Berlin. Ein 33-jähriger Mitarbeiter der Firma Webasto hat sich als Erstes in Deutschland mit dem Coronavirus angesteckt. Wie geht es ihm heute?

Wie bedeutend diese Nachricht für das gesamte Jahr 2020 werden würde, das konnte niemand ahnen. Was sollte das sein: „Coronavirus“? War das so etwas wie eine Grippe? Erste Fälle gab es in China, weit weg. Aber am 27. Januar 2020 wurde bekannt, dass der neue Erreger Sars-CoV-2 aus der chinesischen Region Wuhan Deutschland erreicht hatte. Ein damals 33-jähriger Mitarbeiter der Firma Webasto im bayerischen Stockdorf war von nun an Deutschlands Patient Nummer 1.

Wie geht es dem Mann aus Kaufering im Landkreis Landsberg fast ein Jahr später? Zum Ende des Jahres 2020, nachdem sich über 1,7 Millionen Menschen (Stand: 30.12.2020, 18 Uhr) in Deutschland infiziert haben und mehr als 32.000 Menschen (Stand: 30.12.2020, 18 Uhr) mit oder an dem Coronavirus verstarben.

Corona: "Patient 1" hat keine Spätfolgen - aber auch keine Antikörper mehr

Auf Nachfrage dieser Redaktion antwortet Susanne Kilian, Sprecherin der Webasto Group: „Patient 1 geht es heute gesundheitlich gut. Er ist frei von jeglichen Corona-Spätfolgen." Da sich bei ihm aber seit April keine Antikörper mehr nachweisen ließen, bestehe das Risiko einer erneuten Ansteckung. Lesen Sie auch: Coronavirus: Kommt Deutschland an genügend Impfstoff?

Doch wie war das Virus überhaupt nach Deutschland gelangt? Die Firma Webasto erzielte im Geschäftsjahr 2019 einen Umsatz von rund 3,7 Milliarden Euro, der Autozulieferer hat sich auf Dach- und Heizsysteme, Antriebsarten sowie Batteriesysteme und Ladelösungen spezialisiert. 14.000 Mitarbeiter arbeiten weltweit an über 50 Standorten, darunter auch mehrere in China wie in Wuhan, Shanghai und Peking. Doch der Hauptsitz befindet sich in Stockdorf bei München.

Patient 1 infizierte sich bei einer chinesischen Kollegin

Am 16. Januar 2020 bekam eine chinesische Mitarbeiterin des Shanghaier Werks Besuch von ihren Eltern aus der Region Wuhan. Wuhan war bereits besonders vom Coronavirus betroffen. Drei Tage später reiste sie nach Deutschland. In Stockdorf nahm sie an einer Schulung teil, diesen Verlauf zeichneten später die örtlichen Behörden nach. Später erzählte sie, dass es ihr auf der Schulung noch gut gegangen sei.

Am Montagmorgen des 20. Januars trifft sie während einer Besprechung auf den 33-jährigen Deutschen, den späteren Patienten Nummer 1. Der erzählte später: „Dort haben wir uns noch alle die Hand gegeben. Ich saß dann auch direkt neben ihr und habe nebenbei Kaffee getrunken.“ Die Besprechung dauerte nur eine Stunde.

Erst auf ihrem Rückflug am 23. Januar soll es der Chinesin schlechter gegangen sein, zu Hause sei sie zum Arzt gegangen. Sie wurde positiv auf Corona getestet. Am 27. Januar informierte sie die Firmenleitung von Webasto. Der Kauferinger erfuhr davon noch am gleichen Tag durch seinen Vorgesetzten. „Ich habe sofort an meine Familie gedacht. Am Wochenende hatte ich Fieber und Schüttelfrost, jedoch keine Atembeschwerden. Trotzdem war ich sofort um meine schwangere Frau und um meine kleine Tochter besorgt. Ich wusste, dass ich mich sofort auf das Virus testen lassen muss.“

Der erste deutsche Covid-19-Kranke will anonym bleiben

Der Hausarzt verwies ihn direkt ans Tropeninstitut in München, gegen 20 Uhr am Abend erfuhr er, dass der Corona-Test positiv war. Der Familienvater kam umgehend in ein Isolierzimmer im Klinikum Schwabing. Draußen wollte die Öffentlichkeit wissen, wer er ist und wie es ihm geht. Der Patient 1 war ein Medienereignis.

Der 33-Jährige entschied damals, anonym bleiben zu wollen. Bis heute möchte er das beibehalten, zum Schutze seiner Person und seiner Familie. Er arbeitet immer noch bei Webasto. Im Sommer veröffentlichte die Firma mit ihm ein Interview. Darin berichtete er, wie die Reaktionen auf seine Erkrankung ausfielen. „Freunde und Familie waren natürlich erst einmal geschockt und besorgt.“ Täglich habe er Anrufe bekommen und stets habe er versucht, zu beruhigen. Auch interessant: Skiurlaub während Corona: Die Angst vor einem zweiten Ischgl

"Patient 1" bestellte sich nach Entlassung aus dem Krankenhaus Pizza

„Ich habe natürlich auch die Nachrichten verfolgt und war zum Teil erschrocken, welche Erkenntnisse man angeblich über mich und mein Privatleben rausgefunden hatte. Was mich wirklich aufgeregt hat, waren Medien, die über frei erfundene Gespräche zwischen mir und meiner Frau berichteten oder solche, die meinten, sie müssten Reporter zu der Kindertagesstätte meiner Tochter schicken.“

Webasto setzte einen Krisenstab ein, erstellte Kontaktlisten der Mitarbeiter, informierte Behörden, verschärfte Reiseregelungen und Hygienestandards. Die Zentrale in Stockdorf wurde für Wochen geschlossen. Bis Ende Februar 2020 hatten sich acht weitere Mitarbeiter und vier Angehörige angesteckt. Alle überlebten. Der Patient 1 musste 18 Tage im Krankenhaus bleiben. Außer leichtem Durchfall bei seiner Aufnahme habe er keine Beschwerden mehr gehabt. Lesen Sie auch: Corona-Impfung: Erhalten Immunisierte Sonderrechte?

In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte er kurz nach seiner Entlassung: „Es ist natürlich ein neuer Virus, es ist aber nicht so schlimm wie die Grippe.“ Mit dem Wissen von heute hatte der Patient 1 einen eher leichten Verlauf. Er selbst hat wohl auch nur einen weiteren Kollegen angesteckt, der ebenfalls keinen schweren Verlauf hatte. Auf die Frage des Reporters, was er als erstes Zuhause gemacht habe, antwortete der 33-Jährige: „Ich hab mir Pizza bestellt.“