Berlin. Sie will an den Strand, er nicht. Der Urlaub für Paare birgt viel Stress. Doch statt Kompromisse empfiehlt eine Paartherapeutin etwas anderes.

Seit Wochen gibt es nur ein Ziel: der Urlaub. Noch mal schnell shoppen, um das richtige Outfit zusammenzustellen. Die Lektüre, alles ist bereit für die Zeit zu zweit. Und dann? Statt Sex und Romantik lauern Zoff und Frust im All Inclusive Paket.

Richtig böser Streit im Urlaub unter Pärchen, weil er wieder anderen Frauen nachschaut und sie schon am zweiten Tag das ganze Geld verprasst hat? Weil er sich abends wieder zugeschüttet hat und weil sie nur mit ihren Freundinnen chattet? Klingt nach den absoluten Klischees eines Urlaubs – doch genau dieses Klischees seien an der Tagesordnung, heißt es von Paartherapeuten wie Hotelmitarbeitern.

Und die Reaktionen darauf hören sich auch alle an wie aus einem schlechten Film: Stühle am Hoteltisch umwerfen, nachts das gemeinsame Hotelzimmer verlassen, seine besten Hemden in den Pool werfen, ihre neuen Ohrringe im Klo herunterspülen

Heulkrämpfe in der Lobby, wütendes Geschrei aus den Zimmern - alles wie in einer doch eher vorhersehbaren Komödie. Aber es ist die Realität: 20 Prozent der Paare streiten derart, dass sie die ganze Beziehung überdenken. Und zuhause dann nicht selten zum Anwalt gehen.

Urlaub und Streit: Das empfehlen Paartherapeuten

Nur jedes zehnte Paar kommt richtig happy wieder heim, so eine Umfrage der Gesellschaft für Rationelle Psychologie, die ebenfalls besagt, dass sich die Streit-Dauer im Urlaub um satte 50 Prozent erhöht.

Streit kann es im Urlaub über alles und nichts geben. Aber auf der Rangliste ganz oben steht der Streit über den Tag- und Nachtrhythmus: Wann geht man ins Bett? Wann steht man auf? Der Satz "Schatz, wann sollen wir aufstehen? Wir müssen doch nicht jeden Tag bis in die Puppen pennen", hat laut Paartherapeuten das Zeug für Zoff zu sorgen. Genau wie dieser: "Schatz, können wir heute endlich mal was erleben und nicht immer nur am Strand herumliegen."

Man sollte seine Wünsche nicht passiv-aggressiv formulieren und damit gleich die persönliche Botschaft senden, dass einem der andere auf den Keks geht. Sondern: eigene Wünsche ohne Hinweis auf ein Defizit des anderen formulieren. Zum Beispiel so: "Ich hätte mal Lust, morgens früh im diesem herrlichen Sommer eine Wanderung zu machen." In der Realität kennen Pärchen sicher auch diesen Satz und schon die Antwort des Partner: "Ich aber nicht." Weiter probieren, sagen Therapeuten. Eine andere Chance hätte man eh nicht.

Bloß keinen „Schuldigen“ suchen – damit machen sich Paare noch mehr Stress

Paartherapeutin Andrea Bräu aus München hat beobachtet, dass Paare, wenn sie im Stress sind, "instabil" werden. Und Urlaub bedeute eben auch Stress: Ob man am Flughafen in einer Schlange oder mit dem Auto im Stau steht und Stunden warten muss, sich verfährt oder das Hotel nicht so ist, wie man es sich erhofft hat – nicht erfüllte Erwartungshaltungen könnten "zu einem hohen Stresspegel führen", so Bräu. "Vielfach ist es dann so, dass der eine Partner einen Frust auf den anderen schiebt", was für die Paartherapeutin ein absolutes NoGo ist.

Aber das hilft ja keinem weiter, zu wissen, dass man sich nicht gegenseitig beschimpft. Wer kriegt das schon hin? Am besten meistern diese Urlaubsfallen Paare, "die gut in Kontakt" sind, so Bräu.

Die sich also auch sonst im Alltag angewöhnt haben, sich so auszutauschen, dass es zu einem Ergebnis führt. Und eben nicht einen "Schuldigen" suchen, wenn der Zug Verspätung hat oder die Koffer nicht auf dem Band liegen.

Paartherapeutin Andrea Bräu rät: Bloß nicht in die Streitspirale gehen

Wenn es in solchen Fällen zu Streit kommt, was manchmal einfach unvermeidlich ist, dann sei es wichtig, "dass die Paare nicht in die Streitspirale geraten" und immer weiter auf dem anderen herumhacken. Manche sagen ja, eine Partnerschaft muss das aushalten können.

Partner sind dafür da, dass man "sich auch mal aus-agieren kann. Aber das ist absolut falsch. Das geht gar nicht", sagt Andrea Bräu. "Paare müssen einfach lernen, dass sie ihre schlechte Laune nicht auf Kosten des anderen ausleben dürfen."

Schon beim Finden des Urlaubsziels gibt es die ersten Probleme

Laut Umfragen gibt es die ersten Probleme schon bei der Festlegung des Urlaubsziels: Berge oder Meer? Trekking oder Chillen? Bräu: "Man weiß doch eigentlich, mit wem man zusammen ist und dass der Partner vielleicht lieber Wandern will als Surfen." Soll heißen: Statt ihn krampfhaft umzustimmen, lieber Ferien machen, wo sie und er genau das bekommen, was sie und er wollen.

Und eben keinen Kompromiss machen. "Kompromiss klingt zu sehr nach Zugeständnis." Besser "Kooperation statt Kompromiss". Eine Woche, so wie sie es sich wünscht. Und eine Woche, wie er es sich vorstellt. Schließlich habe man sich doch in den Menschen verliebt, da könne man doch auch mal etwas machen, was er schön findet. Lesen Sie auch: Corona, Flug storniert: Wer zahlt, wenn der Urlaub ausfällt?

Schon der Start in den Urlaub ist für manche Paare schwierig: Wo soll es hingehen? An den Strand oder in die Berge?
Schon der Start in den Urlaub ist für manche Paare schwierig: Wo soll es hingehen? An den Strand oder in die Berge? © Shutterstock/SB Arts Media | SB Arts Media

Der größte Crash: Wenn Paare erkennen, dass sie sich miteinander langweilen

Der Wunsch, endlich eine schöne Zeit zu verbringen, sei bei wohl allen Paaren, die verreisen, vorhanden. Und doch stellt sich dann vor Ort alles als Illusion heraus. Es muss nicht mal unbedingt zum Streit kommen. Genauso schlimm ist es, wenn die beiden merken, dass sie sich miteinander langweilen.

"Paare, die zuhause nur nebeneinanderherleben, sitzen dann oft im Urlaub abends beim Glas Wein, sind sich gegenseitig ausgesetzt und merken, dass sie sich gar nichts zu sagen haben. Das ist bitter." Aber auch eine Chance, zu erkennen, dass man an der Partnerschaft arbeiten muss. Was allerdings gerade im Urlaub eine bittere, aber gar nicht so seltene Erkenntnis ist.

Ein "gutes Paar" macht auch mal etwas allein – bleibt aber "in Verbindung"

Was ein "gutes Paar" ausmacht? Andrea Bär spricht dabei von "einem Paar in Balance": Man muss keineswegs alles zusammen machen. Jeder hat Dinge, die er lieber gern alleine macht. Aber es muss eben eine Bindung da sein. Das ist ganz wichtig.

Paartherapeuten sind sich einig: Urlaub ist eine Herausforderung. Und gelingt nur, wenn man bestimmte Regeln akzeptiert: Man sollte versuchen, gelassen zu bleiben. Das sei im Grunde das A & O. Und damit das gelingt, sei eins besonders wichtig: Man sollte Grundsatzdiskussionen vermeiden.

Bloß nicht über Geld sprechen und auch sonst: Problemfelder meiden

Nicht nach dem Motto: Endlich haben wir Zeit, da wollen wir doch mal über unsere Geldprobleme reden. Sicher gibt es Paare, die dazu stark genug sind, so Therapeute. Viele Paare nutzten die Zeit, in den Ferien über Famlienplanung zu sprechen. Aber Vorsicht: Wenn ein konstruktiver Ausgang nicht sicher ist: Finger weg von Themen, bei denen vorher klar ist, dass sie nicht zu bewältigen sind. Und Gespräche über Geld würden selten wirklich gut laufen. Auch das Thema Kinderwunsch könnte schwierig werden.

Immer wieder sind es die Erwartungshaltungen, die uns in die Falle tappen lassen. Statt sich schon vorher auszumalen, wie es sein wird, sollte man lieber versuchen, spontan zu sein – auch was das Sexleben angeht. Lesen Sie auch:Warum Männer und Frauen Affären haben – Umfrage überrascht

Auch das Liebesleben locker angehen lassen

Eine übersteigerte Erwartung ans Liebesleben muss sich ebenfalls der Realität beugen: Tropische Nächte mit Temperaturen, bei denen man keine Luft bekommt, fördern nicht unbedingt die Erotik. Eine Studie von ElitePartner zeigt: Jeder Zehnte berichtet davon, schon einmal eine Sexflaute im Urlaub erlebt zu haben (11 Prozent). Lesen Sie auch: Corona: Mit Affären und Sextoys gegen Pandemie-Frust

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