Berlin. Israel macht es vor: Die ersten Gruppen bekommen bereits die zweite Booster-Impfung. Auch in Deutschland beginnt gerade die Debatte.

Wie oft muss man sich impfen lassen, um dauerhaft gegen Corona geschützt zu sein? Die Frage wird jetzt auch in Deutschland diskutiert – spätestens, seit klar ist, dass auch der Schutz einer Booster-Impfung nicht ewig hält.

In Israel haben bereits Hunderttausende die vierte Dosis bekommen, erste Hausärzte in Deutschland vergeben bereits Termine. Die Politik jedoch zögert – auch deshalb, weil die Datenlage vielen noch zu unsicher erscheint. Die wichtigsten Fragen zum Booster für Geboosterte.

Was bewirkt eine vierte Dosis?

Experten gehen davon aus, dass sich die Wirkung der dritten Dosis nach einigen Monaten abschwächt: Die Immunantwort werde nachlassen, als Erstes werde der Schutz vor einer Infektion geringer, so der Düsseldorfer Virologe Jörg Timm. Der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf sei aber mit Sicherheit deutlich länger vorhanden.

Mit einer vierten Dosis dagegen, das zeigen erste Studien aus Israel, wo jetzt vor allem Risikopatienten und Ältere erneut geimpft worden waren, steigen die Antikörper zunächst wieder deutlich an. Die dortigen Forscher hatten aber mehr erwartet: Die Wirkung sei gut, aber nicht ausreichend, sagt Studienleiterin Gili Regev.

Man sei kurz nach der vierten Impfung wieder auf demselben Antikörperstand wie kurz nach der dritten. Das sei enttäuschend: Es könne nicht das Ziel sein, sich etwa alle vier Monate erneut gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Sie sei zwar froh, dass man gefährdeten Bevölkerungsgruppen bereits die vierte Dosis gebe, so Regev. „Aber ich bin mir wirklich nicht sicher, ob man sie nun allen geben sollte.“

Die Impfzentren der Länder sollen bis Jahresende geöffnet bleiben – ob bis dahin auch die vierte Impfung angeboten wird, ist noch offen.
Die Impfzentren der Länder sollen bis Jahresende geöffnet bleiben – ob bis dahin auch die vierte Impfung angeboten wird, ist noch offen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Corona-Impfung: Wer sollte eine vierte Dosis bekommen?

Die Gesundheitsminister der 16 Bundesländer hatten am Montagabend über eine mögliche vierte Corona-Impfung beraten. Konkrete Beschlüsse oder gar einen Fahrplan gibt es noch nicht. Nötig seien zunächst weitere wissenschaftliche Untersuchungen, hieß es im Anschluss. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) ist zurückhaltend: „Ob – und wenn, für wen – in Zukunft weitere Auffrischimpfungen nötig sein werden, ist unsicher.“ Dazu fehlten noch wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Wirksamkeit nach drei Impfstoffdosen über einen langen Zeitraum untersuchen.

Doch was ist mit denjenigen, die ihre Booster-Impfung schon im September bekommen haben – die Hochbetagten, aber auch das Personal in den Kliniken? Der renommierte Intensivmediziner Christian Karagiannidis, Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, will lieber noch warten: „Wir sollten uns mit der vierten Impfung noch etwas Zeit lassen. Dreifach Geimpfte haben einen guten Schutz vor Infektion gegen Omikron, vor einem schweren Verlauf ohnehin. Bei den allermeisten besteht deswegen im Moment keine Notwendigkeit für eine erneuten Booster.“

Der Arzt nennt allerdings Ausnahmen: „Es kann in Einzelfällen sinnvoll sein, Patienten eine vierte Dosis zu geben. Etwa dann, wenn jemand nach einer Transplantation oder durch eine Immunerkrankung auch nach drei Impfungen noch eine zu geringe Immunantwort hat. Mit einer systematischen vierten Impfung sollten wir warten, bis ein angepasster Impfstoff da ist.“

Patientenschützer sehen das anders: „Jeder sollte die Möglichkeit erhalten, bis zum Sommer ein viertes Impfangebot mit den aktuell verfügbaren Wirkstoffen in Anspruch nehmen zu dürfen“, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, unserer Redaktion. „Gerade für die vulnerable Gruppe kann das hilfreich sein.“

Booster-Impfung: Wie oft müssen wir auffrischen?

Das kann im Moment niemand genau sagen. Virologen wie Jörg Timm gehen allerdings davon aus, dass auch die vierte Impfung nicht die letzte sein wird. Er glaube jedoch nicht, dass Impfungen langfristig für die gesamte Bevölkerung notwendig sein werden. „Man muss sich das nicht so vorstellen, dass wir über die nächsten Jahre, Jahrzehnte die gesamte Bevölkerung immer wieder auffrischen müssen.“

Für einzelne Risikogruppen könne es aber durchaus sein, „dass wir da eine ähnliche Konstellation wie bei der Grippeimpfung haben, dass wir bestimmte Altersgruppen oder Risikokonstellationen jedes Jahr impfen müssen.“ Ob es wirklich so kommt, hängt von mehreren Faktoren ab: von der Zahl der Ungeimpften, von eventuellen weiteren Virusmutationen und von der Entwicklung angepasster Impfstoffe.

Wann kommt der angepasste Corona-Impfstoff?

Die Hersteller der beiden mRNA-Impfstoffe, Moderna und Biontech/Pfizer, arbeiten daran, die Vakzine an die neuen Virusvarianten anzupassen. Der Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus ­Cichutek, geht davon aus, dass ein an Omikron angepasster Corona-Impfstoff bis spätestens Juni zur Verfügung stehen wird.

Allerdings stehe noch nicht ganz fest, wie der modifizierte Impfstoff aussehen solle, sagte Cichutek weiter. „Es gibt im Moment noch eine kleine Diskussion darüber, ob wir eine einfache Anpassung auf Omikron vornehmen sollten oder ob nicht vielleicht gleich Impfstoffe gewählt werden und angepasst werden sollten, dass nicht nur diese eine Variante wieder erfasst wird, sondern eine breitere Wirkung erzielt wird.“

Patientenschützer Brysch forderte die Politik auf, die Verteilung des angepassten Impfstoffes vorzubereiten: „Hierfür muss der Bundestag spätestens im Juni die Verteilung priorisiert haben. Denn offenkundig ist Deutschland nicht in der Lage, alle Impfwilligen innerhalb eines Monats überhaupt mit Seren zu versorgen.“ Der Schutz der vulnerablen Gruppen dürfe nicht wieder durch das Fehlen einer Priorisierung torpediert werden. „Hochbetagte, Pflegebedürftige und Schwerstkranke dürfen hier nicht die Verlierer sein.“