Berlin. Nur weil Collie, Mops und Co. uns in der Pandemie so gut tun, müssen wir uns doch keinen anschaffen. Die Familie sieht das ganz anders

Er liegt direkt vor der Haustür. Noch frisch, unberührt und makellos; ein Haufen wie auf einem Gemälde. Ich blicke nach rechts, da sehe ich den Urheber: groß, grau-silbernes kurzes Fell und dünn. Ein Weimaraner, google ich auf dem Smartphone. Er tänzelt um die Baumscheibe vor der Haustür, markiert neben meinem Fahrrad sein Revier.

Ich suche so jemanden wie einen Besitzer, eine Besitzerin, und entdecke 50 Meter weiter eine junge Frau in schwarzen Jogging-Pants, zerzaustem Dutt und Sonnenbrille. Mit Lederleine um den Hüften telefoniert sie in das unsichtbare Mikrofon ihrer In-Ear-Kopfhörer. Ihr mutmaßlicher Hund tänzelt weiter, rennt dann voraus, sie schlurft unbeteiligt hinterher, lacht gurrende Laute.

Da kommt der Hundehalter aus dem Vorderhaus mit seinem Zwergdackel vorbei. Er ist empört über den Haufen vor unserer Haustür und zieht, korrekt wie er ist, aus der Tasche seiner kurzen Hose einen Plastikbeutel, geht mit seiner Hand rein und auf den Haufen zu, um ihn vorbildlich zu entsorgen. „Sauerei“, schimpft er. Wir reden noch eine Weile über diese Rücksichtslosigkeit.

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Der Dackel darf auch im Lockdown kurz vor Mitternacht raus

Birgitta Stauber schreibt über Hunde.
Birgitta Stauber schreibt über Hunde. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Während der Krise haben sich ja viele Leute einen Hund zugelegt. Einen Gefährten, der mitkommt ins Grüne. Der auch im härtesten Lockdown den Ausgang garantiert. Der Nachbar jedenfalls schwärmt von dieser Freiheit. Er gehe jede Nacht mit seinem Dackel raus, „immer 23.30“, da sei sein Paule ganz pünktlich. Super Sache, jetzt, da er immer im Homeoffice sei.

Und wenn er wieder ins Büro muss? „Alles geklärt“, sagt der Nachbar, seinen Dackel dürfe er mitbringen. Jeden Tag. Als Bürohund. Er arbeite schließlich in einem coolen Startup, irgendwas Digitales; als er von Migration der Systeme redet, schweifen meine Gedanken ab.

Klar, wenn Arbeitgeber hip sein wollen, dann schreiben sie in die Stellenausschreibung – gleich neben den Benefits wie Obstkorb, Jobticket, Firmenevents und Tischtennisplatte – natürlich dürfe der Hund mit, egal ob Terrier oder Mops.

Und wenn im Büro der Gebirgsschweißhund kläfft?

Ich bin mal gespannt, was Chefs zum Dobermann sagen. Und zum dauer-kläffenden Gebirgsschweißhund. Und ob sie obendrein – wie bei der Einstellung versprochen – das am späten Nachmittag schlecht betreute quengelige Kleinkind ertragen, das keine Lust auf Büro hat, aber Papa oder Mama müssen weiter arbeiten wegen irgendwelcher Fristen.

Ich erinnere mich mit Grauen an Nachmittage in der Redaktion, durch die unser Teenager als Kleinkind tobte – um irgendwann in Dauergeheule auszubrechen, weil es nach Hause wollte. Von Konzentration meinerseits konnte keine Rede sein. Diese Versuche mit Kind im Büro endeten stets mit totaler Erschöpfung aller Beteiligten, Kolleginnen und Kollegen eingeschlossen.

In Corona-Zeiten ist das Zuhause ja das Büro. Bei uns kommt gern die Studi-Tochter vorbei, sie schaut dann im Kühlschrank, ob sie noch ein Stück Quiche oder sowas findet und streitet mit dem Teenie-Kind um den Platz auf dem Balkontisch. „Ich brauche auch Sonne“, sagt sie an diesem Frühsommertag, klappt den Laptop auf und startet einen Videocall mit dem Bruder in der fernen Stadt.

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Einen Jack Russel? Wieso denn das?

Es klingt nach Diskussion, ich kann nicht anders und höre zu: Die Kinder wollen einen Hund. Genauer: Sie wollen, dass wir Eltern uns einen anschaffen. „Den könnt Ihr mit zum Joggen nehmen“, sagt der Sohn und verspricht, sich zu kümmern, wenn er zufällig in Berlin ist. Er schlägt einen Border Collie vor.

Viel zu groß, sagt das Teenie-Kind. Es wurde mal von einem Golden Retriever umgeworfen und hat Respekt vor allem, was vier Beine hat. Viel zu viel Fell, sagt unsere Studentin, die es mit der Hygiene äußerst genau nimmt. Und: „Wer macht den täglichen Riesen-Haufen weg?“ Dann redet auch noch der Gatte mit. „Ich hätte gern einen Jack Russel“, sagt er. „Er soll Frodo heißen“. Es gibt einfach Familiendebatten, die hören nie auf.

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