Berlin. Wüstenstaub aus der Sahara sorgt in Europa für Aufsehen. Der Klimatologe Andreas Walter verrät, ob das Phänomen in Zukunft zunimmt.

Rund 500 Millionen Tonnen Staub entstehen jedes Jahr in der Sahara. Ein Teil davon landet auch bei uns in Deutschland und sorgt für teils spektakuläre Phänomene: Blutrote Regentropfen fallen vom Himmel, die Luft erscheint trüb und gelblich-rot. Der Klimatologe und Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes, Andreas Walter, verrät im Interview, wie der Saharastaub nach Deutschland kommt, was das Phänomen mit dem Klimawandel zu tun hat und wie es sich auf die Gesundheit auswirkt.

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Aus was genau besteht der Saharastaub?

Andreas Walter: Chemisch überwiegend aus Quarz, Aluminosilikaten und Eisenoxid und einem kleinen Anteil Kalzit und Gips. Wenn der Staub eher rötlich ist, ist die Konzentration von Eisenoxiden ein bisschen höher.

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Wie kommt der Staub von Afrika nach Deutschland?

Walter: Zunächst braucht es vor Ort Winde, die diese Staubpartikel in die Atmosphäre bringen. Normalerweise wird der Saharastaub dann mit den Passatwinden über den Atlantik transportiert und dient unter anderem dem Amazonas-Regenwald als Dünger. Vor zwei Wochen zum Beispiel, als es sehr warm war, wurde der Saharastaub aus dem nördlichen Afrika jedoch von einem Tiefdruckgebiet vor den britischen Inseln angesogen und so unter anderem zu uns nach Deutschland transportiert.

Andreas Walter ist Klimatologe und Pressesprecher beim Deutschen Wetterdienst.
Andreas Walter ist Klimatologe und Pressesprecher beim Deutschen Wetterdienst. © privat | Privat

Wie lange gibt es das Phänomen schon?

Walter: Das Phänomen des Saharastaubs gibt es schon relativ lange. So existieren zum Beispiel alte Aufzeichnungen, in denen von Blutregen oder Blutschnee gesprochen wird. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um solche Saharastaub-Ereignisse handelte.

Klimatologe über Saharastaub: „Nur die wenigsten Ereignisse können wir auch sehen“

Können wir den Saharastaub immer mit bloßem Auge sehen?

Walter: Nein, er bleibt bei uns auch oft unbemerkt. Nur starke Ereignisse wie vor zwei Wochen kann man auch wirklich mit bloßem Auge sehen. Das liegt an der höheren Konzentration des Staubs in der Atmosphäre.

Wie oft passiert es, dass Saharastaub zu uns nach Deutschland kommt?

Walter: Dem Deutschen Wetterdienst liegen für Saharastaub-Ereignisse Messungen aus fünf Jahren vor. Die zeigen zum einen, dass solche Ereignisse im Süden Deutschlands, also südlich der Mainlinie, wesentlich häufiger sind als im Norden. Im Süden Deutschlands haben wir ungefähr 60 Tage pro Jahr, aber von diesen 60 sind nur die wenigsten Ereignisse mit bloßem Auge zu erkennen. Nach Norden hin nimmt die Häufigkeit ab und liegt nur noch ungefähr bei der Hälfte.

Eine riesige Saharastaub-Wolke lässt den Himmel milchig erscheinen.
Eine riesige Saharastaub-Wolke lässt den Himmel milchig erscheinen. © IMAGO/Bernd März | IMAGO/Bernd März

Welches Wetter begünstigt den Transport von Saharastaub?

Walter: Hauptauslöser sind bodennahe Winde. Die müssen die entsprechende Windgeschwindigkeit haben, um die Körner in die Atmosphäre bringen zu können. Dafür muss aber auch der Boden in der Sahara trocken sein. Wenn er feucht ist, haben die Körner ein höheres Gewicht. Das heißt, neben der Windgeschwindigkeit ist eben die Bodenfeuchte ganz entscheidend.

Experte über Saharastaub: „Liegen momentan im Normalbereich“

Zu welcher Jahreszeit ist das besonders der Fall?

Walter: In Mitteleuropa treten Saharastaub-Ereignisse häufiger im Frühjahr und im Sommer auf, gelegentlich auch in den Herbstmonaten. Das liegt an den dominierenden Windsystemen und Strömungsmustern über der Sahara, die eine gewisse Saisonalität zeigen.

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Gibt es derzeit überdurchschnittlich viele Saharastaub-Ereignisse in Deutschland?

Walter: Wenn wir davon ausgehen, dass wir im Jahr 60 Ereignisse haben, liegen wir momentan noch im Normalbereich, zumal man auch nicht sagen kann, dass es jedes Jahr genau 60 sind. Wir bewegen uns zurzeit auf einem mittleren Niveau.

Besonders häufig treten die Saharastaub-Ereignisse in Deutschland im Frühjahr und im Sommer auf.
Besonders häufig treten die Saharastaub-Ereignisse in Deutschland im Frühjahr und im Sommer auf. © BREUEL-BILD/CNTV | BREUEL-BILD/CNTV

Wird der Saharastaub in Deutschland künftig zunehmen?

Walter: Für die kommenden Jahre kann man das nicht genau vorhersagen, weil viele Faktoren eine Rolle spielen. Beispielsweise könnte sich die Wüste noch weiter ausdehnen. Wir sind jedoch in der Lage, mit unseren Wettermodellen Saharastaub drei bis vier Tage vorher anzukündigen. Das ist zum Beispiel entscheidend für die Betreiber von Photovoltaikanlagen: Zum einen wird das Sonnenlicht durch den Staub in der Atmosphäre abgeschattet. Zum anderen können Staubablagerungen auf den PV-Modulen die Leistung beeinträchtigen.

Experte verrät: So wirkt sich der Wüstenstaub auf die Gesundheit aus

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Saharastaub und dem Klimawandel?

Walter: Falls sich im Zuge des Klimawandels die Desertifikation, also die Ausdehnung der Wüsten, weiter fortsetzt, könnte es häufiger zu solchen Ereignissen kommen. Allein aufgrund der Tatsache, dass es eben eine größere Fläche gibt. Aber das ist noch Spekulation.

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Hat der Saharastaub negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit?

Walter: Zum einen ist der Staub erst mal nicht toxisch, das muss man gleich von vornherein sagen. Er enthält aber durchaus größere Mengen von Partikeln, die teilweise lungengängig sind, man atmet sie also mit ein. Wenn man sich diesen Partikeln über einen längeren Zeitraum – also Stunden oder noch länger – aussetzt, kann das durchaus zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Insbesondere bei Asthmatikern oder Menschen, die Sport im Freien machen. Man sollte also schon aufpassen.

In Südeuropa, wo diese Saharastaub-Ereignisse deutlich häufiger auftreten, gibt es tatsächlich auch Hinweise auf eine höhere Sterblichkeit nach solchen Episoden. In der Sahelzone selbst gibt es Berichte darüber, dass es nach Staubstürmen auch zu Meningokokken-Ausbrüchen kommt. Die Krankheitserreger setzen sich auf die Körner und werden so mittransportiert. Aber für uns hier in Europa ist das nicht relevant.