Korbach/Twistetal. Wegen Keimen in Wilke-Wurst sind vermutlich mehrere Menschen gestorben. Nun gehen die Behörden weiter gegen das Unternehmen vor.

In der kommenden Woche wollen Behörden drei Tonnen Kühlmittel auf dem Gelände des geschlossenen Fleischherstellers Wilke in Twistetal-Berndorf abfackeln.

„Im Auftrag des Regierungspräsidiums Kassel wird es durch eine Spezialfirma verbrannt“, sagte ein Behördensprecher am Dienstag. Ein anderer Entsorgungsweg sei nicht möglich. Laut der Behörde wird ein mobiler Brenner auf Gelände aufgestellt, um das Ammoniak abzufackeln.

Es zerfalle dann in Stickstoff und Wasserdampf ohne schädliche Umwelteinwirkungen. Bezahlt werde die Entsorgung in Vorleistung durch das Land Hessen, damit die Firma schnell und sicher außer Betrieb genommen werde. Eine Summe nannte der Sprecher nicht.

Wilke-Wurst: Drei Todesfälle nach Verzehr von Produkten der Firma

Der Skandal um keimbelastete Lebensmittel nahm immer größere Ausmaße an. Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind seit dem Jahr 2014 insgesamt 37 Menschen in Deutschland an Listeriose erkrankt. 25 von ihnen sind bereits gestorben, bei drei Verstorbenen gilt als wahrscheinlich, dass die Infektion zum Tod geführt hat.

Dennoch würden auch die weiteren Todesfälle auf eine bestehende Krankheitssystematik und einen ursächlichen Zusammenhang hin überprüft. Allerdings seien die Verstorbenen zum Teil sehr alt gewesen und hätten andere schwere Erkrankungen gehabt.

Drei Personen aus Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen mussten „direkt oder indirekt“ ihr Leben wegen Listeriose lassen. Sie hatten sich durch Produkte von Wilke infiziert. Die Erkrankten waren zwischen 31 und 91 Jahre alt.

Mindestens drei der Fälle wurden in Brandenburg bekannt. Alle Erkrankten seien inzwischen gestorben. Bei ihnen handelt es sich um zwei Frauen und einen Mann aus unterschiedlichen Altersklassen. Die drei seien zwischen 1931 und 1960 geboren, teilte die Staatsanwaltschaft Kassel mit.

Wilke-Wurst mit Listerien verseucht – das Wichtigste in Kürze:

  • In Wurstwaren der Firma Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren in Twistetal-Berndorf sind gefährliche Keime, sogenannte Listerien, nachgewiesen worden
  • Die Waren werden mit 37 Krankheitsfällen in Verbindung gebracht – und mit mindestens drei Todesfällen
  • Der Betrieb wurde geschlossen, der Hersteller beantragte die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens
  • Die Staatsanwaltschaft untersucht die Todesfälle

Keime in Lebensmitteln: Angesteckt in Krankenhäusern und Altersheimen

Andreas Thöne, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Kassel sagte: „Ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Infektion und dem Ableben besteht und welche Krankheitssymptome die Infizierten durch die Listeriose erlitten haben, wird nunmehr ermittelt.“

Anfang Oktober hatten Behörden den Betrieb des nordhessischen Fleischherstellers geschlossen. Zuvor waren wiederholt Listerien in Produkten nachgewiesen worden. Die Keime können bei geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen den Geschäftsführer.

Laut Thöne hatte das Robert-Koch-Institut eine anonymisierte Liste der bislang bekannt gewordenen Erkrankungsfällen übermittelt. Darauf verzeichnet seien Fälle mit dem Keimstamm „Sigma 1“, der in direkten Zusammenhang mit Produkten der Firma Wilke gebracht werde.

Diese Lebensmittel werden am häufigsten zurückgerufen

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    Die Liste entspricht den 37 Fällen, auf die sich auch hessische Gesundheitsbehörden immer wieder bezogen. „Aus dem Kreise dieser 37 Personen wurden drei Verstorbene benannt, deren Tod möglicherweise auf eine Listeriose zurückzuführen ist“, sagte Thöne.

    Wilke-Wurst-Skandal: Bessere Kontrollen gefordert

    Die Strafverfolger prüfen zudem die drei bisher bekannten Todesfälle, bei denen man von einer Listerieninfektion als Ursache ausgeht. Denn der letzte Beweis fehlt auch hier. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte zu den Ermittlungen: „Die Tatsache aber, dass es bereits bestätigte Todesfälle in diesem Zusammenhang gibt, und es sogar noch weitere sein könnten, ist sehr tragisch und macht sehr betroffen.“

    Die Bundesländer seien aufgefordert, ausreichend qualifiziertes Personal für effektive Vor-Ort-Kontrollen in Lebensmittel-Betrieben bereitzustellen. Aktuell sei das augenscheinlich nicht der Fall.

    In Niedersachsen prüfen Verbraucherschutzministerium und Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gemeinsam den Entzug der Betriebszulassung der Fleisch-Krone Feinkost GmbH, weil deren Zuverlässigkeit fraglich sei.

    Der Unternehmer habe nicht belegen können, dass er bei Eigenkontrollen festgestellte Listerien-Funde der amtlichen Lebensmittelkontrolle gemeldet hatte. Dazu war er nach Verstößen gegen Hygienevorschriften verpflichtet worden.

    Wie viele Wilke-Produkte sind im Umlauf?

    Ob weitere belastete Produkte in den Handel gekommen sind, wird noch geprüft. Unter Druck der Behörden hatte das Unternehmen am Freitag vergangener Woche den Rückruf von Fertigfrikadellen wegen Verunreinigungen mit den Bakterien veranlasst. In einem Bericht war sogar von Verwesungsgeruch die Rede.

    Die Betriebserlaubnis für die Produktionsstätte in Goldenstedt war deswegen vorübergehend ausgesetzt worden. Aufgrund von Strafanzeigen des Landesamtes und des Landkreises Vechta hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg Ermittlungen gegen zwei Verantwortliche bei dem Fleischwarenhersteller eingeleitet. Es gehe um den Verdacht des Inverkehrbringens nicht sicherer Lebensmittel.

    Was sind Listerien?

    Listerien sind in der Natur häufig vorkommende Bakterien.

    • Nur sehr wenige Menschen, die sie aufnehmen, erkranken an der sogenannten Listeriose.
    • Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Infektionskrankheit meist unauffällig oder
    • nimmt einen harmlosen Verlauf mit grippeähnlichen Symptomen mit Durchfall und Fieber.

    Gefährlich, sogar lebensgefährlich ist die Infektion für Menschen mit geschwächten Abwehrkräften:

    • Neugeborene,
    • alte Menschen,
    • Patienten mit chronischen Erkrankungen,
    • Transplantierte und
    • Schwangere.

    (dpa/fmg/les/cho/bekö)