psychologie, erklärt fünf Übungen zur Stärkung der mentalen Gesundheit.

Drei gute Dinge: Das Glückstagebuch

„Im Schnitt gehen etwa 40 Prozent des Wohlbefindens auf Gedanken oder Gefühle zurück“, sagt Muriel Böttger. Das Gute daran: „Wir können Einfluss nehmen.“ Etwa mit der Übung, die in der Wissenschaft auch „Three Good Things“ heißt, englisch für „drei gute Dinge“.

Ins Glückstagebuch schreibt man dabei jeden Abend drei Ereignisse, die tagsüber gut gelaufen sind. Um Selbstvertrauen und Selbstwert zu stärken, notiert man am besten auch, was man selbst dazu beigetragen hat. Ein Beispiel: Ich komme notorisch zu spät, was mich stark belastet. Heute war ich pünktlich, weil ich mir am Smartphone einen Alarm gesetzt habe. Ich bin dann endlich einmal rechtzeitig losgelaufen, habe die Bahn erwischt und war zehn Minuten vor der Zeit am Ziel. Es hat sich gut angefühlt. Sieben Tage am Stück ausgeführt könne die Übung mehreren Studien zufolge das Wohlbefinden für bis zu sechs Monate messbar positiv beeinflussen, erklärt Böttger.

Expertin für positive Energie: Psychologin Muriel Böttger.
Expertin für positive Energie: Psychologin Muriel Böttger. © Privat | Privat

Einmal durch den Körper: Die Meditation

Viel erforscht hinsichtlich ihrer Wirksamkeit sind die Themen Achtsamkeit und Meditation. Beide haben erwiesenermaßen Einfluss auf unsere Psyche, sagt Böttger. „Für eine Meditation muss ich kein Mönch sein und ich muss auch nicht im Schneidersitz sitzen. Das kann ich überall tun, auch im Zug“, sagt die Psychologin. Smartphone-Apps wie die von Stiftung Warentest mit „gut“ benoteten „Head­space“ oder „7Mind“ böten bei Bedarf eine professionelle Begleitung, notwendig fürs Gelingen sei diese nicht. Meditations- und Achtsamkeitsübungen, etwa der sogenannte Bodyscan, ließen sich gut in den Alltag integrieren.

„Bei der Übung nehme ich mir einen kurzen Moment Ruhe, setze mich hin und scanne – im besten Fall mit geschlossenen Augen – einmal durch den Körper, von der Scheitelkrone bis in die Fußsohle“, erklärt Böttger. „Dabei nehme ich wahr, was dort ist, ohne es zu bewerten, einordnen oder verändern zu wollen. Was ist entspannt, was angespannt? So schaffe ich ein Bewusstsein für den Körper und das, was in ihm vorgeht. Das kann Ruhe und Gelassenheit für die folgende Zeit geben“, sagt die Psychologin. Wenn man geübt sei, brauche man für den Bodyscan irgendwann nur noch zwei bis fünf Minuten. Auch interessant: Mutmach-Podcast: Wir – zwischen Burnout und Sinnkrise

Nicht alles Schwarz sehen: Raum für Positives

Zum Leben gehören die positiven wie die negativen Seiten, die angenehmen und die unangenehmen Gefühle, die guten und die schlechten Lebensphasen. „Entscheidend ist, dass wir das Negative nicht einfach ausblenden, sondern untersuchen, wie wir damit umgehen. Wie kann ich auch aus schlechten Phasen gestärkt wieder herauskommen“, sagt Böttger. „Wir brauchen Aufmerksamkeit für das Positive, damit wir unsere Lebenszufriedenheit steigern.“ Böttger nennt das einen flexi­blen Optimismus: Gefahren richtig einschätzen und dennoch zuversichtlich in die Zukunft blicken.

„Das können wir trainieren, indem wir unsere Aufmerksamkeit fürs Positive schulen.“ Man könne sich etwa in schlechten Situationen fragen, ob es daran auch etwas Gutes geben könnte. „Manchmal hilft es, das gedanklich durchzuspielen. Ich kann das aber auch aufschreiben.“ Sei eine Krise bewältigt, könne man auch ein Fazit ziehen: Was habe ich daraus gelernt? Böttger: „Unser Gehirn ist veränderbar. Wenn wir bewusst die Aufmerksamkeit für das Positive trainieren, dann fängt es irgendwann automatisch an, positive Reize im Außen wahrzunehmen.“ Lesen Sie auch: Hören, Sehen, Tasten: Was elektronische Sinnesorgane können

Körper beeinflusst den Geist: Auf Haltung achten

Die Forschung zeige, so Böttger: „Körper und Psyche sind eng miteinander verbunden. Wenn ich eine gewisse körperliche oder mimische Haltung einnehme, dann wird unser System auch dazu angeregt, eine Emotion anzunehmen. Die äußere Haltung beeinflusst meine innere und umgekehrt.“ Sich dies bewusst zu machen, sei wichtig, um Veränderung zu bewirken. Man könne etwa mehrmals täglich bewusst auf den Körper achten, den Rücken durchstrecken, die Schultern hochnehmen, aufrecht gehen, sitzen oder auch einfach mal lächeln.

Wichtig fürs Wohlbefinden: Die Dankbarkeit

Dankbarkeit ist Böttger zufolge ein großer Forschungsbaustein in der Psychologie. Sie habe viele positive Effekte auf unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit. „Um glücklich zu sein, brauchen wir mehr positive Emotionen als negative. Und Dankbarkeit ist da ein Allroundtalent“, sagt Böttger. „Wenn wir Veränderungen anregen wollen, ist es wichtig, dankbar dafür zu sein, was schon da ist.“

Häufig seien wir so fokussiert darauf, was alles besser sein könnte oder was wir materiell oder emotional noch haben wollten, dass wir dabei den Blick für das verlieren würden, was an Glück und Wohlbefinden in unserem Leben schon da sei. „Dankbarkeit kann uns helfen, dies wertzuschätzen“, so Böttger. Ein guter Start sei dabei, jeden Tag drei Dinge zu notieren, für die wir dankbar sind, so die Psychologin. Das könne das Dach über dem Kopf sein, ein gutes Essen oder eine gelungene Beziehung, die wir führen.