Berlin. Unsere Autorin ist auf Schnäppchenjagd. Da weckt der 1. Advent Zweifel. Außerdem kann man sich emotional an einen Kühlschrank binden?

Ich verrate es Ihnen, womit ich meine wirklich wenige Freizeit verbringe. Die Fußball-WM schauen? Eigentlich kaum, meist muss ich dringend zur interessanten Spielzeit arbeiten. Adventsvorbereitungen treffen? Da hänge ich leider sehr hinterher, zumindest im Vergleich zu dem Viertel, in dem ich wohne. Die Balkone sind leuchtend geschmückt, Büsche und Bäume draußen schon mit Geschenken verziert, in Fenstern leuchtet die Sterne, die den Weg nach Bethlehem weisen sollen.

Aber am meisten graut mir vor diesem elend-aufwendigen selbst gemachten Adventskalender für die Kinder: Die winzigen Geschenke zu verpacken, Schokolade in die Beutel gerecht zu verteilen, damit die lieben Kinderchen immer gleich gute Überraschungen finden, um Streit zu vermeiden und natürlich darf das Endergebnis auch nicht zu ungesund sein. Das ist die Strafe für überambitionierte Eltern in der Nacht vor dem 1. Dezember! Aber die Kinder wünschen ihn sich ja so sehr…, da knicke ich ein.

Selbstgebastelte Adventskalender: Die Strafe für überambitionierte Eltern

Eine Bekannte muss sogar noch einen Kalender für ihre 18!-jährige Tochter basteln. Wenn man den Quatsch einmal angefangen hat, ist es wie einmal die Beinfreiheit in der First Class spüren, man will es immer wieder. Die Kinder blicken verstört auf die Teile aus dem Supermarkt für 2,99 Euro. Für Schokolade würden sie eigentlich alles geben, weinen hysterisch, wenn sie ein Stück teilen oder zu wenig bekommen, aber in der Adventszeit bemitleiden sie andere Kinder, die täglich „nur“ eine industriell vorgefertigte Überraschung hinter dem Türchen finden. Ich habe Snobs der Adventszeit herangezogen.

Doch das ist es auch nicht, womit ich in den vergangenen Tagen mein Handy zum Glühen gebracht habe: Ich suche einen neuen Kühlschrank. Und gerade gibt es die Black-Friday-Angebote, die ganze Woche noch und am Montag geht es mit der Verbilligung der Elektro-Geräte am Cyber-Monday weiter. Ich habe Druck, ich denke, ich muss zuschlagen. Bevor das „echte“ Weihnachtsgeschäft beginnt und alles wieder teurer wird. In meinem E-Mail-Fach leuchten mich die Angebote der großen Elektro-Discounter an. Besuche ich über die Google-Suche irgendeine Seite blinken am personalisierten Werberand Gefrier-Kühl-Kombinationen. Die feinen High-Heels, die mir sonst angeboten werden, wurden vom Algorithmus, den die Suchmaschine für mich entwickelt hat, verdrängt. Kühlschränke, überall.

In einer amerkanischen Einkaufs-Mall am Wochenende: Es ist Black-Friday-Week in East Rutherford, New Jersey.
In einer amerkanischen Einkaufs-Mall am Wochenende: Es ist Black-Friday-Week in East Rutherford, New Jersey. © Getty Images via AFP | Kena Betancur

Black-Friday: Worauf soll ich bei der Kühlschranksuche achten?

Seit Wochen frage ich mich, worauf man wirklich achten sollte. Ich recherchiere auf Ratgeber-Seiten, Test- und Vergleichsportalen. Energieverbrauch? Scheint mir gerade doch sehr relevant zu sein. Preis? Unbedingt! Ein Kühlschrank mit „No-Frost“-Funktion (dabei entwickelt sich im Kühlfach kein Kondenswasser, also auch kein Eis: Heißt nie wieder abtauen!) erscheint mir ganz smart. Lebensdauer? Bei einigen Modellen gibt es dazu Angaben auf dem Produktblatt, verrechnet man die mögliche Lebensdauer mit einem etwas höheren Preis, den ein geringer Energieverbrauch mit sich bringt, schwirrt mir schon der Kopf.

Und es gibt zwei Dinge, die ich wirklich möchte: erstens eine mintgrüne Außenfarbe, dabei ist wichtig auch die Seiten müssen farbig sein, nicht nur die Front – und dann ist man eigentlich sicher bei einem Retro-Modell angelangt. Aber ist das passend zur Küche? Zweitens schwärme ich für einen integrierten Eiswürfel-Spender. Also nur Glas darunter halten, Eiswürfel reinfallen lassen: Klock, klock, klock. So ein Luxus, aber auch daraus ergeben sich zwei neue Probleme: Nur die wirklich teuren und zweitürigen, französischen Modelle haben Eiswürfelspender.

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Der Black-Friday ist natürlich eine amerikanische Erfindung. Das Mutterland des Konsums versucht am letzten November-Wochenende, gelegen zwischen dem Feiertag Thanksgiving und dem 1. Advent, die Amerikaner in die Geschäfte zu locken. Denn der Freitag nach Thanksgiving ist meist ein Brückentag in den USA – und was soll man auch sonst mit seiner Freizeit anfangen, wenn nicht shoppen, haben sich die Marketingexperten gedacht. Und während der Inflation könnte sich so ein Angebot auszahlen, manchmal kostet ein Gerät mit Black-Friday-Rabatt bis zu 20 Prozent weniger!

Schnäppchenjagd in der Adventszeit: Soll der alte Kühlschrank wirklich weg?

Gerade war ich wegen des ersten Advents im Kindergottesdienst. Angesichts der Sternsinger, die sich und ihr Spendenprojekt vorgestellt haben: „Das Geld, das wir sammeln, ist für arme Familien“, ist meine Freizeitbeschäftigung: Kühlschranksuche in der Black-Friday-Week doch ziemlich profan genutzte Zeit. Ich fühle natürlich mein schlechtes Gewissen. Wann habe ich mich zuletzt ehrenamtlich für andere engagiert? Bin ich eigentlich schon mal Sternsingen gegangen? Bin ich, aber da war ich zehn.

Dazu belastet mich meine Erinnerung: Der alte Kühlschrank ist ein letztes Geschenk gewesen, von einer für mich wichtigen Person. Kann ein Elektro-Gegenstand einem wirklich etwas bedeuten? Schon 19 Jahre kühlt er meine Lebensmittel – und die von den Menschen, die zwischenzeitlich mit mir zusammenlebten. Es sind vielleicht die Bilder, bei denen er beiläufig auch in meinem Kopf herumsteht. Jetzt rostet er ein wenig, es läuft manchmal Waser aus, und richtig ansehnlich ist er nicht mehr. Ich warte noch ein bisschen. Die Adventszeit wird er noch schaffen – und ist das nicht auch nachhaltiger? Zumindest vielleicht emotional.

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