München (dpa/tmn). Eine bürgernahe Rechtssprechung - diesem Gedanken folgt das Schöffenamt. Laienrichter wirken unmittelbar an Gerichtsentscheidungen mit. Gibt es nicht genügend Bewerber, wird das Amt zur Pflicht.

Akten einsehen, an Verhandlungen teilnehmen, Fragen an Zeugen stellen, ein Strafmaß festsetzen: Als Schöffin oder Schöffe können diese Aufgaben plötzlich zum Alltag gehören. Während sich viele freiwillig als ehrenamtliche Richter und Richterinnen bewerben, werden andere dazu verpflichtet.

Zum 01. Januar 2024 beginnt die nächste Periode, die bis Ende 2028 dauert. 2023 ist damit Jahr der Schöffenwahl. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Wie wird man eigentlich zum Schöffen oder zur Schöffin?

Die Berufung zur Schöffin oder zum Schöffen erfolgt grundsätzlich auf ehrenamtlicher Basis. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) schreibt den Verfahrensablauf detailliert vor.

Deutsche Staatsangehörige können sich für die kommende Amtsperiode noch bis Anfang 2023 bei ihrer Gemeinde bewerben. Sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein, dürfen höchstens aber 69 Jahre alt sein. Auf Grundlage der eingegangenen Bewerbungen erstellen die jeweiligen Kommunen dann ihre Vorschlagslisten für potenzielle Laienrichter auf. Anschließend legen sie die erstellten Listen den Amtsgerichten zur Wahl vor.

Für den Fall, dass sich nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber finden, können Gemeinden auf geeignete Personen zugehen. Hier ist eine Auswahl nach dem Zufallsprinzip (etwa über die Melderegister) zulässig. Individuelle Ausschlussgründe sind aber zu berücksichtigen.

Gibt es keine Hindernisse, ist jeder deutsche Staatsbürger zwischen 25 und 69 Jahren verpflichtet, das ihm vorgeschlagene Amt anzunehmen. Michael Schmädecke, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) sagt, dass derartige Zufallsverpflichtungen eher Ausnahme als Regel sind. Die meisten Kommunen würden zum einen genügend Bewerber finden und hätten darüber hinaus kein Interesse an Laienrichtern, die ihr Ehrenamt mit Widerwillen ausführen.

Warum braucht es ehrenamtliche Richterinnen und Richter?

Richterinnen und Richter sind bei ihren Entscheidungen unabhängig und nur an geltende Gesetze gebunden. Außenstehende nehmen Gerichte dabei seit jeher als geschlossene und wenig durchsichtige Institutionen wahr. Das Schöffenamt soll daher dazu dienen, Ansehen und Bürgernähe der Rechtsprechung zu fördern. Gleichzeitig ermöglicht es, andere als rein juristische Perspektiven der hauptamtlichen Richter in den Urteilsspruch einfließen zu lassen.

Michael Bieber vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz (StMJ) betont dabei die Bedeutung nichtjuristischer Wertungen in der Hauptverhandlung. Besonders wichtig sei daher eine gleichmäßige Verteilung von Alters- und Berufsgruppen innerhalb der Schöffen. Juristische Laien haben regelmäßig den sprichwörtlichen „Blick über den Tellerrand hinaus“ und können erheblich zum gesellschaftlichen Verständnis für gerichtliche Entscheidungen beitragen.

Außerdem stellt Bieber klar, dass alle am Verfahren beteiligten (Laien-)Richter gleiche Stimmrechte haben. Besteht die Kammer am Landgericht beispielsweise aus einem haupt- und zwei ehrenamtlichen Richtern, können Letztere Ersteren überstimmen.

Kann ich die Berufung ins Schöffenamt ablehnen?

Kommt es zu einer Zufallsverpflichtung, was nach Angaben des DVS vor allem in Großstädten mit niedrigen Bewerberzahlen der Fall ist, gibt es unterschiedliche Gründe, aus denen die Berufung abgelehnt werden kann. „Mögliche Hinderungsgründe werden zur Vermeidung zusätzlichen Aufwandes regelmäßig bereits im Bewerbungsverfahren abgefragt“, heißt es vom DVS. Welche Ablehnungsgründe möglich sind, zeigt das Gerichtsverfassungsgesetz auf.

Die Aussichten auf Streichung von der Schöffenliste stehen aber in der Regel schlecht. Grundsätzlich ist es eine staatsbürgerliche Pflicht, ein Ehrenamt zu übernehmen. Vor allem fehlende Motivation allein sei deswegen kein Hinderungsgrund, sagt Michael Bieber. Vielmehr sind die Hinderungs- und Ablehnungsgründe gesetzlich geregelt.

So sollen etwa Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht für das Amt geeignet sind, nicht zum Schöffenamt berufen werden. Zudem sollen Polizeivollzugsbeamte nicht berufen werden.

Abgesehen davon dürfen etwa Angehörige bestimmter Berufsgruppen, zum Beispiel Ärzte oder Hebammen, die Berufung zum Schöffenamt ablehnen. Auch im Einzelfall zu prüfende, nachgewiesene wirtschaftliche Härten können einen Ablehnungsgrund darstellen. Wer bereits in den beiden vorangegangenen Wahlperioden als Schöffin oder Schöffe tätig war, darf eine erneute Berufung ebenfalls ablehnen. Landtags- oder Bundestagsabgeordnete dürfen aus Gründen der Gewaltenteilung ebenfalls ablehnen.

Wie lassen sich Schöffenamt und Job vereinbaren?

Schöffen müssen für die Zeit ihrer Amtstätigkeit von ihrem Arbeitgeber freigestellt werden . Eine Kündigung wegen der Übernahme oder Ausübung des Ehrenamts ist unzulässig. Dabei spielt es laut DVS keine Rolle, ob sich der Arbeitnehmer für das Amt beworben hat oder vorgeschlagen wurde.

Arbeitgeber können allerdings die Lohnfortzahlungspflicht bei vorübergehender Verhinderung wirksam im Tarif- oder Arbeitsvertrag ausschließen. Schöffen steht dann eine Entschädigung für Verdienstausfall zu, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst richtet und höchstens 29 Euro pro Stunde beträgt.

Bei langwierigen Verfahren von mehr als 50 Sitzungstagen kann die Entschädigung auf bis zu 73 Euro pro Stunde ansteigen. Hinzu kommen gegebenenfalls weitere Entschädigungen etwa für Fahrtkosten, Aufwand und Aufwendungen.