Paris . Aus Feinden sollen Freunde werden: Das Pariser Rathaus will künftig auf eine friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Ratten setzen.

Es ist eine als Umdenken verkaufte Kapitulation mitten in einer langen und erbittert geführten Schlacht. Völlig überraschend kündigte die rot-grüne Pariser Rathausmehrheit in der vergangenen Woche an, nach Wegen zu suchen, um das Zusammenleben zwischen Menschen und Ratten in Paris zu verbessern.

Wie bitte? Gelten die braunen Pelztiere auf einmal nicht mehr als eine die Hygiene und den Ruf gefährdende Plage, deren Eindämmung die französische Hauptstadt sich bislang jedes Jahr rund 2,5 Millionen Euro kosten lässt?

Pariser Bürger zweifeln an Zurechnungsfähigkeit von Bürgermeisterin

Die Anzahl Pariser Bürger, die auf einmal erhebliche Zweifel an der geistigen Zurechnungsfähigkeit ihrer Bürgermeisterin Anne Hidalgo hegen, ist keineswegs gering. „Willkommen in Absurdistan!“ twitterte mit Geoffroy Boulard entgeistert einer ihrer Wortführer.

Bouvard ist Mitglied der konservativen Republikaner-Partei, Bürgermeister des 17. Arrondissements und einer derjenigen, der Hidalgo seit langem am heftigsten wegen ihrem „mangelhaften Kampf gegen die überhandnehmenden Ratten“ kritisiert.

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Richtig ist jedenfalls, dass die Bürgermeisterin bei der einmal von ihr selbst ausgerufenen „Entrattifizierung“ von Paris keinen Erfolg verbuchen kann. Ganz im Gegenteil. Seit ihrem Amtsantritt 2014 hat sich die die Seinemetropole bevölkernde Spezies „Rattus norvegicus“ – so die lateinische Bezeichnung für die braune Wanderratte – Schätzungen zufolge munter von vier auf sechs Millionen Exemplare vermehrt.

Mit anderen Worten: Auf einen Einwohner kommen mittlerweile drei Nager. Übersehen lässt sich das schon deswegen nicht, weil die eigentlich nur nachts aktiven Pelztiere immer häufiger auch tagsüber in den Straßen, Parks sowie an den Seine-Ufern anzutreffen sind.

Paris: Man solle sich mit Ratten arrangieren

Spöttische Stimmen preisen daher nun die „an Weisheit grenzende Einsicht“ der Bürgermeisterin. Wenn man einen übermächtigen Feind nicht zu schlagen vermag, so ihr Tenor, sollte man tunlichst versuchen, sich mit ihm zu arrangieren. Gut und lustig – aber was wird aus den Vorwürfen, dass Ratten Seuchen verbreiten, Touristen abschrecken und zubeißen, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen?

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Alles halb so wild, wenn man Hidalgos für das Gesundheitswesen zuständigen Stellvertreterin Anne Souryis glaubt. Ihr zufolge sollen die Nager „kein erhebliches“ hygienisches Risiko darstellen; eine Einschätzung, die der Hohe Rat für Volksgesundheit angeblich bestätigt hat. Wie Souryis erklärt, seien es fast ausschließlich Angestellte der Müllabfuhr, die von Ratten gebissen werden und die gegen die dadurch gegebene Gefahr geimpft werden können, sich eine Leptospirose-Infektion zuziehen.

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Vor allem aber kündigte die Kommunalpolitikerin die Gründung eines Ausschusses an, der untersuchen soll, wie Mensch und Ratte zu Freunden werden können. Die Reaktion der oben erwähnten Spötter: „Wer behauptet eigentlich, dass das Ei des Kolumbus unauffindbar ist?“

Paris: Rattenbekämpfung läuft dennoch weiter

Immerhin scheint die Zuversicht in die neue Strategie gewisse Grenzen zu haben. Auch weiterhin will die Stadt in die Abdichtung ihrer Kanalisation, das Aufstellen rattensicherer Abfallbehälter und das Auslegen von Giftködern investieren, um die Nager zurück- oder doch wenigstens von den Straßen zu verdrängen.

Aber vielleicht dämpft es Aufregung oder Unmut ja tatsächlich, wenn man die braunen Nager, die einem über den Weg laufen, nicht als Schädlinge, sondern als Freunde oder Verwandte der durch einen populären Disney-Zeichentrickfilm berühmt gewordenen Feinschmeckerratte Ratatouille anzusehen versucht…

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