Berlin. Im Film gibt Oscargewinnerin Juliette Binoche die strenge Leiterin eines Internats, doch im wahren Leben macht sie sich lieber locker.

In „Die perfekte Ehefrau“ beweist Oscargewinnerin Juliette Binoche („Der englische Patient“) , dass sie auch die Klaviatur der Komödie virtuos beherrscht. Wir sprachen mit der 57-Jährigen über Frauen mit Schreibtisch, Männer mit Periode – und ein Leben ohne Angst vor dem Makel.

Ihre Komödie „Die perfekte Ehefrau“ dreht sich um die Frauenbefreiung im Frankreich Ende der 60er. Wie lief das damals eigentlich bei Ihren Eltern ab?

Juliette Binoche: Ich habe seinerzeit nicht viel mitbekommen. Meine Eltern wussten nicht, was sie mit ihren Kindern anfangen sollten, also steckten sie meine Schwester und mich in ein Internat, wo ich vom Alltag abgeschottet war. Erst später hat mir dann meine Mutter erzählt, dass sie das wie ein Gefängnis erlebt hat. Ohne die Erlaubnis meines Vaters durfte sie keinen Scheck unterzeichnen. Sie konnte sich nicht einmal einen Schreibtisch kaufen, weil er dagegen war. Denn aus seiner Sicht brauchte eine Frau zuhause so etwas nicht.

Juliette Binoche, hier auf einem Filmfestival 2018, hat sich jetzt mal als perfekte Ehefrau versucht. Es wurde ... eine Komödie.
Juliette Binoche, hier auf einem Filmfestival 2018, hat sich jetzt mal als perfekte Ehefrau versucht. Es wurde ... eine Komödie. © imago/MediaPunch | imago stock

Und sie nahm das hin?

Meine Eltern ließen sich dann ja scheiden. Und in den 70ern hat sich meine Mutter sehr für Frauenrechte engagiert. Das habe ich lebhaft mitbekommen, denn sie nahm mich zu feministischen Streikversammlungen mit, da war ich erst sieben und fand das sehr aufregend. Ein paar Jahre später hatte ich mein erstes Tonbandgerät, und ich habe da meine Reden über Gleichberechtigung aufgenommen. Allerdings war ich nicht ganz informiert. Denn da sprach ich auch davon, wie Männer ihre Periode bekommen, worüber sich meine Mutter köstlich amüsiert hat.

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    Und wann wussten Sie, dass Sie ein unabhängiges Leben als Schauspielerin führen wollten?

    Da war ich 14, ich sah Peter Brooks Inszenierung von Alfred Jarrys „König Ubu“, und ich spürte ein totales Glücksgefühl. Am Ende stand das Ensemble, das aus den verschiedensten Ländern stammte, auf der Bühne, ich applaudierte und dachte mir: ‚Wenn diese Schauspieler die Menschen so glücklich machen, dann will ich das Gleiche tun. Mit 18 ging ich dann auf eine gute Schauspielschule, musste aber parallel arbeiten. Denn meine Mutter zahlte nur für den Unterricht, nichts weiter. Zum Glück verliebte ich mich dann in einen Mann, der freundlicherweise für mein Essen und meine Unterbringung aufkam.

    Das heißt, Sie waren dann doch von einem Mann abhängig?

    Was soll’s. Ich war verliebt. Und in der Liebe denkst du nicht an Abhängigkeit oder Unabhängigkeit. Du musst wissen, was du im Leben erreichen willst und das verfolgst du einfach. Und ich fand nichts Schlechtes daran, wenn jemand sein Geld geteilt hat. Das habe ich auch getan, sobald ich mein eigenes Auskommen hatte.

    Wie weit sind wir aus Ihrer Sicht im Prozess der Gleichberechtigung gekommen?

    Wir befinden uns noch in einer Übergangsphase. Noch gibt es viel Arbeit zu tun. Die Männer haben das Gefühl, dass sie ihre gewohnte Macht verlieren. Und die Situation wird dadurch verkompliziert, dass jeder so egozentrisch ist und nur an sich denkt. Männer und Frauen müssen es lernen, zu teilen, und dafür ist es notwendig, dass wir ein neues Vertrauen zueinander aufbauen.

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    Der Film zeigt, wie die patriarchale Gesellschaft von Frauen Perfektion erwartet. Wie gehen Sie mit solchen Erwartungen um?

    Die Vorstellung, perfekt zu sein, interessiert mich nicht. Ich will wahrhaftig sein. Darauf kommt es an. Das gilt für die Schauspielerei wie für das Leben generell. Du darfst dir keine grauen Haare wachsen lassen, nur weil du nicht alles optimal meistern kannst. Wobei ich natürlich das Gefühl von Enttäuschung kenne, wenn ich meinen Anforderungen nicht gerecht werde. Als mein Sohn 16, 17 war, hat er gelegentlich die Schule geschwänzt, was mich halb in den Wahnsinn getrieben hat. Ich hatte dann einen Termin mit der Direktorin, und ich wollte vor lauter Verzweiflung fast losheulen, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Aber sie meinte nur zu mir: „Machen Sie sich keine Sorgen, Sie sind doch nur die Mutter.“ Und damit fiel eine Tonnenlast von meinen Schultern. Ich begriff: Ich muss nicht die vollkommene Mutter sein, die für alles verantwortlich ist, was ihre Kinder tun oder lassen.