Berlin. Wer sind die Zeugen Jehovas und woran glauben sie eigentlich? Die wichtigsten Fakten und Zahlen zur Glaubensgemeinschaft im Überblick.

Am Donnerstagabend wurden in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg mehrere Menschen durch Schüsse getötet und verletzt. In Deutschland leben Menschen zahlreicher Religionen und Religionsgemeinschaften. Die Zeugen Jehovas sind eine davon. Doch woran glauben sie? Welcher Religion wird die Gruppe zugeordnet? Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Zeugen Jehovas: An was glauben sie?

Die Zeugen Jehovas sind Christen. Die Glaubensgemeinschaft hat allerdings eine eigene Bibel-Auslegung, die andere Kirchen wiederum kritisieren. Die Anhänger werden auch "Verkünder" genannt und glauben an Jehova als "allmächtigen Gott und Schöpfer". Sie sollen sich strengen Vorschriften unterwerfen und sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevorsteht und sie als auserwählte Gemeinde gerettet werden.

Christen und Zeugen Jehovas: Die Unterschiede

Zeugen Jehovas unterscheiden sich von anderen Christen in einigen grundlegenden Glaubensüberzeugungen und Praktiken. Diese Unterschiede führen oft zu Missverständnissen und Konflikten zwischen Verkünderinnen und Verkündern und anderen christlichen Gruppen. Zu den Unterschieden zählen:

  • Christliche Feiertage: Zeugen Jehovas feiern keine traditionellen christlichen Feiertage wie Weihnachten und Ostern, da sie der Ansicht sind, dass diese Feiertage heidnischen Ursprungs sind und nicht als solche in der Bibel erwähnt werden. Lesen Sie auch: Welche Bedeutung hat Ostern im Judentum und Islam?
  • Die Trinität: Zeugen Jehovas glauben nicht an die Lehre der Dreifaltigkeit, die besagt, dass Gott aus drei Personen besteht (Vater, Sohn und Heiliger Geist). Stattdessen glauben sie, dass Gott der Vater ist und Jesus sein erstgeborener Sohn ist, der von Gott erschaffen wurde. Den Heiligen Geist sehen sie dagegen nicht als Person, sondern als Gottes Macht in Aktion, seine wirksame Kraft sozusagen.
  • Missionierung: Zeugen Jehovas sind bekannt für ihre umfangreiche Missionstätigkeit. Sie glauben, dass es ihre Pflicht ist, anderen Menschen die Wahrheit über Gott und die Bibel zu vermitteln und sie dazu zu ermutigen, sich dem Glauben anzuschließen.
  • Bluttransfusionen: Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen ab, da sie glauben, dass das Konsumieren von Blut in jeglicher Form gegen biblische Lehren verstößt. Stattdessen werden alternative medizinische Verfahren bevorzugt, die keine Bluttransfusionen erfordern.

Kritik an den Zeugen Jehovas

Die Missionierung wird häufig als aufdringliche Propaganda und als aggressiv beschrieben. Zudem wird die Strenge der Glaubensgemeinschaft scharf kritisiert: So soll die Organisation der Zeugen Jehovas sehr hierarchisch und kontrollierend aufgebaut sein. Mitglieder müssten strenge Verhaltensregeln einhalten.

Bei einem Verstoß folgt Berichten zufolge eine Strafe oder der Ausschluss aus der Gemeinschaft. Es gibt Berichte über die Überwachung von Mitgliedern durch die Organisation und die Verwendung disziplinarischer Maßnahmen, um sie auf Linie zu halten.

In der Vergangenheit gab es zudem Berichte über Missbrauchsfälle innerhalb der Organisation der Zeugen Jehovas. Kritiker werfen der Glaubensgemeinschaft vor, Fälle von Missbrauch vertuscht oder nicht gemeldet zu haben, um ihren Ruf zu schützen.

Mediziner kritisieren außerdem die Verweigerung von Bluttransfusionen, da diese zu kritischen medizinischen Situationen führen kann.

Zeugen Jehovas: Wer ist Jehova?

Jehova (JHWH) ist der Name, den die Zeugen Jehovas für Gott verwenden. Es handelt sich um den hebräischen Namen für Gott, der in der Bibel mehrmals erwähnt wird. Verkünderinnen und Verkünder verwenden diesen Namen, um eine persönliche Beziehung zu Gott aufzubauen und um ihn von anderen Gottheiten zu unterscheiden, die in anderen Religionen verehrt werden. Sie glauben, dass Jehova der einzige wahre Gott und der Schöpfer des Universums ist. In ihrer Bibelübersetzung wird der Name Jehova anstelle des Titels "Herr" oder "Gott" verwendet.

Wie viele Zeugen Jehovas gibt es?

Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millionen Mitglieder. Die "Weltzentrale" ist in New York. Die deutsche Gemeinschaft mit weniger als 200.000 Mitgliedern gehört zu den größten in Europa. Der Seite jehovaszeugen.de zufolge wurden im Januar 2023 bundesweit 175.558 Verkünderinnen und Verkünder gezählt.

Wie organisiert sich die Glaubensgemeinschaft?

Die Zeugen Jehovas finanzieren sich hauptsächlich durch freiwillige Spenden ihrer Mitglieder. Sie haben keine festgelegten Kirchensteuern oder ähnliche finanzielle Verpflichtungen für ihre Mitglieder. Stattdessen wird von den Mitgliedern erwartet, dass sie einen Teil ihres Einkommens an die Gemeinde spenden, um die Kosten für den Betrieb der Gemeinde, die Herstellung und Verteilung von religiösen Publikationen sowie für die Missionstätigkeit und andere Aktivitäten zu decken.

Die Zeugen Jehovas haben keine bezahlten Geistlichen. Stattdessen wird von den Mitgliedern erwartet, dass sie sich aktiv an den Aktivitäten der Gemeinde beteiligen und ihren Glauben und ihre Fähigkeiten durch Studium und Lehre entwickeln.

Ihre Versammlungen finden in "Königreichssälen" statt. Diese Gebäude werden von den lokalen Gemeinden errichtet und unterhalten und dienen als Treffpunkt für die Mitglieder der Gemeinde, um gemeinsam die Bibel zu studieren, Gottesdienste abzuhalten und sich in anderen religiösen Aktivitäten zu engagieren.

Wann wurden die Zeugen Jehovas gegründet?

Die streng organisierte Gruppe wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem Geschäftsmann Charles Taze Russell (1852-1916) in den USA gegründet. Unter dem Nazi-Regime war die Glaubensgemeinschaft verboten und wurde verfolgt. (day/dpa)