New York. Plácido Domingo hat zum ersten Mal sexuelle Übergriffe eingeräumt. Nun hat die spanische Regierung Konzerte des Opernsängers abgesagt.

Noch vor wenigen Monaten hatte Opernstar Plácido Domingo gegenüber der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ die Vorwürfe als „unwahre Dinge“ bezeichnet und von seinem „ruhigen Gewissen“ gesprochen. Am Dienstag entschuldigte er sich bei den Frauen, die ihm sexuelle Übergriffe vorwerfen. Jetzt hat die spanische Regierung zwei Auftritte des Opernstars am Teatro de la Zarzuela in Madrid abgesagt.

Diese Entscheidung treffe man „aufgrund der Schwere“ der Vorwürfe und „aus Solidarität mit den betroffenen Frauen“, teilte am Mittwoch das Nationale Institut für Darstellende Künste und Musik (INAEM), das das Zarzuela-Theater betreibt und dem Kulturministerium der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez untersteht.

Plácido Domingo: Verband bestätigt Vorwürfe

„Das INAEM und das Ministerium für Kultur und Sport drücken ihre feste Unterstützung für die Frauen sowie ihre Ablehnung jeder Art von Belästigung, von missbräuchlichem Verhalten oder von Unterdrückung aus“, heißt es in einem Kommuniqué weiter.

„Ich möchte, dass sie wissen, dass mir der Schmerz, den ich ihnen zugefügt habe, wirklich leid tut“, hieß es in einer Mitteilung des 79-jährigen Künstlers am Dienstag. „Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln, und ich bin aus dieser Erfahrung gewachsen.“

Zuvor hatte eine Untersuchung des US-Verbands der Musikkünstler (AGMA) die Vorwürfe zahlreicher Sängerinnen bestätigt, die dem spanischen Künstler im Zuge der MeToo-Bewegung gegen sexistisches und sexuell übergriffiges Verhalten einflussreicher Männer teils Jahrzehnte zurückliegende Übergriffe vorgeworfen hatten.

„Die Untersuchung hat ergeben, dass Herr Domingo sich in der Tat unangemessen verhalten hat – bei der Arbeit und außerhalb“, hieß es in einer Mitteilung der AGMA am Dienstag. „Viele der Opfer sagen, dass sie aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen in der Branche bislang geschwiegen hatten.“ Die Leitung der AGMA kündigte als Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse „angemessene Maßnahmen“ an.

Plácido Domingo trat als Chef der Oper in Los Angeles zurück

Domingo hatte die Beschuldigungen bisher zurückgewiesen. Nach den Vorwürfen war Domingo im Oktober 2019 als Chef der Oper in Los Angeles zurückgetreten. Einige Opernhäuser und Orchester in den USA sagten Auftritte Domingos ab. Andere – vor allem in Europa – hielten jedoch weiter an dem Klassik-Weltstar fest. „Ich habe mir in den letzten Monaten Zeit genommen, um über die Anschuldigungen nachzudenken, die verschiedene Kolleginnen von mir gegen mich erhoben haben“, hieß es in seiner Mitteilung.

„Ich verstehe jetzt, dass einige Frauen vielleicht Angst hatten, sich ehrlich zu äußern, weil sie befürchten, dass ihre Karriere dadurch beeinträchtigt werden könnte. Das war zwar nie meine Absicht, aber man sollte niemandem dieses Gefühl vermitteln.“

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Domingo-Auftritt in Berlin sorgte für Wirbel

Im Januar hatte ein Auftritt Domingos in Berlin für Diskussionen gesorgt. Der Sänger war trotz Protesten an der Berliner Staatsoper Unter den Linden aufgetreten. Der Verein Pro Quote Bühne, dem Frauen am Theater angehören, hatte angesichts der Vorwürfe in den USA wegen sexueller Belästigung ein „Auftrittsverbot“ für Domingo in Berlin verlangt.

Dazu hatte Staatsopern-Intendant Matthias Schulz gesagt, dass sein Haus jeden Vorwurf sexueller Belästigung sehr ernst nehme. „In diesem konkreten Fall halten wir an den Auftritten von Plácido Domingo, der sich bei uns am Haus immer vorbildlich verhalten hat, fest und sehen keine ausreichende Grundlage für eine Vorverurteilung und dafür, den seit langem gültigen Vertrag zu brechen.“

Auch die Hamburger Elbphilharmonie hatte nach den Vorwürfen gegen Domingo an dem Konzert im November 2019 festgehalten.

Die Anschuldigungen gegen Domingo waren bekannt geworden, nachdem zahlreiche Schauspielerinnen öffentlich Vorwürfe gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein erhoben und damit die weltweite MeToo-Bewegung initiiert hatten. Weinstein wartet derzeit auf das Urteil einer New Yorker Strafkammer. Am Montagabend hatte die Jury bereits mitgeteilt, dass sie den früheren Miramax-Chef der Sexualverbrechen schuldig sprechen wird.

(dpa/msb)