Berlin. Herzmuskelentzündungen nach Biontech und Moderna-Impfungen sind selten. Die Nebenwirkung tritt am häufigsten bei jungen Männern auf.

  • Es gibt Berichte, dass nach der Corona-Impfung mit Biontech oder Moderna Herzmuskelentzündungen auftreten
  • Forscher aus den USA und aus Israel halten einen Zusammenhang zwischen der Impfung und den Myokarditis-Fällen für wahrscheinlich
  • Die US-amerikanischen Arzneimittelbehörde warnt vor den seltenen Fällen - allerdings macht die Behörde auch deutlich, dass die Vorteile der Impfung überwiegen

Eigentlich zählen die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna zu den beliebteren Vakzinen - unter anderem wegen geringerer Nebenwirkungen bei hohem Schutz vor Covid-19. Doch seit Ende April gibt es immer wieder Berichte über Herzmuskelentzündungen, die nach einer Corona-Impfung mit den Impfstoffen von Biontech und Moderna aufgetreten waren.

US-Experten halten nun einen Zusammenhang von Herzmuskelentzündungen mit der Corona-Impfung für „wahrscheinlich“. Diesen Schluss lege die bisherige Datenlage nahe, hieß es bei einer Präsentation in einer von der US-Gesundheitsbehörde CDC einberufenen Expertengruppe.

Daher werde nun die US-amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) bei den von Pfizer/Biontech und Moderna hergestellten Impfstoffe vor seltenen Fällen von Herzentzündungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen warnen, teilte die Agentur am Mittwoch mit.

Die Vorteile einer Corona-Impfung würden die Risiken aber „deutlich überwiegen“. Die Experten prüften zuvor den Verdacht, dass die mRNA-Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna bei jungen Menschen vereinzelt eine Entzündung des Herzmuskels (Myokarditis) oder des Herzbeutels (Perikarditis) verursachen können. Dazu werteten sie Daten zu mehr als 300 bestätigten Myokarditis-Fällen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus, die kurz zuvor mit einem mRNA-Vakzin gegen Corona geimpft worden waren.

Herzmuskelentzündung nach Biontech: Vor allem junge Männer betroffen

Bis zum 11. Juni wurde in den USA bei 323 Patienten im Alter von unter 30 Jahren nach einer Corona-Impfung eine Myokarditis oder eine Perikarditis diagnostiziert. Dem stehen mehr als 50 Millionen Impfdosen gegenüber, die bis dahin an 12- bis 29-Jährige verabreicht wurden.

Zuvor hatten Experten in Israel die dort aufgetretenen Fälle von Myokarditis geprüft, die in zeitlicher Nähe zu Impfungen aufgetreten waren. Auch die israelischen Forscher halten eine Verbindung zwischen den mRNA-Vakzinen, vor allem der zweiten Dosis, mit einer Herzmuskelentzündung für wahrscheinlich. Nach Untersuchung von 275 Fällen von Myokarditis zwischen Dezember 2020 und April 2021 kam das Expertenteam zu dieser Schlussfolgerung. In Israel wurde vor allem der Impfstoff von Biontech/Pfizer eingesetzt.

Etwa die Hälfte der Myokarditis-Patienten litten den Angaben zufolge an Vorerkrankungen. Die Experten stellten fest, die Erkrankung betreffe insbesondere jüngere Männer im Alter von 16 bis 30 Jahren, vor allem im Alter von 16 bis 19 Jahren. In 95 Prozent der Fälle handele es sich aber um eine leichte Erkrankung, die binnen weniger Tage vorbeigehe.

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Im Sicherheitsbericht zu Covid-19-Impfstoffen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 7. Mai heißt es, auf der Basis der vorhandenen Daten aus Deutschland sei „kein Risikosignal“ in Bezug auf Herzmuskelentzündungen zu sehen. Man werde Berichte darüber weiter überwachen und untersuchen. Eine PEI-Sprecherin erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, für den bevorstehenden Sicherheitsbericht würden gerade neue Informationen verarbeitet, die von Experten der Arzneimittelsicherheit noch verifiziert würden. „Hier ist die Datenauswertung noch unvollständig.“

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Deutscher Experte nicht beunruhigt

Die Berichte über Herzmuskelentzündungen in Zusammenhang mit den Impfungen sind aus Sicht eines deutschen Experten wenig überraschend und sollten für Geimpfte kein Grund zur Sorge sein. Der Kardiologe und Pharmakologe Thomas Meinertz betont, dass solche Entzündungen meist von allein ausheilten, nur wenige Patienten behielten Leistungseinschränkungen zurück. „Das kommt nicht unerwartet und beunruhigt mich nicht. Es geht um wenige Hundert Fälle einer Erkrankung mit meist mildem Verlauf bei insgesamt mehr als fünf Millionen Geimpften“, sagt Meinertz auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Von anderen Impfungen sei bekannt, dass danach in seltenen Fällen Herzmuskelentzündungen auftreten könnten, ausgelöst durch eine überschießende Immunreaktion. Ob es sich bei den Fällen in Israel um eine solche Reaktion handelt, ist aber noch völlig offen. Meinertz weist auch auf die geschärfte Selbstwahrnehmung vieler Menschen nach einer Impfung hin. „Viele Patienten haben eine Erwartungshaltung und berichten dann zum Beispiel von Herzrhythmusstörungen“. Dabei handle es sich um das normale Grundrauschen, das nun bemerkt wird.

Die Erkrankung sei ohnehin bei Jüngeren häufiger als bei Älteren - und einen Beleg, dass sie nun tatsächlich bei Geimpften häufiger auftritt als eigentlich zu erwarten wäre, sieht Meinertz noch nicht. Eine Myokarditis könne nur mit einer Biopsie des Herzmuskels sicher diagnostiziert werden, sagte er. Bei den meist leichten Fällen in Israel sei sie suggestiv diagnostiziert worden, zum Beispiel anhand von Beschwerden wie Brustschmerz, mit Echokardiogramm, Laborwerten, mittels MRT oder EKG. „Das EKG gibt nur einen Hinweis.“

Ursache für Myokarditis meist eine Infektion

Bei einer Myokarditis entzünden sich Zellen im Muskelgewebe des Herzens. Ursache ist in der Regel eine Infektion mit Bakterien oder Viren, besonders häufig tritt sie nach einer verschleppten Grippe auf.

Zwar heilt die Erkrankung in der Regel wieder ab, doch bei einigen Betroffenen kann es zu Langzeitschäden wie einer bleibenden Herzschwäche kommen. In seltenen Fällen kann eine Myokarditis auch eine nicht infektiöse Ursache haben, heißt es bei der Deutschen Herzstiftung. Eine mögliche Erklärung dafür könnten Autoimmunerkrankungen sein.

Verschiedene Impfungen können Herzmuskelentzündung auslösen

Der Kardiologe Professor Dirk Westermann hatte auf die dünne Datenlage hingewiesen: „Eine seriöse wissenschaftliche Betrachtung kann man derzeit auf Grundlage der bekannten Daten nicht treffen“, sagte der stellvertretende Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Dass eine Impfung eine Myokarditis auslösen könne, sei grundsätzlich bekannt, sagte Westermann. Etwa bei der Pockenimpfung.

Westermann sah jedoch aus kardiologischer Sicht Stand Ende April keinen Grund zur Besorgnis: „Die Häufigkeit des Auftretens mit 62 Fällen auf fünf Millionen Geimpfte wäre prinzipiell mit dem generellen Auftreten der Erkrankung erklärbar“, sagte Westermann.

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Erkrankung tritt bei 10 bis 20 Menschen pro 100.000 auf

In der Normalbevölkerung tritt eine Herzmuskelentzündung bei 10 bis 20 Menschen pro 100.000 auf. Der Kardiologe betonte: „Die Myokarditis ist eher eine Erkrankung der Jüngeren. Ein gehäuftes Auftreten bei den unter 30-Jährigen muss also nicht ungewöhnlich sein.“

Auch eine Sprecherin des israelischen Gesundheitsministeriums verwies darauf, dass die Analyse „keinen eindeutigen Anstieg der Sterblichkeit wegen der Impfung zeigt“. Und es sei auch nicht sicher, dass es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg der Zahl von Herzmuskelentzündungen gebe.(lary/bef/dpa)