Neu-Delhi/New York. Das Strafmaß für Harvey Weinstein steht fest. Der frühere Filmproduzent wurde zu 23 Jahren Haft verurteilt. Ein wegweisendes Strafmaß.

Arthur Aidala, einer der vielen Anwälte des Mannes, der am Mittwoch den größten Filmriss seiner in Schande geendeten Karriere erlebte, hatte seit Tagen ein schlechtes Gefühl. „Ich kann nicht sagen, dass ich optimistisch bin”, sagte der Rechtsvertreter von Harvey Weinstein. Der Ex-Hollywood-Mogul war Ende Februar der Vergewaltigung und schweren sexuellen Nötigung in zwei Fällen für schuldig gesprochen worden. Aidala lag richtig.

Im Spektrum von vier bis 29 Jahren, die das Strafgesetzbuch im US-Bundesstaat New York für diese Taten vorsieht, landete der Macher von „Pulp Fiction” und anderen Kassenschlagern durch Richter James Burke im ersten großen Prozess des #MeToo-Zeitalters mit 23 Jahren Freiheitsstrafe im oberen Drittel. Hat das Urteil in der Revision Bestand, wäre Weinstein bei seiner Freilassung 91 Jahre alt.

Harvey Weinstein – so reagierte er auf das Urteil

Der 67-Jährige nahm den Richterspruch mit stiller Erschütterung auf. Er sei „verwirrt” über die Vorwürfe, sagte er bei seinem überraschenden Schlusswort, das auch eine kurze Entschuldigung bei den hinter ihm sitzenden Opfern beinhaltete. Weinstein wirkte angeschlagen. Nach dem Urteil hatte er wegen Herzbeschwerden einen Stent eingesetzt bekommen. Im Gefängnis „Rikers Island”, wohin er später verlegt worden war, erlitt er bei einem Sturz Kopfverletzungen.

Die Anklage verlangte von Richter Burke ein Urteil mit „abschreckender Wirkung”. In einem Brief hatten die Staatsanwältinnen um Joan Illuzzi das Sündenregister Weinsteins aufgelistet, der über 100 Frauen sexuell bedrängt oder missbraucht haben soll. Als Lockmittel setzte er seine mächtige Position in der Filmindustrie ein.

Das Strafmaß müsse die „Schwere der Taten” gegen Miriam Haley und Jessica Mann sowie Weinsteins „vollständig fehlende Reue” berücksichtigen, betonte Illuzzi. Die beiden Frauen erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie „mental und emotional” womöglich irreparabel geschädigt seien. „Ich bin froh, dass er nicht mehr da draußen ist”, sagte Jessica Mann.

Bob Weinstein wünscht seinen Bruder „zur Hölle“

Die Anwälte des Multimillionärs, der anderen Opfern in einem zivilrechtlichen Vergleich über seine Versicherungen 25 Millionen Dollar Entschädigung zahlen ließ, beanstandeten, dass der Prozess Weinstein nicht fair porträtiert habe. Seine „bemerkenswerten Leistungen“ dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Ihr Fazit: Selbst fünf Jahre Haft seien angesichts des fragilen Gesundheitszustandes ihre Mandanten zu viel.

Burke ignorierte die Argumentation und folgte der Anklage, die das Strafmaß als „Schritt zur späten Gerechtigkeit” bezeichnete – und als Warnung an andere Männer, die im Spannungsfeld zwischen Macht und Sexualität auf kriminelle Weise Grenzen überschreiten. Dass dies bei Weinstein der Fall war, hatte ein Familienmitglied in erst am Mittwoch bekannt gewordenen E-Mails bereits 2017 bestätigt. Bob Weinstein wünschte seinen Bruder darin „zur Hölle”.

Weinstein suchte sich psychologische Hilfe

Um sich auf die Zeit im Gefängnis psychologisch vorzubereiten, hat Weinstein Craig Rothfeld angestellt. Früher selbst Häftling gewesen, berät der Unternehmer mit seiner Firma „Drinnen/Draußen” zahlungskräftige Verurteilte, um hinter Gittern zu bestehen. Rothfelds Prognose für den Ex-Filmemacher, der bei prominenten Bekannten wie Amazon-Chef Jeff Bezos und Apple-Boss Tim Cook Beistand suchte: „Es wird schrecklich.”

Mit dem Urteil in New York ist der Fall Weinstein nicht abgeschlossen. In Los Angeles wurde er ebenfalls wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt. Dort steht ein Prozesstermin noch aus.

MeToo-Debatte – Mehr zum Thema

Im Laufe der MeToo-Debatte haben unzählige Frauen über ihre Erfahrungen mit Gewalt und Sexismus berichtet. Auch Natalia Wörner sagte, dass ihr „Sexismus begegnet“ ist. Jürgen von der Lippe hingegen machte deutlich, was ihn an der MeToo-Debatte stört. (dpa/afp/les)