Berlin . Laut dem Virologe Christian Drosten könnten die Corona-Impfungen schneller laufen. Zum Astrazeneca-Impfstoff hat er eine klare Meinung.

  • In seinem Corona-Podcast vor zwei Wochen sprach Christian Drosten über das schleppende Impftempo in Deutschland
  • Der Virologe widersprach einer gängigen Einschätzung zu Astrazeneca - allerdings war das bevor Deutschland die Impfung mit dem Impfstoff am Montag stoppte
  • Auch Thema: Die Verbreitung der britischen Mutation in Deutschland
  • An diesem Dienstag erscheint ein neuer Podcast mit Drosten

Christian Drosten hat sich in seinem Podcast Mitte Februar mit der Frage beschäftigt: Lockerungen trotz sich weiter ausbreitender Corona-Mutationen?

"Anteilsmäßig ist B.1.1.7 nicht aufzuhalten. Ich gehe davon aus, dass es bei den neuen Fallzahlen die Hälfte ausmacht", sagte der Virologe zur erstmals in Großbritannien festgestellten Variante des Coronavirus.

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Corona: England als Vorbild für Deutschland?

In England sei die Variante bereits vollkommen dominant. "Dort bekommt man die Inzidenz aber auch gesenkt", so Drosten. Was aber daran liege, dass die Maßnahmen stärker als in Deutschland seien. "Dort gibt es eine Stay-at-Home-Order, und man muss schon gute Gründe vorweisen, wenn man das Haus verlassen will", erläuterte Drosten. Lesen Sie hier: Symptome und Verlauf der britischen Virus-Mutation.

Neue Coronavirus-Varianten: Sind die Mutationen gefährlich?

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    Aber auch in England stehen Lockerungen des Lockdowns bevor. Premierminister Boris Johnson ging sogar schon so weit, England als Austragunsort für die Fußball-Europameisterschaft anzubieten. Doch wenn dort nun die Schulen geöffnet werden würden, "wird man auch in England sehen, dass die Inzidenz wieder ansteigt", sagte Drosten. Es sei berechtigt, dass Maßnahmen gelockert würden, fuhr Drosten auch mit Blick auf Deutschland fort. "Aber man muss dann auch neutral sagen, dass die Inzidenz steigen wird."

    Drosten verwies auf Modellierungen aus denen hervorgehe, dass bis Ende März keine Lockerungen in Kraft treten sollten. Ansonsten könnten im Mai die Intensivstationen in Deutschland wieder hohen Belastungen ausgesetzt sein. In England hingegen besteht der Vorteil, dass die Impfkampagne viel weiter vorangeschritten ist, als auf dem europäischen Festland. Was machen die Briten im Vergleich zu Deutschland besser?

    In England sei die Sondersituation von allen zuständigen Behörden als solche anerkannt worden, erläuterte Drosten. Daher habe man dort auch beschlossen, mit dem Impfstoff "aus allen Rohren zu schießen".

    Lesen Sie hier: Welche Länder die Corona-Impfung mit Astrazeneca gestoppt haben - und welche nicht.

    Der Virologe Christian Drosten ist einer der bekanntesten Experten in der Corona-Pandemie.
    Der Virologe Christian Drosten ist einer der bekanntesten Experten in der Corona-Pandemie. © imago images/IPON | imago images/IPON

    Drosten: Ablehnung von Astrazeneca-Impfstoff ist gar nicht so groß

    Das zu langsame Impftempo in Deutschland liegt aus Sicht des Virologen nicht an der Ablehnung des Astrazeneca-Impfstoffs durch viele Menschen. Diese sei seinen persönlichen Erfahrungen nach gar nicht so groß, wie häufig angenommen.

    Lesen Sie dazu: Corona-Impfung mit Astrazeneca in Deutschland ausgesetzt

    Einen Monat nach dem Drosten-Podcast ist die Lage eine andere: Eine mögliche Ablehnung des Astrazeneca-Vakzins könnte in der Bevölkerung nun verstärkt auftreten. Denn Deutschland setzte die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca mittlerweile vorerst aus. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung mit dem Präparat, teilte das Bundesgesundheitsministerium am Montag in Berlin mit.

    Es handele sich um einen vorsorglichen Schritt, dem eine entsprechende Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorangegangen sei, sagte ein Sprecher.

    Lesen Sie hier: Mehrere Länder stoppen nach Berichten über Blutgerinnsel Astrazeneca-Impfung

    Drosten: Astrazeneca erfordert aufwendigere Impflogistik

    In seinem Podcast vor Mitte Februar ging Drosten auch auf Herausforderungen bei den Impfungen ein. Die Probleme beim Impftempo in Deutschland, seien eher logistischer Natur, sagte er. Das Biontech-Vakzin sei zu Beginn mit höherem Tempo verimpft worden, weil die Zielgruppe eine ganz andere gewesen sei. "Beispielsweise die Bewohner von Altenheimen" - dort würden die Impf-Dosen hingebracht, sagte Drosten.

    Beim Astrazeneca-Impfstoff müssten aber nun Termine angefragt, koordiniert und überprüft werden. Allein das sei schon ein großer Aufwand. Dazu kämen noch die politischen Entscheidungen, wer genau wann geimpft würde. Auch da gebe es viele unterschiedliche Lösungen auf lokaler Ebene.

    Drosten: Impftempo mit Hilfe von Haus- und Betriebsärzten beschleunigen

    Das Impftempo könnte aus Sicht von Drosten angehoben werden, wenn Corona-Impfungen auch bei Hausärzten durchgeführt werden könnten. Zudem seien Diskussionen über die Änderung der Impfreihenfolge durchaus angebracht, findet der Virologe. Zwischen den einzelnen Prioritätsstufen gebe es ja auch Übergänge. Alles was über eine Einteilung nach Alter hinausgehe, sei eben sehr schwierig. Mehr dazu: Coronavirus: Wann kommt die Impfung beim Hausarzt?

    "Der Teufel steckt im Detail, noch und nöcher", sagte Drosten. Hier komme der Hausarzt ins Spiel. "Die kennen ihre Pappenheimer", sowohl aus medizinischer als auch menschlicher Sicht, befand Drosten. Daher könnte der Hausarzt einerseits einschätzen, wer nun aus medizinischer Sicht an der Reihe wäre, aber auch, wer aus menschlicher Sicht überhaupt Interesse daran hätte.

    Auch die Kraft der Betriebsärzte werden nicht genutzt. Viele Risikopatienten seien ja berufstätig. "Betriebsärzte in großen Betrieben wissen genau, wer in der Belegschaft in der Grippesaison jedes Jahr bevorzugt geimpft werden muss", sagte Drosten. Betriebsärzte könnten also sehr gut priorisieren.

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    Gerade im zweiten Quartal, wenn genug Impfstoff vorhanden sein werde, werde die Logistik umso wichtiger. Da stelle sich nicht nur die Frage, wie man das nach Ostern alles bewerkstelligen wolle, sondern auch, ob man das bewerkstelligen müsse.

    "Ich habe da manchmal das Gefühl, dass da ein deutscher Perfektionismus entstanden ist, der das supertoll machen und von zentraler Stelle in der Hand haben will", sagte Drosten. Stattdessen könne man aber vielleicht anerkennen, "dass es sowieso nicht perfekt sein wird und auch nicht sein muss." Wenn man vielen erlauben würde mitzudenken, wie eben Haus- und Betriebsärzten, könne das Tempo auch angezogen werden. "Die Uhr tickt", betonte Drosten. (jas)

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