Jerusalem. In Israel wurden in nur neun Tagen fast eine halbe Million Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Das sind die Gründe für den Rekord.

  • Vor mehr als einer Woche haben in Israel die Impfungen gegen das Coronavirus begonnen
  • Innerhalb von neun Tagen wurden rund eine halbe Millionen Menschen geimpft
  • Durch dieses schnelle Vorgehen könnte das Land bald auf dem Weg zur Herdenimmunität sein

Der dritte Lockdown könnte der letzte sein: Das ist in Israel nicht nur ein frommer Wunsch. Das Neun-Millionen-Einwohner-Land hat es geschafft, in nur neun Tagen fast eine halbe Million Menschen gegen das Covid-19-Virus mit der ersten Teilimpfung des Vakzins von Biontech und Pfizer zu versorgen.

Die Zahl der Geimpften sei nun höher als die Zahl der Israelis, die sich seit Beginn der Pandemie infiziert haben, jubelte Gesundheitisminister Yuli Edelstein am Dienstag auf Twitter. Wobei er nur von den bestätigten Fällen sprach. Wie hoch die Dunkelziffer der unentdeckten Infektionen ist, weiß niemand.

Corona-Impfung in Israel: Jeder vierte Israeli über 60 Jahre gilt als teilimmunisiert

Vorerst können sich nur Personen über 60 Jahre, chronisch Kranke und Menschen in Gesundheitsberufen impfen lassen. Seit dem Start der Impfaktion am 20. Dezember nahmen so viele Menschen dieses Angebot an, dass nun schon jeder vierte Israeli über 60 Jahre als teilimmunisiert gilt. Damit ist Israel einsame Weltspitze, was die Durchimpfung gemessen an der Bevölkerungsstärke betrifft. Lesen Sie auch: Corona-Impfungen sind gestartet: Das müssen Sie wissen

Ab Donnerstag dürfen auch die Lehrer in die Impfzentren kommen. Sie müssen, anders als in den ersten beiden Lockdowns, nun trotz Ausgangssperre in den Klassen unterrichten und werden deshalb bei den Impfungen bevorzugt. Läuft alles nach Plan, kommt dann in etwa zehn Tagen der Rest der Bevölkerung in den Genuss der Immunisierung.

Wobei manche Kommunen auch schon jetzt Personen aller Altersgruppen impfen, wenn sie befürchten, dass die Impfdosen sonst verderben. So rief der Bürgermeister von Arad alle Bürger auf, zum Impfzentrum zu kommen, um die vorhandenen Dosen aufzubrauchen, solange sie haltbar sind.

Wie sicher sind die Corona-Impfungen?

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    Impfrekord in Israel: Bürger standen stundenlang Schlange vor Impfzentren

    Und die Bürger kamen und standen stundenlang Schlange – was für manche vielleicht eine willkommene Abwechslung von der Ausgangssperre war. Wie schon im zweiten Lockdown gilt nämlich auch im dritten, dass sich alle Israelis nur im Umkreis von tausend Metern rund um das Wohnhaus aufhalten dürfen. Ein Impf-Termin gilt als Ausnahme von diesem Bewegungsverbot. Lesen Sie auch: Corona-Impfung: So bekommt man einen Termin

    Dass Israel zum internationalen Impf-Vorreiter wurde, hat mehrere Gründe. So verfügt das Land, etwa im Gegensatz zu den USA, über eine gut ausgebaute, universale Primärversorgung – ein entscheidender Vorteil, wie Epidemiologin Ora Paltiel von der Hebräischen Universität in Jerusalem erklärt. Die Impfung wird in ambulanten Einrichtungen der Krankenkassen und in eigens errichteten Impfzentren verabreicht, die für alle zugänglich sind.

    Impfstart in Israel: Server der Registrierungsseite abgestürzt

    Zudem war das Echo unter den älteren Israelis von Beginn an überraschend groß. So groß, dass schon kurz nach dem Impfstart die Server der Registrierungsseite abstürzten. Viele Impfkandidaten mussten vertröstet werden. Auch interessant: Corona: Jens Spahn will keine Sonderrechte für Geimpfte

    Wenn Israel in diesem Tempo weiterimpft, könnte das Land die Gefahr der Epidemie bereits im März gebannt haben, sagt Eran Segal vom Weizmann Institut. Bis es soweit ist, müsse man aber mit einem weiteren Anstieg der Infektionen rechnen. Bis März könnte die Epidemie tausend weitere Todesopfer fordern, glaubt Segal.

    Die dritte Welle, die eigentlich nur eine Fortsetzung der schlecht bewältigten zweiten Welle ist, wütet derzeit vor allem in den kinderreichen ultraorthodoxen Familien und trifft dort auch ungewöhnlich viele Minderjährige. Warum das so ist, wisse man noch nicht, sagt Segal – es könnte sich um eine Folge der britischen Mutation handeln. Die Impfung soll aber auch davor schützen. Sie wird auch von ultraorthodoxen Juden gut angenommen, wie Statistiken des Gesundheitsministeriums zeigen. Lesen Sie dazu: Mutiertes Coronavirus: Das weiß man über die neue Variante

    Drohen Engpässe bei Impfstoff? Gesundheitsministerium dementiert

    Der Run auf die Impfung führt das System aber an seine Grenzen. Manche Krankenkassen vergeben derzeit keine Termine und schlagen Alarm, dass sie die Nachfrage nach Impfungen nicht mehr decken können.

    Dass bald ein Engpass drohen könnte, wird im Gesundheitsministerium aber dementiert: Israel habe derzeit 3,2 Millionen Dosen des Biontech-Pfizer-Impfstoffs vorrätig, weitere 600.000 würden noch im Lauf dieser Woche eintreffen, heißt es. Weitere vier Millionen Dosen von Biontech und Pfizer und eine Million Dosen des Moderna-Impfstoffs werden für Februar erwartet.

    Das Weizmann-Institut ist zuversichtlich, dass ältere Menschen schon bald zu einer Minderheit unter den schwer erkrankten Patienten werden. In drei Wochen könnte nur noch ein Fünftel der ernsten Fälle Patienten über 60 Jahre sein, glaubt Eran Segal. Da jüngere Patienten ein niedrigeres Sterberisiko haben, sollte die Zahl der Todesfälle also schon bald stark zurückgehen, so die Erwartungen.

    Israel sieht sich auf dem Weg zur Corona-Herdenimmunität

    "Israel wird das erste Land der Welt sein, das Herdenimmunität erreicht", glaubt Arnon Afek, ehemaliger Generaldirektor im israelischen Gesundheitsministerium. Wann das sein wird, wagt Afek aber nicht zu sagen. Vieles werde davon abhängen, wann die weiteren Impfstoff-Lieferungen in Israel eintreffen. Auch interessant: Corona-Impfstoff: Wie funktioniert die mRNA-Impfung?

    Auch Ora Paltiel warnt vor zu viel Optimismus. Man wisse einfach nicht, wie die jüngeren Israelis die Impfung annehmen. Manche Experten vermuten, dass die jüngeren Israelis den Impf-Elan dämpfen könnten. Das liege auch an falschen Informationen, sagt Afek: "Im Internet geistern so viele Fake-News über die Impfstoffe herum, es ist zum Verrücktwerden."

    Hier sei die Regierung gefordert, für Aufklärung zu sorgen. Denn je mehr junge Superspreader die Impfung verweigern, desto schwieriger wird es sein, die weitere Ausbreitung des Virus zu bremsen.