Baden-Baden. TV-Moderator Thomas Gottschalk über Fehler der öffentlich-rechtlichen Sender und seinen unerwarteten Erfolg auf der App „Clubhouse“.

In Krisenzeiten lernt man zu schätzen, was man hat. Vielleicht ist das einer der Gründe für die Popularität von Thomas Gottschalk. Der gefühlt ewige Meister der Samstagabendunterhaltung ist lange nach dem Ende von „Wetten, dass ..?“ präsent wie eh und je.

Mit inzwischen 70 Jahren erstaunlich alterslos scheint der große Blonde weiter eine Konstante im Leben mehrerer Generationen zu sein – wie es aktuell sein Erfolg bei den Fans der trendigen neuen iPhone-App „Clubhouse“ beweist. Mit der Eigenbeschreibung „Du bist mit mir aufgewachsen“ ist der Entertainer beim überwiegend jungen „Clubhouse“-Publikum Influencer Nummer eins. Lesen Sie auch: Audio-Chat „Clubhouse“ – Ein Raum der Freiheit in China

Im Interview mit dieser Redaktion spricht Gottschalk über neue Erfahrungen und Versäumnisse der Öffentlich-Rechtlichen. Mehr zum Thema:Thomas Gottschalk wird 70: So genießt er sein neues Leben

Bei „Clubhouse“ folgen Ihnen bereits 65.200 Menschen, mehr als jedem anderen Mitglied. Wie erklären Sie sich das große Interesse in diesem digitalen Medium an jemandem, der sich selbst wie Sie als „alten, weißen Mann“ bezeichnet?

Thomas Gottschalk: Man nimmt mir offensichtlich ab, dass ich mit Zorn und Eifer bei der Sache bin, wenn es um Themen geht, von denen ich was verstehe. Ich reiße zwar überall die Klappe auf, manchmal auch zu weit – aber nach 30 Jahren beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiß ich, wovon ich rede.

In einem „Clubhouse“-Talk, an dem auch RBB-Intendantin Patricia Schlesinger und WDR-Programmdirektorin Valerie Weber teilnahmen, übten Sie deutliche Kritik, vor allem an der ARD.

Gottschalk: Um das aber gleich klarzustellen: Ich bin ein großer Fan dieses Systems. Gerade weil ich die Alternativen kenne. Ich bin auch ein Geschöpf dieses Systems, dem ich meine Karriere verdanke. Es wäre auch dämlich, an dem Ast, auf dem ich immer noch sitze, mutwillig zu sägen.

Aber gerade weil ich an das öffentlich-rechtliche System glaube, will ich nicht schweigend dabei zuschauen, wie es sich zu Tode verwaltet und die Zeichen der Zeit missdeutet. Lesen Sie hier: Bilder zeigen das Ausmaß - So zerstört ist Gottschalks Villa

Was müsste dort anders laufen?

Gottschalk: Ich habe auch keine Patentrezepte parat – aber wenn man jetzt versucht, Netflix Konkurrenz zu machen, und ins Streaminggeschäft einsteigen will, kann ich nur warnen. Das wird nix.

Sie sagten in der „Clubhouse“-Diskussion auch: „Im Radio sind wir viel näher bei den Hörern als im TV bei den Zuschauern.“

Gottschalk: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen kämpft einen aussichtslosen Kampf um eine Generation, die für das klassische TV-Modell längst ­verloren ist. Dieser Zielgruppe nun durch Digital-only-Produktionen hinterherzuhecheln, hat nichts mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu tun, sondern ist der Ausdruck der durchaus begründeten Angst, sang- und klanglos unterzugehen.

Diese Angst hätte die Verantwortlichen schon vor 20 Jahren umtreiben müssen, als noch was zu retten war. Da saßen die Intendanten noch vergnügt beim Rotwein in der Runde und haben die Käseplatte kreisen lassen.

Gottschalk mit Schauspielerin Salma Hayek bei „Wetten, dass..?“, 2008.
Gottschalk mit Schauspielerin Salma Hayek bei „Wetten, dass..?“, 2008. © picture-alliance / dpa | Daniel_Karmann

Und das ist beim Radio anders?

Gottschalk: Im Rundfunkbereich ist sowohl bei der Jugend als auch im Feuilletonbereich noch alles drin. Die zweiten Programme liefern hervorragende Features und Hintergrundberichte. Die ARD-Popsender haben die kommerzielle Konkurrenz weitgehend abgehängt. Da ist noch nichts verloren, da gäbe es für die Zukunft noch einiges zu holen.

Ist der Boom einer Audio-App wie „Clubhouse“ Ausdruck eines kurzlebigen Lockdown-Kollers oder Vorbote eines neuen Bedürfnisses nach Echtzeitkommunikation?

Gottschalk: Kurzfristig entstand ja der Eindruck, dass man mit „Clubhouse“ tatsächlich einen Kommunikationsweg gefunden hatte, auf dem man sich von oben nach unten und ohne Konsequenzen mit Menschen austauschen konnte, denen man auf der Straße nicht begegnet. Lesen Sie hier: Datenschützer warnen vor der neuen Clubhouse-App

Seit Bodo Ramelow sich dabei aber eine blutige Nase geholt hat, muss jeder wissen, dass man für jeden sprachlichen Lapsus am Nasenring durch die öffentliche Manege gezerrt wird. Die seriösen Medien bedienen sich mittlerweile genauso wie die Klatschpresse bei diesen Quellen. Auch interessant: WDR-Talkshow sorgt für Ärger - Gäste entschuldigen sich

Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen?

Gottschalk: Ich habe irgendwas Nettes über Elyas M’Barek gesagt, was mir dann in einer Promi-Website als „Eifersuchtsdrama um einen jüngeren Mann” um die Ohren flog. Der Wahnsinn bleibt Teil unseres Geschäfts. Bei dieser Clubhouse-Diskussion zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe ich auch keine „Wutrede” gehalten, wie ich danach lesen durfte, sondern, sehr beherrscht, eine begründete Meinung von mir gegeben.