Berlin. Schlepper ließen 71 Flüchtlinge in einem Kühllaster sterben. Gegen das Urteil gingen sie in Berufung. Und wurden noch härter bestraft.

Sie waren eingesperrt, bekamen keine Luft zum Atmen – und starben qualvoll in einem Kühllaster. 71 Menschen verloren im August 2015 ihr Leben. 71 Flüchtlinge, die auf Schlepper vertraut hatten. Am Donnerstag wurde der Prozess um das Drama von Ungarn endgültig beendet. Die vier Schlepper wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Das Urteil des Berufungsgericht in der südungarischen Stadt Szeged war dabei nicht so, wie sich die Angeklagten das erhofft hatten. In erster Instanz hatten alle nämlich 25 Jahre Haft bekommen. Anstatt geringerer Strafen oder gar einem Freispruch, bekamen der Fahrer und drei Komplizen nun schärfere Urteile zugesprochen.

71 Flüchtlinge tot in Kühltransporter – ihr Ziel war Österreich

Der Lastwagen hätte die Flüchtlinge – auf dem Höhepunkt der damaligen Flüchtlingsströme aus Nahost in die Mitte Europas - von der ungarisch-serbischen Grenze nach Österreich bringen sollen. Sie waren, wie Untersuchungen ergaben, noch auf ungarischem Gebiet qualvoll erstickt.

Die nunmehr rechtskräftigen Urteile des Gerichtes in Szeged besagen außerdem, dass der Fahrer des Todes-Lkw, ein Bulgare, sowie die beiden Organisatoren der Todesfahrt, ein Afghane und ein Bulgare, keine Aussicht auf vorzeitige Entlassung haben.

Der Lenker des Begleitfahrzeuges, auch ein Bulgare, kann bei guter Führung frühestens nach 30 Jahren freigelassen werden.

Opfer waren noch auf ungarischer Seite qualvoll erstickt

Der tragische Fall im August 2015 hatte international für Erschütterung gesorgt. Den Kühllaster mit den Leichen der 71 erstickte Menschen, unter ihnen vier Kinder, hatten österreichische Polizisten abgestellt in einer Autobahnbucht bei der Ortschaft Parndorf nahe der Grenze zu Ungarn gefunden. Der Fahrer hatte sich zuvor im Begleitfahrzeug abgesetzt.

Die Schlepper wurden als Mitglieder einer internationalen Bande in Ungarn ermittelt, verhaftet und vor Gericht gestellt. Der erste Prozess gegen die Schlepper in Ungarn hatte vor zwei Jahren begonnen.

Richter begründet Verschärfung des Urteils: „Äußerst hervorstechendes Verbrechen“

Der Vorsitzende Richter Erik Mezölaki begründete am Donnerstag die Verschärfung der erstinstanzlichen Urteile mit der Schwere der Tat. „Es war ein äußerst hervorstechendes Verbrechen, mit tragischen Folgen“, erklärte er in der mündlichen Urteilsbegründung. „71 Menschen starben einen schrecklichen, qualvollen Tod, den die Täter zwar nicht wollten, mit dem sie sich aber abfanden.“

Die Menschen trommelten bereits kurz nach der Abfahrt in Südungarn an die Wände des Laderaums, weil sie keine Luft bekamen. Der Fahrer hielt zwar gelegentlich an, wagte es aber nicht, die Ladetür zu öffnen. Die anderen drei Schlepper befahlen ihm, möglichst nicht anzuhalten und in keinem Fall die Ladetür zu öffnen, um ein Auffliegen zu vermeiden.

„Die Schlepper hielten dies für wichtiger als das Leben von 71 Menschen. Sie haben sich gegenüber dem Tod der Opfer gleichgültig verhalten“, sagte der Richter.

Acht weitere Mitglieder der Bande sind bereits verurteilt

Im Zusammenhang mit der Todesfahrt des Kühllasters hatten die ungarische und die bulgarische Polizei acht weitere Mitglieder der Schlepperbande – sieben Bulgaren und einen Libanesen – verhaftet. In dem komplexen Verfahren erster Instanz vor einem Jahr in Kecskemet, 100 Kilometer südlich von Budapest, wurden auch diese Männer zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Sie waren an insgesamt 25 Schlepperfahrten von Südungarn nach Österreich und Deutschland beteiligt.

Gegen zwei weitere Bandenmitglieder, unter ihnen ein zur Tatzeit in Serbien tätiger Afghane, wurde in Abwesenheit verhandelt. Das Berufungsgericht in Szeged änderte diese Urteile geringfügig ab. Wegen Menschenschmuggels im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhielten sie Gefängnisstrafen zwischen vier und zwölf Jahren.

Der EU-Kommissar lobte kürzlich Deutschland für die Flüchtlingsaufnahme. Im Juni ist erneut ein Flüchtlingsboot vor Lesbos verunglückt – es gab mehrere Tote. Zuletzt hatte es in der EU mehr Asylbewerber gegeben – wegen einer Besonderheit. (dpa/ses)