Rom. Vor zehn Jahren steuerte der Kapitän die Costa Concordia gegen einen Felsen. Jetzt darf der Antiheld die Haftanstalt verlassen.

Weltweit ist er als "Kapitän Feigling" bekannt. Vor zehn Jahren hatte Schiffskapitän Francesco Schettino das Kreuzfahrtschiff mit 4229 Menschen an Bord – 3216 Passagieren und 1013 Crewmitgliedern – vor der Insel Giglio vor der toskanischen Küste gegen einen Felsen gesteuert. Der Rumpf wurde aufgeschlitzt, das Schiff geriet in starke Schräglage und blieb auf einem Felssockel liegen. 32 Personen kamen ums Leben, darunter 12 Deutsche.

Schettino wurde 2017 am Ende eines Verfahrens in drei Instanzen wegen fahrlässiger Tötung zu 16 Jahren Haft verurteilt. Er habe alle Sicherheitsregeln missachtet und das Schiff zu nahe an die Felsen vor der toskanischen Insel Giglio geführt.

Nach der Havarie hatte er das Schiff als einer der ersten mit einem Rettungsboot verlassen, obwohl sich noch mindestens 2000 Menschen an Bord befanden. Schettino wurde zum Antihelden Italiens, zum Symbol von eklatantem Führungsversagen und totalem Mangel an Verantwortungsbewusstsein.

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"Kapitän Feigling": Antrag auf Neuaufrollung des Prozesses gescheitert

Seit der Inhaftierung sitzt der 61-jährige Schettino in der römischen Hochsicherheitsanstalt in Rebibbia. In Haft studierte er Jura und Journalismus. Mit einem Antrag auf Neuaufrollung seines Prozesses vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg scheiterte er.

Jetzt sieht Schettino Licht am Ende des Tunnels. Von nun an darf er zeitweise das Gefängnis verlassen, um außerhalb der Gefängnismauern einer gemeinnützigen Arbeit nachzugehen. So darf er tagsüber hinaus, beschlossen die Richter, da Schettino die Frist für den Zugang zu alternativen Haftmaßnahmen erreicht hat.

Der neue Auftrag für Schettino, der bereits seit Jahren in dem römischen Gefängnis intern gemeinnützige Arbeit leistet, kommt von der Anstaltsleitung: Er soll Akten von Prozessen digitalisieren, die im Staatsarchiv liegen.

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"Kapitän Feigling": Schuldgeständnis kam spät

Bis zum Schluss wollte der Kapitän kaum Fehler zugeben. Fast fünfeinhalb Jahre lang sah er sich selbst als Sündenbock und Unschuldslamm und sorgte immer wieder mit abstrusen Ausreden für Aufsehen.

Nach der letztinstanzlichen Verurteilung musste er jedoch wohl oder übel kapitulieren. Hinter Gittern schreibt für die Zeitung der römischen Strafanstalt und widmet sich auch der Meditation. "Ohne Meditation hätte ich es hier nicht ausgehalten", berichtete Schettino seinem Verteidiger.

Dass Schettino von nun an tagsüber die Haftanstalt verlassen darf, wurde vom Bürgermeister der Insel Giglio, Sergio Ortelli, begrüßt. Ortelli war bereits in der Unglücksnacht Bürgermeister der Insel im toskanischen Archipel. Er hatte die Kirche, das Rathaus und alle Hotels der Insel öffnen lassen, um die Passagiere der Costa Concordia unterzubringen.

"Wenn vorgesehen ist, dass Schettino eine Arbeit außerhalb der Gefängnismauern verrichten darf, warum sollte ich mich dagegen wehren? Wenn es für die Richter ausreichend war, dass er seine Strafe verbüßt hat und er sie noch weiterhin außerhalb des Gefängnisses verbüßt, akzeptiere ich dies. Natürlich hätte ich es aber gern gesehen, wenn Kommandant Schettino seine Verantwortung ehrlich zugeben würde", meinte Ortelli.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.