Bad Oeynhausen. Der Fall Lügde hat die Aufmerksamkeit der Behörden auf alte Fälle gelenkt. In einem Fall konnte die Polizei nun eine Festnahme melden.

Wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch und des Besitzes von Kinderpornografie sitzt ein 60 Jahre alter Physiotherapeut und Heilpraktiker aus Bad Oeynhausen in Untersuchungshaft. Der Fall wurde bekannt, weil Ermittler in Nordrhein-Westfalen nach dem Fall von Kindesmissbrauch in Lügde noch einmal alte Fälle aufgerollt haben.

Dabei ist die Polizei auf den Mann aus Bad Oeynhausen aufmerksam geworden. Er soll bei Behandlungen von mindestens zwei Kindern pornografische Fotos aufgenommen haben. Er selbst soll zudem weitere kinderpornografische Bilder besessen haben.

In den Ermittlungen hat es laut Innenminister Herbert Reul (CDU) einen „klaren Fehler“ der Polizei gegeben. Laut dem Manuskript für einen mündlichen Bericht Reuls im Innenausschuss hätte der Fall „höher priorisiert“ werden müssen, da der Verdächtige als Kinder- und Jugendtherapeut „freien Zugang zu Kindern und Jugendlichen“ gehabt habe.

Mit Fall 80 Ermittler beschäftigt

Der Fall lag laut Reul seit November 2017 bei der Kripo Minden-Lübbecke. Erst am 8. März diesen Jahres sei es zu einer Durchsuchung gekommen, seit dem 29. März sitze der Mann in Untersuchungshaft. Die „BILD-Zeitung“ hatte online zuerst über die Verzögerung berichtet. Laut Reul gebe es bisher eine „mittlere einstellige Zahl von Opfern“. Es sei „aber nicht auszuschließen, dass es noch weitere Opfer gibt, möglicherweise sogar viele“, so der Minister weiter. Mit dem Fall seien jetzt 80 Ermittler beschäftigt.

Der Mann befinde sich wegen Wiederholungsgefahr seit vergangener Woche in Untersuchungshaft, teilte die Polizei Dortmund am Donnerstag mit. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen den Mann wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Spezialisierte Ermittler und Opferschutzbeauftragte des Polizeipräsidiums Dortmund unterstützten die Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke nun bei den Ermittlungen, so die Polizei.

Aufmerksamkeit im Fall Lügde brachte auch Informationen zu Bad Oeynhausen

Die Aussagen der Polizei zur Wiederholungsgefahr wirken vor dem Hintergrund eines Zeitungsberichtes zu dem Fall überraschend. Denn wie die „Bild“-Zeitung berichtet, sollen Ermittler schon im Oktober 2017 auf den Physiotherapeuten aufmerksam geworden sein.

Angeblich sei während der Ermittlungen ein Durchsuchungsbeschluss sogar abgelaufen, weil die Polizei es versäumte, den Verdächtigen in seiner Praxis und nicht bloß zu Hause aufzusuchen. Eine neue Wendung haben der Fall erst nach den Ereignissen rund um den Missbrauchsfall auf einem Campingplatz in Lügde erhalten. Denn nach dem Vorfall wurden in Nordrhein-Westfalen auch ältere Fälle neu beleuchtet.

Die Zahl der Opfer in Lügde stieg auf 34 – ein Beamter wurde suspendiert. Die Polizei stand nach dem Horror von Lügde wieder am Anfang: Erneut wurde das Gelände rund um den Tatort durchsucht. Die Frage, die bei dem Hundertfachen Missbrauch konstant mitschwingt: Warum schauten so viele nicht hin? (dpa/ac)

Bericht „Bild“ zum Fall Bad Oeynhausen.