München. Adel verpflichtet, so sagt man. Mancher Blaublüter nimmt das allzu wörtlich – mal als RAF-Mitglied, mal als mexikanischer Skiläufer.

Einige von ihnen kennt jeder, andere sind unbekannt: Der Adel in Deutschland und Österreich besitzt in seinen Reihen ebenso einen berüchtigten „Prügel-Prinzen“ wie Jet Set-Legenden, Profiteure und Provokateure in der DDR, in der nur wenige Menschen offen ihre Adelstitel führten. Und sogar auf den Fahndungsplakaten der RAF war einst ein echter Aristokrat vertreten. Die zehn skurrilsten Adligen im Überblick.

Der Schlagzeilen-Lieferant

Prinz Ernst August von Hannover, 68. Um die Jahrtausendwende zuverlässiger Schlagzeilen-Lieferant, der seinen Druck am türkischen Expo-Pavillon abließ, mal einen Kameramann mit dem Schirm und einen Nachtclubbesitzer in Kenia ohne Schirm vermöbelte, Polizisten in Österreich und eine Journalistin in Hannover in nicht druckreifen Worten am Telefon bepöbelte.

Zuletzt Ärger mit dem eigenen Hausverwalter und der Landpolizei an seinem österreichischen Wohnsitz. Pflegt aber eine adlige Rest-Noblesse, indem er selbst bei schlimmsten Schimpftiraden seine Gegner siezt – zuletzt einen Fotografen in Wels: „Hau ab, Sie Schwein“.

Ernst August von Hannover (Archivbild)
Ernst August von Hannover (Archivbild) © IMAGO / localpic

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Das Edel-Groupie des Märchenkönigs

Esperanza Freifrau von Truchseß auf Wetzhausen, geb. de Sarachaga y Lobanow de Rostow (1837 – 1914). Sie kann das Patent auf adlige Schirm-Attacken für sich beanspruchen – sie stürmte nach der Absetzung von König Ludwig II. von Bayern den Landtag in München und ging mit ihrem Regenschirm auf Mitglieder des Kabinetts los.

Zuvor war sie als Edel-Groupie des Märchenkönigs aufgefallen, versuchte stets in seiner Nähe zu sein. Überdies besaß die aus baskischem Adel stammende Frau eines bayerischen Diplomaten ein großes Vermögen und großes soziales Engagement – manche von ihr initiierte Projekte existieren bis heute.

Die Lieblingsnichte von Kaiserin Sisi

Marie Louise Gräfin von Larisch-Wallersee (1858 – 1940), zeitweilige Lieblingsnichte von Kaiserin Sisi – mit filmreifer Lebensgeschichte. Als 11-Jährige in der Gunst von Sisi hoch aufgestiegen, als 30-Jährige tief gefallen – die Kaiserin verübelte, dass Marie Louise die Seitensprünge des Thronfolgers Rudolf (1859 – 1889) gedeckt hatte, die in Suizid endeten.

Nach Sisis Tod klagte sie in Illustrierten ihr Schicksal, spielte in einem „Sisi“-Stummfilm sich selbst. Schließlich fiel sie auf einen Betrüger herein, den sie für einen Millionär hielt und dessentwegen in die USA zog. Larisch starb 1940 völlig verarmt in einem Altenheim ihrer Geburtsstadt Augsburg. Tags drauf kam die Gestapo und nahm ihre Papiere mit.

Marie Louise Gräfin von Wallersee-Larisch war die Nichte der Kaiserin Elisabeth von Österreich.
Marie Louise Gräfin von Wallersee-Larisch war die Nichte der Kaiserin Elisabeth von Österreich. © ullstein bild/Getty Images

Die Jet-Set-Legende

Arndt von Bohlen und Halbach (1938 – 1986), bekannt das der letzte Krupp, sein stets perfektes – und für jedermann gut sichtbares – Make-Up, wenig Interesse am Familienkonzern, dafür aber die Meinungsführerschaft in Sachen Jet-Set. „Eine verkommene Figur – selbst nach meinen bescheidenen Maßstäben“ attestierte ihm sogar „Rolling Stone“ Keith Richard, 79, selbst Großmeister in Sachen Sex, Drugs & Rock’n Roll.

Das dekadente Party-Leben, das er vor allem in seiner Villa in Marrakesch führte, war eine Seite des früh an Mundbodenkrebs verstorbenen Paradiesvogels. Andererseits war er als überaus großzügiger Spender zahlreicher sozialer Projekte bekannt.

Arndt von Bohlen und Halbach, Sohn von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der letzte Vertreter der Krupp-Dynastie, aufgenommen 1984 in München.
Arndt von Bohlen und Halbach, Sohn von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der letzte Vertreter der Krupp-Dynastie, aufgenommen 1984 in München. © picture-alliance/dpa

Der Party-Löwe

Johannes Fürst von Thurn und Taxis (1926 – 1990), Party-Löwe aus Regensburg, in Insider-Kreisen als „Goldie“ bekannt und gefürchtet für seinen schrägen Humor. So beträufelte er teure Pelzmäntel mit Enthaarungs-Gel und setzte heimlich bei einer Party Piranhas in das mit extrem raren und wertvollen Fischen besetzte Aquarium der Gastgeber.

Weltmeister im Geldausgeben, nach seinem Tod musste das Milliarden-Imperium dringend saniert werden – das erledigte Witwe Gloria, 62, mit eiserner Hand. Sie bittet weiterhin Gäste nach Regensburg, darunter auffällig viele ultrakonservative Kleriker und rechte Politiker. Lustiger war es vermutlicher in den großen Zeiten ihres Gatten.

Ein Porträt von Johannes Fürst von Thurn und Taxis.
Ein Porträt von Johannes Fürst von Thurn und Taxis. © Picture Alliance/United Archives

Der Paradiesvogel

Gregor von Rezzori (1914 – 1998), österreichischer Paradiesvogel, Lebemann und Autor mit messerscharfem Verstand und bösem Humor – erst Bergbau-Student, dann Schaufenstergestalter, später Autor, unter anderem für den „Playboy“. Und aus Sicht anderer Adliger ein Nestbeschmutzer.

Spätestens, nachdem er zwei Bücher mit den Titeln „Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft – 1: Hochadel“ und „Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft – 2: Adel“ veröffentlicht hatte. Die Rache der Verspotteten: Sie zweifelten gerne öffentlich an, dass Rezzori überhaupt adlig sei. Juristisch egal, in Österreich sind seit 1920 Adelstitel sowieso verboten.

Gregor von Rezzori war ein österreichischer Autor.
Gregor von Rezzori war ein österreichischer Autor. © Getty Images

Die Ex-Schwiegertochter von Kaiser Wilhelm II.

Marie Auguste Prinzessin von Anhalt (1898 – 1983), Ex-Schwiegertochter von Kaiser Wilhelm II., die als Altersversorgung adoptierte – den Getränkehändler Robert Lichtenberg, 79, seitdem bekannt als „Prinz Frederic von Anhalt“, ehemals Betreiber von Sauna-Clubs, später Ehemann der Hollywood-Diva Zsa Zsa Gabor und Weiter-Adoptierer.

Marie Auguste bekam für die Adoption, drei Jahre vor ihrem Tod, eine Monatsrente von 2000 Mark, vermittelt vom Titelhändler Consul Weyer. Die „echten“ Anhalts haben ihrer Verwandten diesen Schritt bis heute nie verziehen.

Marie Auguste Prinzessin von Anhalt war die Ex-Schwiegertochter von Kaiser Wilhelm II.
Marie Auguste Prinzessin von Anhalt war die Ex-Schwiegertochter von Kaiser Wilhelm II. © imago/Arkivi

Der letzte echte Olympionike

Prinz Hubertus von Hohenlohe, 63, letzter Gralshüter der adligen Playboys – und der letzte echte Olympionike, für den „dabei sein“ alles ist: Fünf Mal startete er für Mexiko bei Olympia im Alpinen Skirennlauf, zuletzt im Alter von 55 Jahren.

Die Medaillen waren stets weit entfernt, dafür brachten ihn die stets selbst designten Rennanzüge in alle Medien – 2015 wurde er mexikanischer Meister, nicht schwer, da er die Titelkämpfe selbst ausrichtete und einziger Starter war. Weitere besondere Kennzeichen: Farbenfrohe Outfits, perfekter Charme und eine beachtliche Karriere als Fotograf.

Hubertus von Hohenlohe bei der Kitz Race Club Party 2018.
Hubertus von Hohenlohe bei der Kitz Race Club Party 2018. © picture alliance / Felix Hörhager/dpa

Das Aushängeschild der DDR-Diplomatie

Ferdinand Graf von Thun und Hohenstein (1921 – 2022), deutsch-nationales Aushängeschild der DDR-Diplomatie. Obwohl seine Mutter sogar eine Prinzessin war, wechselte in der Kriegsgefangenschaft auf die Seite der Sowjets und machte später Karriere in der DDR.

Pankows adliges Aushängeschild genoss einige Privilegien, durfte seinen Titel führen, und war als Mitglied der national getunten Blockpartei NDPD (eine Art NPD-Ost) sogar zeitweilig der einzige Botschafter Ost-Berlins, der nicht der SED angehörte – zuletzt im Iran. Beim Rest des Adels wenig beliebt, mit DDR-Orden überhäuft, wurde er 101 Jahre alt.

Hans M. Bachmayer und Graf Ferdinand von Thun und Hohenstein in München.
Hans M. Bachmayer und Graf Ferdinand von Thun und Hohenstein in München. © imago stock&people

Die Mode-Ikone

Josefine Edle von Krepl, 78, ostdeutsche Mode-Ikone und Alptraum der Staatssicherheit. Die aus österreichischem Adel stammende Josefine eckte in der DDR ständig an: Als Modeschülerin galten ihre Entwürfe zu „westlich“, als Moderedakteurin durfte sie wegen politischer Unzuverlässigkeit nicht ins westliche Ausland.

1980 eröffnete sie in Berlin-Friedrichshain eine eigene Boutique, besorgte sich auf ungewöhnlichen Wegen Stoffe und Materialien, landete einen Riesenerfolg und versetzte die Stasi in Panik. Der Laden wurde ständig überwacht, Wohnung und Telefon verwanzt. Ihr Vermächtnis: eine enorme Sammlung von Vintage-Mode (u. a. das Kleid, das Jackie Kennedy zur Amtseinführung ihres Mannes trug), heute zu sehen im Modemuseum Schloss Meyenburg.

Die Modemuseumsbesitzerin Josefine Edle von Krepl richtet in ihren Ausstellungsräumen im Schloss Meyenburg in Meyenburg (Prignitz) Petticoats der frühen 1960er Jahre.
Die Modemuseumsbesitzerin Josefine Edle von Krepl richtet in ihren Ausstellungsräumen im Schloss Meyenburg in Meyenburg (Prignitz) Petticoats der frühen 1960er Jahre. © picture-alliance/ dpa

Das Ex-RAF-Mitglied

Ekkehard Freiherr von Seckendorff-Gudent, 82, Ex-RAF-Mitglied, später in der DDR untergetaucht und danach Betreiber einer homöopathischen Arztpraxis in Berlin-Lichterfelde. Im Rahmen der Fahndung gegen Mitglieder der RAF omnipräsenter Spross aus fränkischem Adel, der in jedem Postamt, Bahnhof und Amt auf den Fahndungsplakaten zu sehen war.

Nach dem Fall der Mauer festgenommen und vor Gericht freigesprochen – seine Gattin, die RAF-Terroristin Monika Helbing, hatte eine siebenjährige Haftstrafe bekommen. Danach arbeitete er unter seinem echten Namen wieder als Arzt, Helbing unter neuem Namen an einem anderen Ort.

Fahndungsfoto des mutmaßlichen RAF-Terroristen Ekkehard Freiherr von Seckendorff-Gudent. Aufnahme aus den 70er Jahren.
Fahndungsfoto des mutmaßlichen RAF-Terroristen Ekkehard Freiherr von Seckendorff-Gudent. Aufnahme aus den 70er Jahren. © picture-alliance / dpa