Trient. Nach dem Tod eines Joggers durch eine Bärin im Trentino forderten viele den Tod des Tieres. Nun soll die Bärin doch nicht sterben.

  • Eine Bärin hat in Norditalien einen Jogger tödlich verletzt
  • Zuerst sollte sie getötet werden, doch ein Verwaltungsgericht stoppte dies
  • Die Bärin hat einen berühmten Verwandten

Für die Bärin, die vor einer Woche einen 26-jährigen Jogger in den Wäldern der norditalienischen Alpenregion Trentino angegriffen und tödlich verletzt hat, könnte der Vorfall noch einmal glimpflich ausgehen. Ein italienisches Verwaltungsgericht stoppte die geplante Tötung der Bärin und folgte damit der Argumentation der italienischen Tierschutzvereine LAV und LAC. Die hatten vor dem Gericht Berufung gegen die Tötung eingelegt.

Vergangene Woche hatte der Regionalpräsident von Trentino-Südtirol Maurizio Fugatti den Abschlussbefehl für die "Problembärin" erteilt. Am 11. Mai soll eine Anhörung vor dem Gericht in Trient über den Abschuss der Bärin entscheiden. „Die Bären und Bürger des Trentino haben das Recht, in Frieden zusammenzuleben!“, kommentierte der Tierschutzverein LAV auf Twitter die Entscheidung.

Zuvor war von den Behörden eine Massenumsiedlung von Bären aus dem Trentino geplant worden. Die Staatsanwaltschaft der Stadt Trient hatte über DNA-Spuren an der Leiche des Läufers Andrea Papi die mit dem Code JJ4 bekannte Problembärin als Verantwortliche für den Tod des Joggers identifizieren. Der Vorfall hat die Behörden in Alarmstimmung versetzt.

Plan der Behörden in Trentino: Tötung aller Problembären

Bei dem Vorhaben, das viele Italien-Urlauber schockierte, sollte die Zahl der Bären von 100 auf 50 halbiert werden. Und Problembären sollten getötet werden. Da gebe es kein Pardon. Der Trentiner Regionalpräsident Maurizio Fugatti jedenfalls war wild entschlossen: Er wolle sofort drei Problembären erlegen, neben JJ4 auch die mit den Codes MJ5 und M62 bekannten Bären, die sich bereits in der Vergangenheit für Angriffe auf Menschen verantwortlich gemacht haben.

Nach dem, was passiert sei, stehe ja wohl fest, so der Politiker, dass die Anwesenheit der Tiere eine Gefahr für den Menschen darstelle. Der italienische Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin will die Sache nun prüfen und erklärte sich zwar bereit, das Projekt „Life Ursus“ zu überdenken. Mit „Life Ursus“ wurde in den vergangenen Jahren die Wiederansiedlung von Bären in der Region stark gefördert. Gleichzeitig betonte der Umweltminister aber auch, sich an die Anweisungen der Umweltbehörde ISPRA halten zu wollen.

Naturschützer empört über das Projekt

Das Wiederansiedlungsprojekt „Life Ursus“ hatte im Jahr 1999 mit Unterstützung der Europäischen Union begonnen. Zehn Bären aus Slowenien wurden in der Region ausgesetzt, in der damals das Aussterben der Bärenpopulation befürchtet wurde. Ursprünglich hatte man eine Population von 50 Tieren geplant, doppelt so viele sind es derzeit.

Der Bär als Gefahr für den Menschen.
Der Bär als Gefahr für den Menschen. © picture alliance / Pacific Press | Gennaro Leonardi

Und immer wieder kam es zu Zwischenfällen: Die Braunbären im Trentino haben in den vergangenen Monaten mehrere Tiere gerissen und auch einen Mann angegriffen und verletzt. Die autonome Provinz Trient forderte daraufhin mehr Freiheit bei Fang und Tötung gefährlicher Tiere.

WWF fordert Einsatz von Bärensprays

Der Umweltschutzverband WWF kritisiert die Pläne. „Es ist wichtig, auch nach diesem tragischen Ereignis daran zu erinnern, dass Bären den Menschen normalerweise fürchten, Abstand halten und versuchen, enge Begegnungen zu vermeiden: Ihre Reaktionen werden durch Angst oder Situationen ausgelöst, die sie als bedrohlich für sich selbst und ihre Nachkommen ansehen“, so die Argumente.

Der WWF forderte indes auch den Einsatz von Bärensprays. Förster sowie Einwohner und Touristen sollten ein Tierabwehrspray oder akustische Geräte wie Rasseln bei Wanderungen bei sich tragen, um sich vor Bären zu schützen. In Amerika oder Kanada ist das beispielsweise bereits der Fall.

Drama pur: Vater, wie sich der Bär auf seinen Sohn warf

Am Mittwoch fand in der Gemeinde Caldes eine Trauerzeremonie für den getöteten Jogger statt. Die 13 Gemeinden im Tal „Val di Sole“, zu dem Caldes gehört, haben diesen Trauertag ausgerufen. Die Hinterbliebenen prüfen rechtliche Schritte, möglich ist auch eine Schadenersatzklage gegen die Provinz, die für das Projekt „Life Ursus“ zuständig ist.

Bärin JJ4 übrigens ist keine Unbekannte: Bereits 2020 hatte das 17-jährige Weibchen zwei Männer – Vater und Sohn – in der Gegend angegriffen und verletzt. Die beiden waren damals kurz nach 18 Uhr auf dem Rundweg um den Berg Peller unterwegs, als sich ihnen plötzlich ein Bär in den Weg stellte.

Bärin ist die Schwester von erschossenem „Problembär“ Bruno

„Wie ein Blitz“ sei das Tier aus dem Wald gekommen, zitieren lokale Medien den Vater Fabio Misseroni. „Er warf sich auf meinen Sohn, traf ihn an den Beinen. Da bin ich gegen ihn angetreten, um (meinen Sohn) Christian zu verteidigen. Er biss mich in ein Bein, dann in einen Arm, dann in die Hand. Darauf ging er weg, es war wie ein Wunder. Er hätte uns beide töten können.“

Die Bärin JJ4 ist die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen „Problembären“ Bruno. Bruno, auch bekannt unter dem Code JJ1, war in Bayern als sogenannter Problembär bekannt: Er riss Schafe, plünderte Bienenstöcke und Kaninchenställe. Seine Bezeichnung als „Problembär“ durch den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wurde vor 17 Jahren zum geflügelten Wort. Die Eltern von JJ4 und JJ1 sind zwei slowenische Bären, Jose und Jurka, die zwischen 2000 und 2001 als Teil des Projektes „Life Ursus“ nach Italien gebracht wurden. Bruno wanderte damals nach Bayern aus.