TV-Moderatorin Petra Gerster erklärt in unserem Interview, warum sie sich für eine Sprache stark macht, die beide Geschlechter nennt.

Die langjährige „Heute“-Moderatorin Petra Gerster (66) war eine der Ersten, die im Fernsehen „genderte“, also eine geschlechtergerechte Sprache wählte. Die Anfeindungen waren massiv. Denn das Gendern ist „vermintes Gelände“. So lautet auch der Titel ihres neuen Buchs. Im Gespräch macht sie klar: Die Sprache ändert sich, weil die Zeiten sich ändern.

Frau Gerster, Sie haben zusammen mit Ihrem Mann Christian Nürnberger ein Buch übers Gendern und andere Folgen der Identitätspolitik geschrieben. Wie kam es dazu?

Petra Gerster: Die Reaktionen auf mein Gendern in der „Heute“-Sendung waren so zahlreich und heftig, dass sie mich bis in den Abend hinein beschäftigten – und bedrückten. Ich kam mir schon vor wie eine „Gender-Terroristin“, wie Oliver Welke in der „Heute-Show“ sagte.

Mein Mann riet mir, das in einem Buch zu verarbeiten. Doch uns war bald klar, dass das Thema größer ist als Gendern allein – also das Sprechen, das auch Frauen benennt und sichtbar macht. Dass es nur ein Anzeichen für einen fundamentalen Wandel unserer Gesellschaft ist. Es gibt noch viele andere Zeichen für diesen Wandel – und der besteht darin, dass aus der einst relativ homogenen deutschen Nachkriegsgesellschaft im Verlauf von mehreren Jahrzehnten eine multikulturelle und sogar multigeschlechtliche Gesellschaft geworden ist.

Warum, glauben Sie, fühlen sich manche so angefasst beim Thema Gendern?

Gerster: Mit unserer Muttersprache wachsen wir auf, sie prägt uns von klein auf, da wollen wir uns nicht reinreden lassen. So wie wir sie gelernt haben, ist es richtig – denken wir. Deswegen wollen die Menschen so sprechen, wie ihnen „der Schnabel gewachsen ist“. Aber natürlich ändert sich die Sprache fortwährend mit der Gesellschaft, nur merken wir es nicht immer so deutlich wie beim Gendern.

In meiner Kindheit wurden noch schreckliche Wörter wie Krüppel, Idiot oder Klapsmühle gesagt. Es ist doch ein Zeichen von Zivilisierung, dass wir so nicht mehr reden! Und die rein männliche Pluralform für alle Geschlechter – das generische Maskulinum – hat nun eben auch ausgedient.

Haben Sie in gewissem Sinne auch Verständnis für Menschen, denen das alles zu weit geht?

Gerster: „In gewissem Sinn“ – ja, natürlich. Mir ging es vor Kurzem ja auch nicht anders. Es zeugt aber auch von wenig Offenheit, wenn man sich einer so intensiven Debatte dauerhaft verschließt. Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen – wussten schon die alten Römer.

Sie schreiben, die Herrschaft des weißen Mannes geht zu Ende. Wer wird, nach Ihrer Meinung, an seine Stelle treten?

Gerster: Ich hoffe nicht, dass die eine Herrschaft von einer anderen abgelöst wird. Aber ich denke, der weiße Mann wird in Zukunft nicht mehr allein das Sagen haben. Schwarze, Indigene, People of Color und Frauen und Menschen, die wir als divers bezeichnen, werden mehr und mehr an seine Seite treten und einen Teil der Macht beanspruchen. Die Gesellschaft wird bunter, auch optisch, die Einheitsfront der dunklen Anzüge aufgemischt – durch farbenfrohe Kleider und andere Gewänder. Das fördert die Kreativität und macht Lust auf Zukunft!