Berlin. Sexistischer Witz oder unglückliche Formulierung? FDP-Chef Lindner steckt seit seiner Abschiedsrede für Teuteberg in Erklärungsnot.

Die Verharmlosungsstrategie nach sexistischen Entgleisungen ist altbekannt: Jemand verhält sich übergriffig, kassiert Kritik – und will es am Ende bloß „nett gemeint“ haben. So auch FDP-Chef Christian Lindner, der mit einer grenzüberschreitenden Bemerkung auf Kosten der ehemaligen Generalsekretärin Linda Teuteberg nach eigenen Aussagen nur den Bundesparteitag „auflockern“ wollte. Ein Video von 2017 zeigt allerdings: Lindners Altherrenwitz war kein einmaliger Ausrutscher.

„Ich denke gerne daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300 Mal, ich hab’ mal so grob überschlagen, ungefähr 300 Mal den Tag zusammen begonnen haben“, hatte der FDP-Vorsitzende auf dem Parteitag am Samstag die Generalsekretärin verabschiedet. Unter Gelächter des Publikums erklärte er weiter: „Ich spreche über unser tägliches, morgendliches Telefonat zur politischen Lage. Nicht was ihr jetzt denkt.“

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Nach massiver Kritik erklärte Lindner am Montag in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv, dass die Bemerkung in freier Rede entstanden und anschließend aufgegriffen und missverstanden worden sei – „eine missglückte Formulierung also, die eingeladen hat zu allen möglichen Spekulationen“. Sollten sich Teuteberg oder andere dadurch „beschwert fühlen“, entschuldige er sich. Er habe nur die Situation auflockern wollen.

Kommentar: Es ist wichtig, dass Lindner der Sexismus um Ohren fliegt

Lindner-Rede von 2017: „Wach geworden mit Claudia Roth“

Nur ein Fauxpas während der freien Rede also? Wer sich das auf Twitter verbreitete drei Jahre alte Video einer FDP-Veranstaltung im Rheinisch-Bergischen Kreis anschaut, erlebt ein Déjà-vu: Wie dieser eine Onkel, der jedes Weihnachtsfest die Runde zu fortgeschrittener Stunde mit demselben unangemessenen Witz nervt, will Lindner in seiner Rede schon wieder eindeutig – hihi – zweideutig den Tag mit einer Frau begonnen haben. Dieses Mal mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags.

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„Ich bin heute morgen wach geworden mit Claudia Roth“, verkündet Lindner darin hemdsärmelig und schiebt wie ein Stand-Up-Comedy-Debütant auf dem Schützenfest eine Kunstpause hinterher. Es folgt heiteres Gelächter beim FDP-Publikum. „Entschuldigen Sie, ich habe gesagt, ähm, mit, nicht neben“, schiebt er hinterher, um kichernd aufzuklären, dass Roth an dem Morgen dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben habe.

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„Missverständliche Formulierung“: Lindner bittet um Nachsicht

In einem Tweet bat Lindner in der Causa Teuteberg bereits am Samstag „um Nachsicht“: Er habe gar keinen Witz machen wollen, das Lachen habe ihn irritiert, es habe sich um eine „missverständlichen Formulierung“ gehandelt. Dass Lindner bei seiner Rede von 2017 aber exakt in dieselbe dröge Trickkiste gegriffen hat, lässt große Zweifel an diesem Erklärungsversuch aufkommen.

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Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer schrieb auf Twitter beispielsweise in Anspielung auf das Motto des FDP-Parteitags: „#MissionAltherrenwitz statt #MissionAufbruch.“ Renate Künast hat für die Lindner-Rede nur drei deutliche Worte übrig: „Ist das schrecklich!!!“

(mit dpa)