Berlin/München. Fast 200 Filmschaffende veröffentlichen in der Süddeutschen Zeitung ein Manifest: #actout. Sie wollen Schluss machen mit einem Tabu.

Im Fernsehen ist sie Kommissarin Karin Gorniak, ermittelt in Mordfällen und Entführungen in Dresden. Viel weniger Menschen kennen den Menschen hinter der Schauspielerin, Karin Hanczewski, 39 Jahre alt.

Sie erzählt, dass sie zum Dreh immer ihre Freundin mitgebracht habe. Nie hatte sie am Set Probleme. "Dämonisiert wurde das öffentliche Coming-Out", sagt Hanczewski. "Jenes vor Publikum, vor der Öffentlichkeit." Damit soll Schluss sein. Das Tabu vorbei.

Schauspieler*innen sagen: Wir sind hier, wir sind viele!

185 Filmschaffende haben in einer gemeinsamen Aktion in der "Süddeutschen Zeitung" unter dem Hashtag #actout ihr Coming-Out "unter anderem als lesbisch, schwul, trans, queer inter und non-binär" gefeiert. Darunter Eva Meckbach, Jonathan Berlin und Godehard Giese. "Wir sind hier und wir sind viele!", schreiben die Schauspieler*innen. Bisher hätten sie in ihren Berufen nicht offen mit dem Privatleben umgehen können. Sie hätten "berufliche Konsequenzen" zu fürchten. Lesen Sie auch: Nur wenige Lesben und Schwule outen sich im Job

Von Agenturen, Produktionsfirmen, aber auch von Kolleginnen und Kollegen sei ihnen geraten worden, die eigene sexuelle Orientierung, Identität sowie Gender geheim zu halten, "um unsere Karrieren nicht zu gefährden. Das ist jetzt vorbei."

Filmbranche ist noch immer von Männern geprägt

Es sind eindrückliche Schilderungen, mit denen die Schauspieler*innen in der "Süddeutschen Zeitung" ein Tabu brechen wollen. In einer Branche, die zuletzt durch Missbrauchsvorwürfe erschüttert wurde. Einer Branche, in der es auch nach Ansicht der Autor*innen des Manifest trotz zunehmender öffentlicher Debatte noch immer Diskriminierung gibt, Homophobie und menschenfeindliche Äußerungen aufgrund von Geschlechtsidentität. Von Babelsberg-Studios bis Hollywood. Mehr zum Thema: Harvey Weinstein muss für 23 Jahre in Haft - so reagierte er

Tatort-Schauspielerin Karin Hanczewski ist eine der Hauptinitiatorinnen des Manifests. "Als ich den 'Tatort' bereits hatte, wurde mir gesagt, ich soll mich nicht outen, bevor ich nicht den Fuß richtig in der Branche habe, und wir wissen ja alle, dass die Leute, die den Fuß so richtig drinnen haben und auch den ganzen Körper, es erst recht nicht tun sollen. Es gibt also nie den richtigen Zeitpunkt."

Fast 200 Filmschaffende beteiligten sich am Manifest

Hanczewski habe dann Kolleg*innen angesprochen – und immer mehr gefunden, die sich an #actout beteiligen wollen. Nun sind es fast 200. Mit dabei etwa: Ulrich Matthes, Schauspieler und Chef der Deutschen Filmakademie, die Kabarettistin Maren Kroymann, die Filmschaffenden Knut Berger, Anian Zollner, Mavie Hörbiger und Nadine Wrietz. Mitinitiator des Manifests war auch Schauspieler Mehmet Atesci.

Es sind sehr persönliche Eindrücke, die die Autor*innen in dem Manifest schildern. Oska Melina Borcherding erzählt, wie Borcherding „meistens als Frau gelesen“ werde und so auch erzogen worden sei. „Aber ich wusste immer, dass ich das nicht bin, und ich habe auch als Kind gesagt: Ich bin kein Mädchen. Ich fühle mich heute als androgyner, nicht-binärer Mensch, der mehr Mann als Frau ist – beides.“ Lesen Sie auch: Arbeit: Jeder dritte Homosexuelle wird im Job diskriminiert

Das Manifest ist auch ein Appell an andere, sich zu „outen“

Eine Branche, die wie Politik und Unternehmen noch immer mehrheitlich von Männern geleitet und gestaltet werden. In der auch Sexualität und Lust vor allem aus dem Blick der Männer dargestellt wird. Zugleich merken die Filmschaffenden gerade bei den Jüngeren einen Wandel.

So beschreibt Jonathan Berlin den Kurzfilm "Jung Fragil", an dem Berlin mitgespielt hat. Da würden explizit auch Frauenidentitäten stärker abgebildet. "Ganz bewusst wurde da auch eine Sexszene inszeniert, die viel mehr aus der Frauenperspektive erzählt wurde, obwohl der Protagonist ein junger Mann war – und das finde ich wichtig im Sinne der Gleichberechtigung." Auch interessant: Transgender: Das Outing von Elliot Page verändert Hollywood

Moderatorin Anne Will reagiert auf Twitter: "Das ist stark!"

Das Manifest ist auch ein Appell an andere Menschen: "Wir freuen uns auf all die neuen Geschichten, die wir gemeinsam darstellen und erzählen können. Die Welt verändert sich, wir tragen alle dazu bei!"

Und schon am Tag der Veröffentlichung des Aufrufs ist die Reaktion in den sozialen Medien groß. "Das ist stark!", schreibt Moderatorin Anne Will.

(cu/FMG)