Berlin. Mehr als acht Jahre sollte der Berliner Gangster Muhamed Remo absitzen. Nach einem Justizversagen hat er sich in die Türkei abgesetzt.

Obwohl er noch eine mehrjährige Gefängnisstrafe absitzen müsste, konnte sich ein verurteilter Straftäter aus dem Remmo-Clan in die Türkei absetzen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Wochenende, dass der 31 Jahre alte Muhamed Remo aus der Haft entlassen worden sei; ungeachtet der anderen Schreibweise des Nachnamens handelt es sich um den Neffen von Clanchef Issa Remmo. Wie „Spiegel TV" berichtete, ist Muhamed Remo nach Istanbul geflogen.

Er wurde wegen Platzmangels im Maßregelvollzug aus der Haft entlassen. Dabei half ihm auch noch – seine Drogensucht.

Mit vier Komplizen hatte der Gangster im Februar 2021 einen Geldtransporter vor einer Berliner Volksbank in Charlottenburg ausgeraubt. Bewaffnet mit Schreckschusspistolen und getarnt als Straßenreiniger hatte die Bande knapp 650.000 Euro bei dem Überfall erbeutet. Sieben Jahre Haft lautete im September desselben Jahres das Urteil für besonders schweren Raub und gefährliche Körperverletzung, die er einem der Geldtransporteure mittels Pfefferspray beigebracht hatte.

Im Laufe des Überfalls entwendete die Bande einem Transporteur eine scharfe Pistole. Um Spuren zu beseitigen setzten sie den Panzerwagen im Anschluss in Brand. Aufgrund weiterer Vergehen summierte sich Remos Strafe letztlich auf acht Jahre und drei Monate. Remo war erst zweieinhalb Wochen vor der Tat aus einer früheren Haft entlassen worden.

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Justizskandal: Gangster Remo gelingt Flucht nach Haftentlassung in Berlin

Als Fluch erwies sich zunächst Remos Kokainsucht. Wegen seiner tropfenden Nase konnten Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) ihn mithilfe eines DNA-Tests als einzigen Beteiligten der Tat überführen. Seine Abhängigkeit von der illegalen Substanz war so stark ausgeprägt, dass ihm ein Gutachter eine schwere, krankhafte seelische Störung diagnostizierte.

Die Folge: Neben der Haft im geregelten Justizvollzug wurde eine Unterbringung im Maßregelvollzug angeordnet. Den Vorwegvollzug, also die erste Phase der Haft, hatte Remo Ende letzten Jahres abgesessen.

Bis zu zwei Jahre waren für den Vollzug in der psychiatrischen Einrichtung vorgesehen. Im Anschluss befindet üblicherweise ein Gericht, ob die Reststrafe nach vollzogener Therapie zur Bewährung ausgesetzt wird.

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Dass sich Remo jetzt nach Istanbul abgesetzt hat und nicht in Haft für seine Drogenabhängigkeit behandelt wird, liegt zum Teil am Platzmangel im Berliner Krankenhaus für Maßregelvollzug. Wie der "Tagesspiegel" berichtet, drängte die Berliner Justiz bereits seit Mitte Dezember im Fall des 31-Jährigen auf eine schnellere Lösung.

Demnach baten die Präsidenten des Landes- und Kammergerichts die Justizverwaltung unter Leitung von Senatorin Lena Kreck (Grüne) um Amtshilfe von Seiten der Gesundheitsverwaltung. Dennoch überschritt die Unterbringung in der sogenannten Organisationshaft die maximal zulässige Dauer von sechs Wochen. Folglich ordnete die Strafvollstreckungskammer am 3. Februar die Freilassung an. Nicht informiert wurde dabei die Berliner Polizei. Acht Tage nach der Weisung, am Sonnabend, wurde Remo in Istanbul gesichtet. Auf lange Sicht erwies sich seine Drogensucht als Segen.

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Polizei nicht informiert – Clan-Mitglied profitiert von Drogensucht und Platzmangel

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft wies auf die Bemühungen hin, den Fall seitens der Justizverwaltung mit größerer Dringlichkeit zu behandeln. Dennoch sei bis Mitte Januar keine Kapazität im Maßregelvollzug in Sicht gewesen.

Der Bitte, den mehrfach veruteilten Gangster auf der Warteliste zu priorisieren, sei nicht entsprochen worden. Schon länger pocht die Strafverfolgungsbehörde auf einen Ausbau der Kapazitäten. Erst im September war ein verurteilter Straftäter aus Platz- und Personalmangel entlassen worden, woraufhin die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit davor warnte, dass der Status quo "eine Entlassung von für die Allgemeinheit gefährlichen Untergebrachten zur Folge haben" könnte.

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Tatsächlich beschränkt sich das Defizit im deutschen Strafvollzug nicht auf Berlin. Laut einer Recherche der DPA wurden in den letzten fünf Jahren mehr als 300 Verdächtige vorzeitig entlassen, weil sich Verfahren zu sehr in die Länge zogen.

Einige der Entlassenen mussten sich für Delikte wie gefährliche Körperverletzung, Bandenhehlerei oder Drogenhandel verantworten. Dass die Entlassungen gefährlicher Straftäter in Berlin durch Personalmangel bedingt seien, dementierte die Senatsjustizverwaltung laut "Spiegel Online". Vielmehr handele es sich dabei um "Einzelfälle organisatorischen Verschuldens". Clan-Mitglied Remo in ein anderes Bundesland zu überführen sei der Staatsanwaltschaft zufolge nicht näher erwogen worden, weil die Lage dort "vergleichbar schwierig" ist.

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