Berlin. Die Zahl der Kinder, die an einer rätselhaften Hepatitis erkranken, steigt weiter. Gibt es einen Zusammenhang mit dem Coronavirus?

In immer mehr westlichen Ländern breitet sich seit Anfang April eine rätselhafte Hepatitis bei Kindern aus, deren Ursache noch immer nicht bekannt ist. Nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde ECDC sind bereits rund 190 Fälle weltweit registriert worden, 40 davon in insgesamt zehn Ländern der Europäischen Union.

Mindestens ein Kind ist inzwischen gestorben, in mehreren Fällen konnte das Leben der Kinder nach akutem Leberversagen nur mit einer Notfall-Transplantation gerettet werden, sagte ECDC-Direktorin Andrea Ammon. "Das zeigt den Ernst der Erkrankungen", erklärte Ammon. Vergangene Woche hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO noch von 169 Fällen gesprochen.

Zusammenhang mit Corona denkbar

Die neue Hepatitis-Form war zuerst in Großbritannien beobachtet worden, dort sind inzwischen über hundert Fälle registriert. Erkrankungen werden auch aus Israel oder den USA gemeldet. Eine Verbindung zwischen den Fällen in unterschiedlichen Ländern gebe es nicht, sagte Ammon. Nach der Ursache werde weiter gesucht. Ein Zusammenhang mit Corona sei denkbar, erklärte Ammon.

Eine Spur ist demnach, dass die Kinder wegen der Corona-Schutzmaßnahmen in den vergangenen zwei Jahren weniger Krankheitserregern ausgesetzt gewesen sind und ihr Immunsystem nun nicht ausreichend Antikörper bilden konnte. "Das wird noch untersucht", sagte die ECDC-Direktorin. Kinderärzte hatten bereits in den vergangenen Wochen berichtet, dass es allgemein zu deutlich mehr Virusinfektionen bei Kindern in diesem Winter gekommen sei. Aus Großbritannien kommen aber auch Berichte, dass sich ein Teil der erkrankten Kinder zuvor mit dem Coronavirus angesteckt hatte.

WHO: "Untersuchungen zur Ursache dauern an"

Noch gibt es viele Unklarheiten im Zusammenhang mit den Fällen: Der WHO zufolge sei noch nicht sicher, ob es aktuell zu einer Häufung von Hepatitis-Erkrankungen bei Kindern kommt oder ob die Fälle lediglich öfter entdeckt werden als gewöhnlich.

Keines der erkrankten Kinder war laut Untersuchungen mit klassischen Hepatitis-Viren infiziert. Zudem verläuft die Leberentzündung bei Kindern oft ohne oder mit gerinen Symptomen. Nun sollen die betroffenen Kinder laut WHO allerdings stark erhöhte Werte an Leberenzymen und Gelbsucht in sich getragen haben.

Der WHO zufolge sind mindestens 169 Kinder an der rätselhaften Hepatitis erkrankt
Der WHO zufolge sind mindestens 169 Kinder an der rätselhaften Hepatitis erkrankt © dpa

WHO: Keine Nebenwirkung der Corona-Impfung

"Die Untersuchungen zur Ursache dauern an", erklärte die WHO. Eine Möglichkeit sei dabei das Adenovirus, eine Erregergruppe, die Bindehautentzündungen, Atemwegserkrankungen, aber auch Hepatitis hervorrufen kann. In 74 der Patienten und Patientinnen wurden demnach Adenoviren gefunden.

Dass die Lebererkrankung eine Nebenwirkung der Corona-Impfung ist, schließt die WHO dagegen aus: Die meisten der Hepatitis-Betroffenen sei nicht gegen Covid-19 geimpft. Auch eine Verbindung mit Auslandsaufenthalten oder Reisen hält die WHO für unwahrscheinlich.

WHO: RKI bittet um erhöhte Aufmerksamkeit

Während die Erkrankung bereits in elf Ländern in Europa und Amerika aufgetreten ist, verzeichnete Großbritannien mit 114 bei weitem die meisten Fälle. Weitere Kinder mit Leberentzündungen gab es in Spanien, Israel, den USA, Dänemark, Irland, den Niederlanden, Italien, Norwegen, Frankreich, Rumänien und Belgien.

In Deutschland gab es bislang keinen Fall der rätselhaften Hepatitis. Das hatte das Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstag auch bereits gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärt. Das RKI habe allerdings medizinische Fachgesellschaften und die Bundesländer informiert und diese um erhöhte Aufmerksamkeit gebeten.

Mehrere Viren können Hepatitiserkrankung auslösen

"Es gibt bisher keinerlei besorgniserregenden Signale für eine ungewöhnliche Häufung", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Burkhard Rodeck, der dpa. "Grundsätzlich ist eine schwere Hepatitis bei Kindern eher selten."

Dass keine eindeutige Ursache gefunden werden könne, sei bekannt, so Rodeck. "In der Regel vermuten wir eine bislang unbekannte Virusinfektion", erklärte er. "Es kommen mehrere Arten von Viren in Frage, nicht nur die Hepatitisviren A bis E." Nicht bekannte Viren könne man entsprechend nicht diagnostizieren.

Hepatitis-Viren sind weltweit verbreitet und können auf unterschiedlichen Wegen in den Körper gelangen. Dazu gehören Sex, infiziertes Blut, verseuchtes Wasser oder kontaminierte Lebensmittel. (reba/ck/bef/mit dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.