Berlin. In seinem aktuellen Podcast schlägt der Virologe Christian Drosten Alarm: Der Anteil der britischen Mutation liegt bei über 90 Prozent.

  • Christian Drosten glaubt daran, dass der Anstieg bei den Neuinfektionen zu stoppen sei
  • Allerdings sei die britische Mutation mittlerweile so dominierend, dass es härtere und schnellere Maßnahmen brauche
  • Drosten kritisierte den bürokratischen Aufwand bei den Maßnahmen der Politik
  • Zudem äußerte er sich über den Impfschutz gegen Mutationen

Seit Wochen steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen. Die Impfkampagne kommt immer wieder durch Lieferschwierigkeiten oder neue Erkenntnisse zu Nebenwirkungen beim Astrazeneca-Vakzin ins Stocken. Auf neue Instrumente zur Bekämpfung der Pandemie kann sich die Politik nicht einigen. Die Lage ist ernst. Das sieht auch Virologe Christian Drosten in seinem aktuellen NDR-Podcast "Coronavirus-Update" so.

Die Vorhersage der Modelle für die dritte Corona-Welle sei leider durch die Natur noch überschritten worden, sagte Drosten. Sie habe früher begonnen als die Modelle das vorausgesagt hätten. Noch in dieser Woche werde die Zahl der Nachweise der britischen Variante B.1.1.7 über 90 Prozent erreichen. „Das ist natürlich alles andere als beruhigend.“

Die Mutation habe einen Anteil von 88 Prozent erreicht, bestätigte das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwochabend mit Verweis auf Tests der vergangenen Woche (22.-28. März) Drostens Befürchtungen.

Gleichzeitig gebe es einen eindeutigen Nachweis, dass die Variante kranker mache als der Wildtyp, warnt der Chef-Virologe der Berliner Charité. Bedeutet: Wer sich mit der Mutante B.1.1.7 infiziert, muss eher ins Krankenhaus und verstirbt auch eher.

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Drosten: Können die dritte Corona-Welle noch aufhalten

Aussichtlos ist der Kampf gegen das Coronavirus dem Wissenschaftler zufolge dennoch nicht: "Natürlich können wir die dritte Welle aufhalten - die Frage ist, mit welchen Maßnahmen und zu welchem Preis", sagte Drosten in der 82. Podcast-Folge. Die Gelegenheit, die Werkzeuge zur Eindämmung der Pandemie zu optimieren, sei jedoch verpasst.

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Ein Grund dafür ist laut Drosten eine "schier undurchdringliche Bürokratie bei der Umsetzung von Maßnahmen". Aber auch, dass sich die Debatte immer weiter von wissenschaftlichen Befunden entferne. Der Virologe spricht sogar von Wissenschaftsleugnung und Argumenten, die die Wahrnehmung verzerren.

Es bleibe nur noch der Holzhammer. Drosten: "Ich glaube, es wird nicht ohne einen neuen Lockdown gehen, um die Dynamik noch einmal zu verzögern."

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Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité.
Christian Drosten, Chef-Virologe der Berliner Charité. © Fabrizio Bensch/Reuters Pool/dpa

Drosten: Kein Modellprojekt hat bisher bewiesen, dass es funktioniert

Eine Verzerrung der Wahrnehmung befürchtet Drosten auch bei den Modellprojekten, die beim letzten Corona-Gipfel von Bund und Ländern beschlossen wurden. Die Bevölkerung könne falsche Vorstellungen bekommen. "Keines der Modellprojekte hat bis jetzt bewiesen, dass das funktioniert."

Gut sei, dass so mehr Tests durchgeführt würden und es positive Effekte für die Wirtschaft gebe. Es fehlten jedoch klare Kriterien zur Überprüfung, beispielsweise des Erfolgs solcher Projekte.

Das ist der Coronavirus-Experte Christian Drosten

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    Die in Südafrika und in Brasilien entdecken Varianten lägen in Deutschland immer noch im Bereich von ein Prozent oder niedriger. „Die haben sich überhaupt nicht vermehrt.“ Beide können dem Immunsystem zum Teil entweichen. Ihr Anteil sei so niedrig, weil es in Deutschland keine Bevölkerungsimmunität gebe. „Diese Varianten kommen nur dann hoch, wenn wir in der Bevölkerung schon eine Immunität haben. Sonst profitieren die nicht von ihren Mutationen.“

    Auch über eine neue Corona-Mutation in Indien sprach der Virologe. Für Drosten jedoch kein Grund zur Beunruhigung. Die jetzigen Impfstoffe könnten an die sogenannten Immun-Escape-Varianten angepasst werden. Mit einem leichten „Impfstoff-Update“ könnten die Hersteller wahrscheinlich dieser und anderen Varianten auf der Welt mit wenig Aufwand etwas entgegensetzen. Die aktuellen Impfstoffe wirkten im Labor auch nicht so gut gegen die südafrikanische und die brasilianische Mutante.

    Drosten: T-Zellen schützen gegen schweren Verlauf

    Drosten nannte jedoch noch einen entscheidenden Sicherheitsfaktor: Die Antikörper, denen die Mutanten entrinnen können, schützen überhaupt gegen die Infektion, die T-Zellen des Immunsystems jedoch gegen einen schweren Verlauf. „Und dieser Schutz gegen den schweren Verlauf ist allemal gegeben durch die jetzigen Impfstoffe.“

    „Es ist nicht zu erwarten, dass wir jetzt irgendwie einen vollkommenen Wirkungsverlust der Impfungen haben oder dass wir einen strategischen Fehler machen, wenn wir die jetzigen Impfstoffe verwenden“, sagte Drosten. „Das heißt dennoch nicht, dass die Impfstoffe nicht verbesserbar sind. Ich rechne damit, dass wir wahrscheinlich so ab Herbst schon die ersten zugelassenen Update-Impfstoffe haben.“

    Dennoch machte der Wissenschaftler in seinem Podcast auch deutlich, dass es nach wie vor Probleme bei der Impfstoff-Verfügbarkeit gebe. Beim Umgang mit der dritten Welle seien die Impfungen daher kein ausreichendes Argument.

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