Berlin. Die Lage auf den Intensivstationen in Kliniken in Sachsen spitzt sich zu. Im Freistaat droht nichts weniger als die Triage-Situation.

Die Corona-Situation in Sachsens Kliniken spitzt sich zu, die Lage auf den Intensivstationen im Land ist mehr als angespannt. Nach Bayern steht nun offenbar das zweite Bundesland vor der Situation, Intensivpatienten aufgrund der Corona-Lage nicht mehr behandeln zu können. Die Kliniken im Freistaat müssen sich darauf vorbereiten, die Triage anzuwenden.

"Wir kommen möglicherweise in den nächsten Tagen, wenn wir das Geschehen nicht in den Griff kriegen, in die Triage-Situation", sagt der Präsident der sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck, am Montag im Interview mit NDR-Info. Nur wenige Intensivbetten stünden im Bereich Chemnitz und Leipzig noch zur Verfügung, Dresden sei "dicht", wie Bodendieck ausführt. Sachsen befände sich aktuell in der sogenannten Überlastungsstufe.

Sachsen vor Triage: Verlegungen in andere Länder kaum mehr möglich

Innerhalb Sachsens könnten Patienten nur noch schwer verlegt werden, man sei auf die Hilfe der benachbarten Bundesländer angewiesen. Doch die brauchten ihre Intensivbetten selbst. "Wir müssen triagieren und das werde ich diese Woche mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken noch mal besprechen", schlussfolgert Bodendieck im Interview.

Im NDR erläutert er das Prinzip einer Triage: Demnach sei es rechtlich nicht möglich, präventiv Betten frei zu halten. Konkurrieren zwei Patienten um ein Bett, dürfe weder nach Alter noch nach anderen Merkmalen diskriminiert werden. Das einzige Merkmal, das bei der Entscheidung zu behandeln zähle, sei die Behandlungsaussicht – also die Frage, welcher der beiden um das Bett konkurrierenden Patienten die besten Aussichten hat, die Behandlung gut zu überstehen.

Bodendieck schränkt dazu ein: "Für ungeimpfte Patienten ist es in der Regel nicht der Fall, dass sie die Situation gut überstehen können."

Triage: Im Zweifel Entscheidung um Leben und Tod

Der dritte Fall der Triage trete dem Mediziner zufolge ein, wenn alle Betten belegt sind und ein neuer Patient ankommt: Ist sowohl für ihn als auch für alle anderen Patienten die Indikation für eine Behandlung gegeben, "dann ist es so, dass der Patient Pech hat", der als letztes ankomme – eine Entscheidung über Leben und Tod.

Ein wenig anders schätzt die derzeitige Lage die Krankenhausgesellschaft Sachsen (KHG) ein. Sie sieht noch Spielraum bis zu einer möglichen Anwendung coronabedingter Triage in den Krankenhäusern des Freistaates. Unmittelbar stelle sich diese Frage noch nicht, sagte Friedrich R. München, stellvertretender Geschäftsführer der KHG, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

Intensivstation: Reservebetten frei – aber zu wenig Personal

Nach Darstellung von München befinde man sich derzeit noch in der Phase, Patienten zwischen den einzelnen Krankenhaus-Clustern sowie innerhalb des Kleeblattes mit den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu verlegen. Danach sei eine Verlegung etwa nach Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein eine Option: "Wenn das nicht mehr geht, haben wir ein Problem."

München zufolge seien derzeit 1345 Intensivbetten in Sachsen mit Corona-Patienten und anderen Kranken belegt. Es gebe noch rund 170 freie Betten und eine Notfallreserve von 627 Betten. Bei dieser Reserve sei aber unklar, ob für alle Betten auch noch Personal zur Verfügung stehe. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien beispielsweise durch Quarantäne der Kinder nicht verfügbar. Man bitte deshalb das Gesundheitsministerium, eine Notbetreuung zu organisieren.

"Wir sind alarmiert, weil die Entwicklung sehr schnell verläuft", sagte München. Daher will auch er nicht ausschließen, dass es bei einer weiteren Verschärfung der Situation zu einer Priorisierung in den Krankenhäusern kommt. (jkali/dpa)