Berlin. In der EU ist die Antikörper-Therapie gegen Covid-19 noch nicht zugelassen. Trotzdem sollen die Medikamente bald eingesetzt werden.

Was können monoklonale Antikörper bei einer Covid-19-Infektion bewirken? Sehr viel, würde wohl der ehemalige US-Präsident Donald Trump sagen, der während seiner Infektion mit einem solchen Mittel behandelt wurde. In der Europäischen Union hat der Zulassungsprozess für eine solche Behandlung noch nicht begonnen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat aber bereits zwei der Medikamente für Deutschland bestellt.

Die Mittel sollen hierzulande nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung verabreicht werden – unabhängig von der ausstehenden EU-Zulassung. In den USA ist die Anwendung bereits genehmigt. Wir erklären, was über die Antikörper-Therapie bekannt ist.

Corona-Medikamente: Was sind das für Antikörper?

Bei den Medikamenten handelt es sich um sogenannte monoklonale Antikörper. Diese werden im Labor hergestellt. Sie sollen das Virus nach einer Infektion außer Gefecht setzen. Monoklonal heißt, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und das Virus an einem fest definierten Ziel angreifen.

Anders verhält es sich dagegen nach einer Impfung: Danach bildet der Körper einen Mix an Antikörpern, die an das Virus an verschiedenen Stellen binden können. Fachleute sprechen in diesem Fall von polyklonalen Antikörpern.

Antikörper gegen Corona: Welche Mittel gibt es in den USA bereits?

Die US-Firma Regeneron mischt für ihren Antikörper-Cocktail gegen Covid-19 die zwei monoklonalen Antikörper Casirivimab und Imdevimab. Sie richten sich gegen zwei Regionen des Spike-Proteins auf der Oberfläche des Virus Sars-CoV-2. Durch diese Mischung steige die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein Antikörper bei jeder speziellen Anwendung auch wirklich wirksam sein könne, erklärte die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“.

Das Mittel der US-Firma Eli Lilly enthält im Gegensatz dazu nur den monoklonalen Antikörper Bamlavinimab. Sowohl Regeneron als auch Eli Lilly besitzen in den USA seit November eine Notfallzulassung für ihre Präparate.

Welche Covid-19-Patienten dürfen die Medikamente einnehmen?

In den USA dürfen sowohl das Präparat von Regeneron als auch das von Eli Lilly zur Behandlung von Patienten ab zwölf Jahren eingesetzt werden, wenn das Risiko besteht, dass sie einen schweren Covid-19-Verlauf erleiden könnten. Die Medikamente können laut der US-Arzneimittelbehörde FDA die Wahrscheinlichkeit des Auftretens schwerer Symptome senken. Dabei ist allerdings wichtig, dass es in einem frühen Stadium eingenommen wird. Patienten, die sich im Krankenhaus befinden oder Sauerstoff benötigen, dürfen das Medikament nicht nehmen.

Regeneron zufolge profitierten besonders Probanden, deren Immunsystem noch keine eigenen Antikörper gegen das Virus gebildet hatte. In Studien habe es die besten Ergebnisse innerhalb der ersten zehn Tage nach der Infektion gegeben, erklärte FDA-Chef Stephen Hahn. Insgesamt seien aber noch nicht ausreichend Daten vorhanden, sagen Wissenschaftler.

In Deutschland sollen die Mittel ebenfalls bei erwachsenen Patienten mit milden oder moderaten Symptomen und einem Risiko für schwere Verläufe zum Einsatz kommen.

Medikamente: Wie wirken die Antikörper gegen Covid-19?

Durch die Antikörper soll verhindert werden, dass das Virus in die Zelle eintreten kann. Regeneron zufolge führt die Behandlung zu einer Reduzierung der Viruslast, also der Menge an nachweisbaren Viren, und zu einem rascheren Abklingen der Symptome.

Was hat der ehemalige US-Präsident Trump damit zu tun?

Nachdem sich Trump im Oktober mit dem Coronavirus infiziert hatte, erhielt er einen Cocktail verschiedener Medikamente. Darunter befand sich auch das Antikörper-Medikament von Regeneron, das zum damaligen Zeitpunkt in den USA noch nicht zugelassen war.

Trump hatte das Medikament nach seiner vergleichsweise schnellen Genesung öffentlich als „Wunder“ und „Heilmittel“ angepriesen und versprochen, es in kürzester Zeit weitreichend verfügbar machen zu wollen.

Sicherheitsbedenken - Versuche mit Antikörper-Cocktail gestoppt

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    Wie ordnen Wissenschaftler die Antikörper-Medikamente ein?

    Viele Forscher standen den Antikörper-Medikamenten von Beginn an skeptisch gegenüber. Es hatte sich unter anderem gezeigt, dass die Mittel bei einer fortgeschrittenen Covid-19-Erkrankung offenbar nicht mehr wirklich helfen können.

    Was ist über Nebenwirkungen bekannt?

    Patienten, die mit dem Regeneron-Mittel behandelt wurden, zeigten in einer Studie keine gehäuften schweren Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Die FDA weist aber darauf hin, dass es ein gewisses Potenzial unter anderem für schwere Überempfindlichkeitsreaktionen bei den beiden eingesetzten Antikörpern gibt. Zudem dauere die Untersuchung noch immer an, bestimmte Risiken könnten deshalb noch gar nicht bekannt sein.

    Bei dem Mittel von Eli Lilly traten bei Studien laut FDA in zwei von 850 Fällen schwere Nebenwirkungen auf. Auch hier seien möglicherweise manche Nebenwirkungen noch gar nicht bekannt.

    Wann gibt es für die Mittel eine EU-Zulassung?

    Bislang läuft bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA kein Zulassungsprozess für eine solche Antikörper-Behandlung, wie aus Angaben auf der Behörden-Webseite hervorgeht.

    Regeneron plant gemeinsam mit dem Pharmakonzern Roche als Partner auch in der EU Zulassungen zu beantragen, wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte. Eli Lilly und andere Firmen dürften folgen.

    Wann werden die Antikörper-Mittel in Deutschland verwendet?

    Eine Besonderheit liegt darin, dass die Medikamente auch schon vor einer EU-Zulassung in Deutschland zum Einsatz kommen können: Nach einer Bewertung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) sei eine Anwendung nach individueller Nutzen-Risiko-Einschätzung in Einzelfällen in Deutschland grundsätzlich zulässig.

    „Ab nächster Woche werden die monoklonalen Antikörper in Deutschland als erstem Land in der EU eingesetzt – zunächst in Uni-Kliniken“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. Der Bund hat sich dem Gesundheitsminister zufolge insgesamt „200.000 Dosen für 400 Millionen Euro“ gesichert.

    (raer/dpa/afp)