Berlin. Kurz vor Weihnachten musste Thomas Goebel seinen Salon in Berlin schließen. Mit jedem Tag wird die Not größer.

  • Wie geht es für Deutschlands Friseur-Branche weiter? Seit Wochen sind die Läden geschlossen
  • Zehntausende Mitarbeiter sind betroffen. Es geht um die Existenz, wie auch Saloninhaber Thomas Goebel aus Berlin schildert
  • Wann können Friseure wieder öffnen? Aus der Politik gibt es leichte Signale

Sechs Wochen, dann ginge gar nichts mehr. “Aber daran denke ich nicht“, sagt Thomas Goebel. Aufgeben sei keine Option. Goebel hat sich vor drei Jahren mit einem Friseursalon in Berlin selbstständig gemacht. Das Geschäft lief gut, Termine waren ausgebucht. Dann kam Corona.

Goebel leitet einen von insgesamt 80.000 Friseurläden in Deutschland. Viele von ihnen fürchten um die Existenz. Am Dienstag sendete die Branche einen dramatischen Hilferuf. "Es sind alle Rücklagen aufgebraucht, teilweise auch die Altersvorsorge – es geht um Existenzen", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer. Lesen Sie hier: Wann öffnen Friseure in Deutschland wieder?

Friseure wegen Corona geschlossen – 240.000 Mitarbeitende betroffen

240.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt Deutschlands Friseurbranche, vier davon arbeiten im Salon Stilmonopol im Berliner Bezirk Friedrichshain. Ihr Chef, der 34-jährige vor rund zehn Jahren aus Würzburg nach Berlin gezogene Bayer, fühlt sich allein gelassen – und das liegt nicht an der fehlenden Kundschaft, sagt er. Goebel ist sauer, auf die Politik.

Über den Sommer habe die Regierung versäumt, Pläne für den Winter zu erarbeiten, kritisiert er. Stattdessen seien Hoffnungen geschürt worden, dass am Ende Masken und Hygienekonzepte allein ausreichen würden, um einen zweiten harten Lockdown zu verhindern. Goebel würde sich klare Ansagen und mehr Hilfe von der Politik wünschen. „Auch wenn es krass klingt“, sagt Goebel und überlegt kurz, „aber da werfe ich der Regierung Versagen vor“.

Vor drei Jahren hat Goebel sein Geschäft im Berliner Bezirk Friedrichshain eröffnet.
Vor drei Jahren hat Goebel sein Geschäft im Berliner Bezirk Friedrichshain eröffnet.

Kurz vor Weihnachten musste sein Laden schließen. Geld hat er bislang keins gesehen, und mit jedem Tag werden die Schulden und auch die Ungewissheit größer. Monatlichen Fixkosten von 10.000 Euro stehen null Euro auf der Einnahmenseite gegenüber. „Ich werde da mit einem riesigen Schuldenberg rauskommen“, steht für Goebel jetzt schon fest.

Langsame Auszahlung der Corona-Hilfen

Als sich die Regierung nach dem gescheiterten Lockdown „light“ im Herbst kurz vor Weihnachten angesichts teils explosionsartig-gestiegener Corona-Zahlen für einen harten Lockdown entschied, versprach sie den Inhabern der zum zweiten Mal geschlossenen Geschäfte schnelle Hilfen. Ein Versprechen, das der Staat angesichts des gewaltigen Bürokratieaufwandes bisher nicht imstande war, einzulösen.

Nach aktuellen Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums, die unserer Redaktion vorliegen, sind noch nicht mal die Zahlungen für die Novemberhilfe vollständig abgeschlossen. Erst 2,7 von insgesamt 4,9 Milliarden Euro wurden ausgezahlt (Stand 29. Januar). Im Dezember sieht es ähnlich aus: Erst 1,4 von 3,9 Milliarden Euro wurden dort ausgezahlt – das ist nicht einmal die Hälfte der beantragten Hilfen.

Friseure bekommen keine Corona-Hilfen für Dezember

Von dem Geld wird Goebel sowieso nichts sehen. Anspruch auf die Dezemberhilfen haben Deutschlands Friseure keinen, weil sie den halben Dezember noch arbeiten konnten. Und so muss Goebel erstmal alles selbst bezahlen: Miete, Löhne, Abgaben. Zwar bekomme er einiges von dem Geld, was er jetzt auslegt, später zurück – auf den meisten Kosten und Umsatzeinbußen wird er aber sitzen bleiben.

Das liegt auch daran, dass die „Überbrückungshilfe III“ ziemlich spärlich ausfällt. Anders als noch November- und Novemberhilfen orientiert sich die Januarhilfe nicht am Vorjahresumsatz, sondern an den Fixkosten.

Um seinen Mitarbeitern den Lohn zahlen zu können, musste er seinen privaten Dispokredit erhöhen.
Um seinen Mitarbeitern den Lohn zahlen zu können, musste er seinen privaten Dispokredit erhöhen.

Handwerkskammerpräsident Wollseifer kalkulierte am Dienstag, was das neue Hilfsprogramm bedeuten würde: Bei einem beispielhaften Betrieb würde die Januarhilfe im Zeitraum Dezember bis Februar nur 16 Prozent des Umsatzes im Vorjahreszeitraum ausmachen. Auch bei Goebel sieht das ähnlich aus.

Erst kürzlich musste er den Dispokredit seines Girokontos auf 15.000 Euro erhöhen, damit er seinen Mitarbeitern den Lohn für Januar überweisen konnte. Das Jobcenter zahlt das Kurzarbeitergeld nämlich nicht direkt an die Angestellten, sondern rückwirkend an den Arbeitgeber. Die Anträge muss er dafür jeden Monat einzeln stellen. Inzwischen hat er fast so viele Schulden wie vor drei Jahren, als er den Laden eröffnete. „Ich hätte in ein paar Monaten alles abbezahlt.“

Natürlich versuche er gewisse Forderungen aufzuschieben, doch in vielen Fällen scheitert der Friseur. Als er den Vermieter seines Ladens fragt, ob er seine Miete stunden könne, lehnt der mit Verweis auf die vermeintlich zahlreichen und großzügigen Staatshilfen ab.

Vier Friseure arbeiten in Goebels Salon Stilmonopol - wäre da nicht Corona.
Vier Friseure arbeiten in Goebels Salon Stilmonopol - wäre da nicht Corona.

Corona-Lockdown: Wann öffnen Friseure wieder?

Sein Problem ist: Die Hilfen für Januar lassen sich erst im Februar beantragen. Und beim Finanzamt müsse man noch nicht einmal über Stundung nachdenken, sagt Goebel genervt. Wann er wieder aufmachen kann, ist ungewiss. Zwar sinken die Zahlen, aber noch liegt die Inzidenz in Deutschland mit 91 Fällen pro 100.000 Einwohner weit über der von der Politik anvisierten Inzidenz-Schwelle von 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Erst dann könne man über Lockerungen diskutieren. An welcher Stelle dann Friseure stehen, ist unklar. Goebel hofft auf eine baldige Öffnung. „Ich will einfach wieder arbeiten!“, sagt er.

Und dann hat der 34-Jährige noch ein eigenes Leben, eine Wohnung und private Rechnungen. Als Unternehmer ist er darauf angewiesen, dass der Friseurladen am Ende jedes Monats so viel abwirft, dass er die auch bezahlen kann.

Zur Sicherheit beantragt Goebel jetzt schon mal Hartz IV. „Und wenn dann nichts mehr geht“, sagt er und hält kurz inne. „Dann geht halt nichts mehr.“