Berlin. Carolin Treml ist 22 Jahre alt und in der Corona-Pandemie Teil der Risikogruppe. Im Interview erzählt sie, was das für sie bedeutet.

Durch die Ausbreitung des Coronavirus ist Europa seit Tagen im Ausnahmezustand. In Italien, Spanien und Frankreich gelten Ausgangssperren. Auch in Deutschland will Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag mit den Ländern über mögliche Verbote beraten. Carolin Treml, 22, befürwortet solche Maßnahmen.

Die Grafikdesignerin aus der bayerischen Oberpfalz hat eine Muskelerkrankung und gehört zur sogenannten jungen Risikogruppe. Eine Infizierung mit dem Coronavirus könnte für sie besonders gefährlich sein. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Treml, wie sie sich schützt – und warum sie vor wenigen Wochen noch anders über das Virus dachte.

Wie geht es Ihnen gerade, körperlich und psychisch?

Carolin Treml: Natürlich ist die aktuelle Situation beunruhigend, aber ich versuche trotzdem, mich nicht verrückt zu machen. Körperlich geht es mir gut. Ich bin nur etwas angespannt.

Warum?

Carolin Treml: Natürlich fürchte ich mich vor einer Ansteckung, weil das Virus sehr gefährlich für mich werden könnte. Das egoistische Verhalten vieler Leute macht mich sauer: Wenn sie nicht zuhause bleiben, Corona-Partys schmeißen, im Café sitzen oder ohne Sinn und Verstand Lebensmittel hamstern, die andere vielleicht dringender benötigen.

Können Sie erklären, was eine Infizierung mit dem Coronavirus für Sie gefährlich machen würde?

Carolin Treml: Ich habe spinale Muskelatrophie, eine Art Muskelschwund. Deswegen bin ich im Rollstuhl und benötige im Alltag rund um die Uhr Unterstützung von anderen Menschen. Wegen meiner Muskelerkrankung habe ich ein deutlich geringeres Lungenvolumen und gehöre zur Risikogruppe. Covid-19 greift besonders die Atemwege an, deswegen könnte die Krankheit in meinem Fall tödlich sein.

Bei mir kann schon jeder herkömmliche Schnupfen innerhalb kürzester Zeit zu einer Lungenentzündung auswachsen. Nur jemand, der diese Situation bereits mit mir erlebt hat, kann sich wirklich vorstellen, was das bedeutet: wochenlang an der Beatmung sein müssen, ständiges Umlagern auf den Bauch, damit das Sekret rauskommt, inhalieren, kaum Schlaf, den Brustkorb abklopfen und drücken, bis alle Knochen schmerzen, weil ich selbst nicht fest genug husten kann. Für jemanden, der ohnehin kaum Kraft hat, ist diese Prozedur einfach nur erschöpfend.

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Sind Sie als Teil der Risikogruppe von Anfang an anders mit der drohenden Ausbreitung umgegangen?

Carolin Treml: Ehrlich gesagt, nein. Klar, ich hatte etwas Bedenken, aber ich bin es schon mein Leben lang gewohnt, mich vor Infektionen fürchten zu müssen und extrem vorsichtig zu sein. Ich fühlte mich deswegen nicht erheblich bedrohter als von der Grippe. Rückblickend betrachtet war das sehr naiv von mir.

Was würden Sie Ihrem Ich von vor 14 Tagen heute sagen?

Carolin Treml: Freu dich nicht zu früh auf den Frühling und pass auf dich auf. 2020 wird eine krasse Achterbahnfahrt.

Sind Sie aktuell unter strenger Isolation?

Carolin Treml: An sich ist nicht viel anders als sonst. Ich bin es gewöhnt, viel zuhause zu sein, weil die Grippesaison ebenfalls sehr gefährlich für mich ist. Zu dieser Jahreszeit gehe ich sowieso kaum raus. Deswegen hatte ich mich eigentlich auf den Frühling gefreut und wollte wieder mehr unternehmen. Das wird jetzt leider nichts.

Momentan befinde ich mich in Isolation und habe nur Kontakt zu meinen Eltern. Alle Termine habe ich zum Schutz abgesagt und ich bekomme momentan weder Besuch, noch Physiotherapie. Außerdem beeinträchtigt die aktuelle Situation auch meine Arbeit. Ich bin selbstständige Grafikdesignerin. Ich kann zwar von zuhause aus arbeiten, aber viele Aufträge fallen wegen mangelnden Budgets erstmal weg. Somit fehlen mir auch Einnahmen.

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Haben Sie außer der Physiotherapie im Alltag auch andere Hilfe?

Carolin Treml: Meine Eltern pflegen mich komplett alleine, deswegen habe ich da gerade keine zusätzlichen Unnannehmlichkeiten. Sie gehen auch weiterhin einkaufen. Würde ich alleine mit bezahlter Assistenz leben, wäre es wahrscheinlich deutlich schwieriger. Das möchte ich mir gerade lieber gar nicht vorstellen. Damit meine Familie zwischendurch aber auch mal weg kann, habe ich normalerweise eine Freizeitassistenz. Die entfällt in dieser Situation, der Kontakt mit ihr wäre zu riskant.

Mussten Sie noch andere Schutzvorkehrungen treffen?

Carolin Treml: Das Übliche. Hände häufig waschen und desinfizieren, Abstand halten, möglichst nicht nach draußen gehen. Außerdem habe ich schon seit einigen Wochen keinen Kontakt mehr zu meiner Schwester, die als Lehrerin mit vielen Menschen und vor allem Kindern in Berührung kommt.

Als Teil der Risikogruppe habe ich mich für den Ernstfall vorbereitet: Ich habe medizinischen Sauerstoff, und mein Beatmungsgerät steht für einen Erkrankungsfall zuhause bereit. Das benötige ich nachts aber sowieso.

Was ist für Sie persönlich gerade die größte Herausforderung?

Carolin Treml: Mit der Ungewissheit umzugehen. Niemand weiß, wie lange dieser Wahnsinn anhält und auch wenn in einigen Monaten hoffentlich das Schlimmste überstanden ist, besteht für mich wahrscheinlich trotzdem noch längere Zeit ein erhöhtes Risiko.

Was vermissen Sie aus Ihrem normalen Leben?

Carolin Treml: Freunde zu treffen und unbekümmert Pläne machen zu können.

Spahn- Ich setze auf die Vernunft der Bürger

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