Berlin . Spielt Kremlchef Putin “russisch Roulette“ mit dem AKW Saporischschja in der Ukraine? Atombehörde IAEA warnt vor Spiel mit dem Feuer.

Die internationale Atombehörde IAEA hält die Situation im ukrainischen Kernkraftwerk Saporischschja für "unhaltbar". Droht mitten im Ukraine-Krieg der GAU?

"Wir spielen mit dem Feuer", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi in der Nacht zu Mittwoch (deutsche Zeit) vor dem UN-Sicherheitsrat. Er schlug Alarm: "Etwas sehr, sehr Katastrophales könnte passieren.“ Zuvor hatte die Behörde von einer Inspektionsreise berichtet.

Das 52-seitige IAEA-Papier liest sich wie eine Warnung und gipfelt in zwei Forderungen, die insbesondere Russland nicht gefallen können: schnelle Maßnahmen und die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ rund um das AKW.

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IAEA an an Putin: Saporischschja entmilitarisieren

Die Russen, die den Meiler im März erobert haben und seither besetzen, forderten von der IAEA „Klarstellungen“. Ihr Bericht enthalte eine "Reihe von Fragezeichen", sagte Außenminister Sergej Lawrow der Nachrichtenagentur Interfax.

Grossi hatte zu Beginn des militärischen Konflikts angemahnt, sieben Regeln der nuklearen Sicherheit zu beachten. Ihre tragenden Säulen sind:

  • Die physische Integrität von Nuklearanlagen.
  • Alle Sicherheitssysteme müssten jederzeit funktionieren.
  • Die Versorgung mit Strom muss sichergestellt sein;
  • ebenso die mit lebenswichtigen Gütern.
  • Die Angestellten müssen ihrer Arbeit ohne Druck nachgehen können.
  • Die Strahlung auf dem Gelände muss ständig überwacht werden;
  • und die Kommunikation mit der Aufsichtsbehörde gewährleistet sein.

Ukraine-Krieg: Atombehörde unter Druck gesetzt?

Die (Kriegs-)Realität sieht anders aus. Verschiedene Gebäude wurden getroffen, gerade erst durch erneutem Artilleriebeschuss: Ein Lager für radioaktive Abfälle, ein Gebäude, in dem "frische" Brennstäbe aufbewahrt werden, sowie eine Messstation. Die „Bombardements der Anlage und der Umgebung“ müssten „unverzüglich eingestellt werden“, um erneute Schäden zu vermeiden, heißt es in dem IAEA-Bericht.

Die Organisation beklagte die „extrem stressigen Bedingungen“, unter denen das ukrainische Personal arbeite. Die Mitarbeiter führen Klage über den Druck, der von den Besatzern auf sie ausgeübt werde. Außerdem fanden die IAEA-Experten bei ihrer Inspektion der vergangenen Woche auf dem Gelände und selbst in den Turbinenhallen militärisches Gerät.

Mehrfach musste Saporischschja vom Netz genommen werden. Derzeit läuft die Anlage im so genannten Inselbetrieb. Sie erzeugt nur den Strom, den sie für sich selbst braucht, für den Kühlbetrieb. Das gilt unter Experten aber nur als die zweitbeste Lösung. Grossi betonte, die externe Stromversorgung müsse sichergestellt werden.

Die ukrainischen Truppen starteten eine Offensive im Süden des Landes und rücken immer näher an den Meiler. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Angriffe vor. UN-Generalsekretär António Guterres rief sie dazu auf, sich auf eine kampffreie Zone rings um die Anlage zu einigen: "Russische und ukrainische Streitkräfte müssen sich verpflichten, keine militärischen Aktivitäten in Richtung des Werksgeländes oder vom Werksgelände aus durchzuführen."

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Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja beklagte, dass die Ukraine im IAEA-Bericht nicht für Angriffe verantwortlich gemacht worden sei. In Moskau warf das Außenministerium dem Westen vor, „Druck“ auf die Wiener Atombehörde ausgeübt zu haben.

In Kiew beteuerte Präsident Wolodymyr Selenskyj, die Ukraine sei für eine demilitarisierte Zone, wenn dies einen Abzug der russischen Truppen bedeute. Deutschland machte bei der US-Sitzung Moskau für die gefährliche Lage verantwortlich. „Die britische UN-Botschafterin Barbara Woodward sagte: „Russland spielt Roulette mit der nuklearen Sicherheit.“

Die Sorge um das mit sechs Reaktoren und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt größte Kernkraftwerk Europas nimmt von Tag zu Tag zu. Zuletzt hatte man im Raum Saporischschja damit beginnen, Jodtabletten ausgegeben. Die Ukrainer beugen für den Fall vor, dass es auf dem russische besetzen Atomkraftwerk zu einem Unfall kommt, Radioaktivität freigesetzt wird.

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Ukraine-Krieg: Truppen im AKW "absolutes Unding"

Für Heinz Smital von Greenpeace bleibt die Lage brisant, da die Kämpfe anhalten. Prinzipiell seien die Reaktoren robust. Einen zufälligen seitlichen Raketentreffer könne das AKW überstehen. Bei einer gezielten Attacke könnte es zum GAU kommen, sagte er im Info-Radio. Der Kernkraftexperte Sebastian Stransky sagte im "Spiegel", "es ist ein absolutes Unding, dass Truppen auf dem Gelände sind".

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de