Berchtesgaden. Seit Tagen wird ein junger Bergsteiger in den Alpen vermisst. Rettungskräfte stellten am Donnerstagabend die Suche zunächst jedoch ein.

  • Ein 24-Jähriger wird seit Samstag in den Alpen vermisst
  • Die Rettung des Bergsteigers blieb bisher erfolglos
  • Wie die Einsatzkräfte jetzt weiter verfahren wollen

Die Retter begeben sich selbst in Lebensgefahr, aber das nehmen sie in Kauf. Sie wollen den jungen Urlauber finden, solange noch Hoffnung besteht. Also lassen sie sich vom Hubschrauber aus abseilen, bohren bei Eiseskälte Löcher ins Gestein und verankern Haken darin, um sich abzusichern. Dann stapfen sie auf Steigeisen durch das dichte Schneegestöber und graben nach Julian P.

Der 24-jährige Tourist aus Niedersachsen wird seit Samstag vermisst, seitdem lief in den Berchtesgadener Alpen eine von Lichtblicken und bedrückenden Rückschlägen geprägte Suchaktion. Am Donnerstagabend stellten die Rettungskräfte die Suche nach dem verunglückten Bergsteiger dann zunächst ein. Man habe „alles Menschenmögliche“ und technisch Machbare getan, sagte ein Polizeisprecher. In den nächsten Tagen werde die Suche lageabhängig fortgesetzt – sofern die Einsatzmittel es zuließen.

Ein Eurofighter der Bundeswehr kreiste zeitweise um den 2607 Meter hohen Hochkalter, unterstützte die Retter mit Ortungstechnik und hochauflösenden Luftbildern. Auch eine sogenannte Recco-Boje kam zum Einsatz: ein 70 Kilogramm schweres, an einer langen Leine unter dem Hubschrauber baumelndes Suchgerät, das Halbleiter aufspüren kann, also beispielsweise Chips in elektronischen Geräten – selbst wenn diese ausgeschaltet sind.

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Vermisster Alpen-Tourist brach sich beim Sturz beide Arme

„Wenn der Notebook oder Handy dabei hat, kann man dann davon ausgehen, dass wir den finden“, sagte Rudi Fendt (68) von der Bergwacht in Ramsau bei Berchtesgaden über den Mann aus Hannover.

Der 24-jährige Bergsteiger war am Wochenende alleine zu einer hochalpinen Tour aufgebrochen und unterhalb des Gipfels nach einem Wetterumschwung abgerutscht. Laut dem Bayerischen Roten Kreuz setzte er einen Notruf ab, weil er sich im Schneesturm in dem steilen Gelände kaum noch halten konnte.

In 2500 Metern Höhe hoffen ehrenamtliche Helfer, den Bergsteiger lebend zu finden – trotz Minusgraden.
In 2500 Metern Höhe hoffen ehrenamtliche Helfer, den Bergsteiger lebend zu finden – trotz Minusgraden. © dpa

Er gab an, er habe sich beide Arme gebrochen und sei am Kopf verletzt. Seither ist jeder Kontakt abgerissen. Die Retter hoffen, dass er sich eine Schneehöhle als Schutz gegen den frostkalten Wind graben konnte.

Schlechtes Wetter und schwierige Bedingungen mit bis zu drei Meter tiefem Schnee machten die Suche in den ersten Tagen unmöglich, die Retter warteten einsatzbereit im Tal. „Das ist absolutes Absturzgelände“, so Fendt, der seit mehr als vier Jahrzehnten ehrenamtlich bei der Bergwacht hilft und das Gebiet gut kennt. „Man sieht auch keinen Untergrund, ob Löcher oder Spalten drunter sind.“

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Alpen: Immer mehr Todesfälle – wegen Corona?

Am Mittwoch dann konnte erstmals ein Hubschrauber starten – prompt empfing die Recco-Boje ein elektronisches Signal, woraufhin ein zweiköpfiges Team in dem unwegsamen Gelände abgesetzt wurde. Doch die Bergwachtler buddelten nur einen abgestürzten Wetterballon aus dem Schnee, den wohl Meteorologen hatten aufsteigen lassen, um mithilfe von Messgeräten Daten zu gewinnen.

„Normalerweise liegt in diesem Gelände nichts herum, was eine Fehlauslesung auslösen könnte“, sagte Fendt frustriert. Später führte das Signal die Retter zum Rucksack des Vermissten. Allerdings befand sich der 24-Jährige nicht in unmittelbarer Nähe.

Ein Eurofighter der Bundeswehr kreist über dem Gebirge.
Ein Eurofighter der Bundeswehr kreist über dem Gebirge. © dpa

Wieder ist also ein Urlauber in den bayerischen Bergen verunglückt. 2021 waren in der Region zwischen Berchtesgaden und der Zugspitze 55 Menschen gestorben, der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 2009. Der traurige Trend setzt sich fort: Allein im ersten Halbjahr 2022 kamen dort 30 Menschen um.

Durch die Pandemie hätten immer mehr Menschen das Wandern als Hobby entdeckt, sagt Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. „Das war ja das, was noch ging trotz Corona. Je mehr Menschen in der Natur unterwegs sind, desto mehr passiert auch.“

Die Zuversicht, Julian P. lebend zu finden, sinkt von Stunde zu Stunde: Auf 2400 bis 2500 Metern Höhe, wo der 24-Jährige vermutet wird, herrschen vormittags Temperaturen um die minus 15 Grad.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.