Berlin. Allein die Gestaltung der Einkaufswagengriffe kann zu 25 Prozent Mehrausgaben führen. Ein simpler Trick hilft gegen den Kaufrausch.

Bunte Werbe-Etiketten, riesige Frischetheken, atmosphärische Wohlfühlmusik: Supermarkt-Ketten wie Aldi, Lidl, Rewe, Edeka und Co. tun ihr Möglichstes, um ihre Kunden zu langen Aufenthalten und großen Einkäufen zu verleiten. Dafür könnten Sie nun einen weiteren Ansatz haben: Wissenschaftler der Universität Innsbruck und der britischen Bayes Business School haben untersucht, inwiefern sich das Design von Einkaufswagen auf das Konsumverhalten auswirkt, genauer gesagt, ihre Griffe.

Einkaufswagen: Horizontale Griffe bremsen die Konsumfreude

In der Regel verwenden die Discounter und Supermärkte in Deutschland die bekannten Standard-Einkaufswagen mit einer horizontalen Griffstange. Die Forscher fanden heraus, dass diese Konstruktion das Einkaufsverhalten von Menschen eher bremst. Der Grund liegt im Oberarm und heißt Trizeps. Die Funktion des Oberarm-Muskels besteht in der Streckung des Arms, also etwa zum Wegschieben. Lesen Sie hier: Einkaufen bei Aldi, Rewe, Lidl, Edeka: Was sich 2022 ändert

„Die psychologische Forschung hat gezeigt, dass die Aktivierung des Trizeps eine typische Vermeidungshaltung ist und daher eher mit Ablehnung oder Vermeidung assoziiert wird – zum Beispiel, wenn Menschen etwas Unerwünschtes durch ausgestreckte Arme auf Abstand halten“, erklärt Studienleiter und Marketingexperte Mathias Streicher. Mit anderen Worten: Die Konsumfreude wird beim Schieben der Einkaufswagen mit einer Griffstange nicht angeregt.

Deutlich mehr Konsum durch parallele Griffe

Streicher und sein Kollege Zachary Estes aus Großbritannien entwickelten auf Grundlage ihrer Erkenntnis einen Einkaufswagen mit zwei parallelen Griffen, die den Antagonisten des Trizeps aktivieren – der Bizeps kontrahiert umgekehrt nicht beim Wegschieben, sondern beim Heranziehen. „Die Idee war folgende: Menschen bringen erwünschte Dinge wie Produkte durch Annäherungsbewegungen in Besitz. Eine Aktivität, für die vor allem der Bizeps relevant ist“, schreibt Streicher in seiner Analyse. Lesen Sie auch: Umwelt: So retten Start-ups Lebensmittel vor der Tonne

Ein Vergleichstest in einem Supermarkt in Innsbruck mit 2359 Studienteilnehmern bestätigte die Annahme der Wissenschaftler. Kunden, die den Einkaufswagen mit den Griffen statt der Querstange benutzten, kauften mehr Produkte und gaben durchschnittlich 25 Prozent mehr Geld aus. Ein Effekt, der selbst Streicher überraschte, wie er sagt. „Die Standard-Einkaufswagen scheinen jedenfalls das Einkaufsverhalten im Vergleich zu anderen möglichen Varianten eher zu bremsen.“

Klassische Wagen bei Edeka und Rewe – Spar-Tipp vom Experten

Bei Deutschlands führenden Supermarktketten scheint dieser Bremseffekt bislang unbekannt zu sein. „In Rewe-Märkten haben die Einkaufswagen traditionell eine horizontale Griffstange“, teilt die Rewe-Group auf Anfrage mit. Parallele Griffe kenne man nun „von Baumärkten“. Bei der Bestellung von Einkaufswagen bei deren Herstellern habe die Griff-Konstruktion bisher jedenfalls keine Rolle gespielt, sagte ein Sprecher unserer Redaktion.

Konkurrent Edeka verweist auf seine genossenschaftliche Organisation. Die Edeka-Kaufleute entschieden „eigenverantwortlich über die Austattung ihrer Märkte, so auch über die Einkaufswagen“, teilte die Edeka-Gruppe mit. Auch interessant: Lidl schießt mit Werbespot gegen Aldi und Edeka

Für den Fall, dass die deutschen Supermarkt-Ketten und Discounter angesichts der winkenden Mehreinnahmen durch den psychologische Effekt von Griffen in Zukunft doch ihre Einkaufswagen umrüsten sollten, hat Studienleiter Streicher einen Tipp für Kundinnen und Kunden, bei dem er selbst schmunzeln muss: „Wer die Ausgaben im Rahmen halten möchte, sollte beim Reinlegen in den Einkaufswagen den Trizeps anspannen.“

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