Facelifts, Botox – während der Corona-Pandemie ist der Wunsch nach einem schönen Gesicht so groß wie nie, sagen Schönheits-Chirurgen.

Berlin. Tränensäcke, Falten, Hängewangen – wer will das schon? Normalerweise guckt sich der Mensch ja nicht ständig an. Doch seit Corona, Homeoffice und den ständigen Videoschalten ist das anders. Schönheits-Chirurg Prof. Werner Mang spricht vom Run auf Schönheits-Operationen. Facelift, oder Botox oder Falten-Unterspritzen seien extrem nachgefragt in Zeiten der Selfies und Zoom-Schalten. Selbstopitmierung steht in Zeiten der Krise weit oben auf der Prioritätenliste.

Die Lust auf kleine Schönheits-Operationen steigt in der Corona-Krise

Dabei hätte man doch denken können, dass das Aussehen in Zeiten der Krise so viel nicht zählt. Erstens gibt es Wichtigeres – zum Beispiel Gesundbleiben – zweitens lassen sich doch die Kilos zu viel gut unterm weiten Pulli verstecken. Und dass man Socken mit Löchern trägt, merkt doch dank Videokonferenzen und Facetime auch keiner. Durchgestylt muss der Mensch im Homeoffice nur im oberen Drittel sein. Falsch gedacht, so Schönheits-Chirurg Werner Mang (71) von der Bodenseeklinik in Lindau.

„Der Wunsch nach gutem Aussehen und damit auch die Lust auf kleine Schönheits-Operationen war trotz Corona durchaus hoch“, so der Arzt. Was auch daran lag, dass die Leute ja sonst kein Geld ausgegeben haben und den Wunsch verspüren, etwas Gutes für sich tun zu wollen. Aber natürlich liegt es auch daran, dass man über Zoomkonferenzen oft schonungslos mit seinem Gesicht konfrontiert wird“, so der Arzt.

Faltenbehandlung mit Botox auf Platz 1

Dass das Interesse an Schönheitskorrekturen im Gesicht in Deutschland während Pandemie gestiegen ist, bestätigt auch die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC): Drei Viertel aller ästhetischen Behandlungen im Jahr 2020 wurden am Gesicht vorgenommen, das waren rund 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr, heißt es. Auch VDÄPC-Präsident Steffen Handstein führt den Anstieg der ästhetischen Eingriffe auf die vermehrte Nutzung von Videokonferenzen, Smartphones und soziale Medien zurück. „Homeoffice führte zu einer kritischen Betrachtung der eigenen Optik“, erklärte Handstein.

Dabei stehen die sogenannten minimalinvasiven Eingriffe am Gesicht wie beispielsweise Falten­behandlung mit Botox mit mehr als 48.300 Behandlungen an der Spitze. Neu auf Platz drei rutschte im Corona-Jahr die Oberlidstraffung, die Lippenkorrekturen wurden auf den vierten Platz verdrängt. Auf Platz fünf folgten die Nasenkorrekturen. Für die Patientinnen und Patienten sei das „Lächeln mit den Augen zum elementaren Kommunikations­mittel avanciert“, so Handstein. „Durch die Maskenpflicht lächeln die Menschen auch mit den Augen, nicht nur mit dem Mund.“

Manche Menschen seien durchaus geschockt, wenn sie sich selbst so sehen. Oft gebe es auch böse Kommentare von anderer Seite. Das sei ihm auch schon selbst so gegangen, sagt Schönheits-Chirurg Prof. Werner Mang. „Nun ja, meine Enkel haben auch gesagt: Mensch, Opa, was hast Du für Tränensäcke.“

Augen rücken dank der Gesichtsmasken stärker in den Focus

Wer im Berufsleben steht, wolle gerne frisch aussehen. Dass Duschen, Bodylotion und eine Gesichtscreme für die reife Haut doch nicht alles sind, falle auf, wenn man das eigene Gesicht in der Kamera sehe. Und dann sei plötzlich nicht mehr nur der Friseur gefragt. Und wenn dann nur noch die Augen über der Gesichtsmaske zu sehen seien, falle vielen plötzlich auf, wie klein die im ganzen Faltenwald seien. „Botox, kleine Faceliftings, Augenlidstraffung. Diese Dinge haben Ende 2020 massiv zugenommen. Da haben sich dann schon manche einen Urlaub in der Schönheitsklinik gegönnt, um wieder mehr Vitalität im Gesicht zu erreichen“, sagt Mang.

Ob Rechtsanwältin, Lehrer oder Hausfrau – das Interesse ist breit gefächert

Weg mit den Lachfalten, Anheben des Schlupflides, das den Blick immer so müde macht – der Wunsch nach Korrekturen bestehe quer über die Alters- und Berufsgruppen. Rechtsanwältinnen und Anwälte, Hausfrauen und Hausmänner, Lehreinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte. Könnten Soziale Medien und Fotofilter Antreiber dieses Schönheitswahns sein?

Auch der plastische Chirurg Alexander Hilpert sieht darin eine gefährliche Entwicklung. „Wer häufig Bilder von sich versendet, will auch schöner aussehen“, sagt der 56-Jährige, der in Duisburg und Düsseldorf praktiziert. „Das hat sich in den letzten Jahren extrem verstärkt, diese Anfragen kommen inzwischen täglich.“

Trend bei den Männern: faltenfreie Augen, Hüftspeck weg und Haare wie Klopp

Frauen suchten am häufigsten Hilfe per Filler oder Skalpell. Aber auch die Männer hätten das Interesse am strahlenden Teint für sich entdeckt. Und das nicht nur per Töpfchen Nachtcreme. „Vor zwanzig Jahren lag der Anteil der Männer höchstens bei fünf bis sechs Prozent. Heute sind es mehr als zwanzig Prozent“, so Werner Mang.

Die Trends der Männer seien klar: Es geht um die Augen. „Sie lassen Schlupflider oder Tränensäcke beseitigen.“ Und dann kommt der Bauch dran. „Dann soll schon mal gern der Hüftspeck weg.“ Doch der Trend bleibt der Kopf. „In letzter Zeit gibt es einen regelrechten Haar-Boom. Seitdem sich Jürgen Klopp zur Haartransplantation bekannt hat, kommt jede Woche ein Mann mit einem Bild von Klopps Frisur zu mir.“

Nicht nur bei Frauen liegen Schönheitskorrekturen an den Augen im Trend.
Nicht nur bei Frauen liegen Schönheitskorrekturen an den Augen im Trend. © dpa | Uwe Anspach

Gefährlicher Trend bei jungen Mädchen

Der Wunsch auszusehen wie jemand anderes, ist dem Schönheits-Chirurgen suspekt. Vor allem bei jungen Menschen, wo der Hang, seinem Vorbild zu ähneln, besonders stark verbreitet sei. Mang empört sich: „Da lässt sich dann eine Youtuberin wie Dagi Bee die Lippen aufspritzen und verbreitet die Botschaft, dass junge Mädchen sich auch die Lippen aufspritzen lassen sollen. Von diesen sogenannten Beauty-Vorbildern gibt es etliche. Und dann sitzen 14-jährige Mädchen mit ihren Eltern bei mir und wollen genau diese Lippen haben. Das ist doch eine extrem kranke Entwicklung. Mark Zuckerberg hat damit Monster erschaffen, wie er auch in seinem Buch „Abgründe der Schönheitschirurgie“ nicht müde wird zu erklären.

Der Ende vergangenen Jahres vorgestellten JIM-Studie zufolge haben Jugendliche im Pandemie-Jahr 2020 Instagram, Snapchat, Tiktok und Co. gegenüber dem Vorjahr häufiger genutzt. Am deutlichsten war der Anstieg demnach bei Tiktok: Die Zahl der Jugendlichen, die angaben, die App mindestens mehrmals wöchentlich zu nutzen, stieg um 19 Prozent. Besonders beliebt war die App bei 12- bis 15-Jährigen.

15-Jährige wollte Po wie Kylie Jenner

Klares Nein also zu Schönheits-Operationen bei Teenies vom Schönheits-Doc Werner Mang: „Ich lehne das ab. Keine Schönheitsoperation unter 18 Jahren. Ich erkläre den Mädchen dann, dass die Fotos der angeblichen Vorbilder geschönt sind, mit Photoshop bearbeitet wurden und dass sie lieber etwas Wichtiges für sich tun sollen: die Schule machen, Sport machen.“

Neulich erst habe er ein junges Mädchen wegschicken müssen. „Da war eine 15-Jährige bei mir, die todunglücklich war und unbedingt einen Po wie Kylie Jenner haben wollte. Also per Po-Implantat. Die Eltern sind da komplett macht- und ratlos. Durch Soziale Medien haben sie keinen Einfluss mehr auf ihre Kinder. Jedes dritte Mädchen unter 14 Jahren ist mit seinem Aussehen nicht zufrieden, weil es sich an zweifelhafte Vorbildern von Instagram & Co orientieret. Das ist doch krank und extrem gefährlich. Die Leute wissen gar nicht, dass Po-Implantate auch verrutschen und damit Probleme bereiten können.“

Wünsche der Männer – aussehen wie Brad Pitt, Sixpack wie Ronaldo

Die älteren Frauen seien deutlich reflektierter. „Die sind nicht so übertrieben. Sie wollen meist einfach natürlich aussehen. Ihnen geht es um Vitalität und Frische. Sie suchen sich keine Idole aus und lassen sich danach formen. So etwas würde ich ja auch nicht machen.“ Wobei ihm das auch nicht ganz fremd ist. „Früher ja, da war ich auch anders drauf. Da wollte man zeigen, was möglich ist. Da habe ich ich aus einem Patienten einen Brad Pitt gemacht, der besser aussah als Brad Pitt selbst.“ Das sei aber vorbei. „Als jüngst einer zu mir kam und sagte, er möchte so ein Six Pack wie Ronaldo, hab ich nur gesagt: Dann gehen Sie bitte ins Fitnessstudio.“

Bizarre Wünsche: Dritte Brust oder Hörner in der Stirn

Die Wünsche seien oft extrem. Es gehe dabei „nicht nur um Schönheitswahn“, so Mang, „also um noch größere Brüste oder eine noch dünnere Taille als Victoria Beckham“, sondern um bizarre Vorstellungen. „In Südkorea will sich eine Frau eine dritte Brust implantieren lassen, um mehr Klicks zu bekommen. Und in Japan haben sich zwei Mädchen Hörner in die Stirn implantieren lassen, weil sie Hunderttausende Klicks erzeugen wollen. Das ist doch nicht mehr nachzuvollziehen. Aber nochmals: Vernünftige Schönheits-Chirurgie ja, Schönheitswahn nein – das ist meine Botschaft.“

Manches ist ein Fall für den Psychotherapeuten

Wenn junge Menschen derart unreflektiert fragwürdigen Vorbildern nacheifern, wäre der richtige Ansprechpartner ja vielleicht eher ein Psychotherapeut als ein Schönheits-Chirurg. „Unbedingt. Ich war schon einer der Ersten, der ganz früh mit Psychotherapeuten zusammengearbeitet hat“, so Werner Mang, der deshalb auch schon manchen Patientinnen nicht behandelt hat. „Acht Prozent aller, die kommen, schicke ich weg.“ Er selbst hat keine Probleme, sich so zu nehmen, wie er ist. Er habe „noch nie“ eine Schönheits-Operation durchführen lassen. „Ich bin stolz auf meine Tränensäcke. Und meine krumme Nase stört mich nicht.“