Washington. Wirtschaftsminister Altmaier versucht, Bewegung in die Gespräche zum Handelskonflikt EU – USA zu bringen. Ein schwieriges Unterfangen.

Am Abend vor dem, wie er sagte „Hauptkampftag“ seiner USA-Reise sitzt Peter Altmaier im Polo-Shirt in einem Washingtoner Hotel bei Bier und viel zu trockenen Chips und sagt einen Satz, der die Genügsamkeit illustriert, die sich der Bundeswirtschaftsminister im vielschichtigen Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten notgedrungen antrainiert hat: „Wir wollen die Rahmenbedingungen für einen schrittweisen Erfolg verbessern.“

Zwölf Stunden später, vor den Toren des Kapitols, wird der daheim von Funktionären vereinzelt der Unfähigkeit geziehene Saarländer nach einem Gespräch mit Robert Lighthizer, dem mächtigen Handelsbeauftragten von Präsident Donald Trump, nur unwesentlich konkreter: Es gebe eine „50-50-Chance“, die drohenden Strafzölle auf Auto-Einfuhren aus der Europäischen Union noch zu verhindern, sagte Altmaier. „Wir waren uns einig, dass wir an einer Lösung arbeiten müssen, die Zeit arbeitet gegen uns.“ So hört sich das an, wenn man Auf-der-Stelle-treten als Fortschritt verkaufen muss. Und Querschläger an mehreren Fronten als Chance auf einen Friedensschluss.

Wie lange hält das Moratorium für Strafzölle auf EU-Autos?

Der Reihe nach. Die Verhandlungen über ein Abkommen, in dem die Europäische Union und Amerika Ex- und Importe von Industriegütern zollneutral regeln, eine Art TTIP light, steck weiter in den Kinderschuhen. Ein Grund: Die USA wollen ihre Landwirte beglücken und fordern die Öffnung der EU für Agrar-Produkte. Vor allem Frankreich hält die Scheunentore dicht.

Parallel dazu sind die von Trump wie ein Faustpfand benutzten Strafzölle auf EU-Autos (Hauptbetroffener wäre neben der Slowakei Deutschland) alles andere als vom Tisch. Es gibt ein Moratorium bis Anfang November. Über die Haltbarkeit gehen die Meinungen auseinander. Altmaier sieht Chancen auf einen dauerhaften Verzicht. Mindestens aber auf eine weitere Verlängerung des „Stillstands“. Dagegen erklärte der Koordinator für transatlantische Beziehungen der Bundesregierung, der CDU-Abgeordnete Peter Beyer, diese Woche in Washington, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Auto-Strafzölle bald kommen, größer sei als ihr Fernbleiben.

Hintergrund: Wie tief ist der Riss zwischen Deutschland und Amerika

Streit um die Gas-Pipeline Nordstream 2 könnte eskalieren

Eskalieren, so der Christdemokrat aus NRW, könne auch der Streit um die deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream 2, die von den USA als zu Putin-freundlich bewertet und daher abgelehnt wird. Im Kongress wächst die Neigung, Betreiber des Milliardenprojekts und Firmen, die die Rohre verlegen, mit Sanktionen zu belegen. Käme es dazu, könnte sich Nordstream 2 nach Ansicht von Experten um ein Jahr verzögern.

Peter Altmaier hat im Gespräch mit Finanzminister Steve Mnuchin am Mittwoch in diesem Punkt Entspannungsübungen versucht. Er verwies auf die bis 2022 geplanten LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Dort soll künftig teures Flüssiggas aus den USA anladen – und Präsident Trump gewissermaßen gnädig stimmen.

Trump will Strafzölle wegen Subventionen für Airbus

Ebenfalls Sprengstoff enthält der auf der Zielgeraden befindliche Konflikt um staatliche Subventionen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus; aus US-Sicht zu Lasten des heimischen Herstellers Boeing. Washington will laut Peter Beyer bereits unmittelbar nach einer in den nächsten Tagen erwarteten Entscheidung der Welthandelsorganisation WTO mit Strafzöllen im Volumen von über zwölf Milliarden Dollar auf artfremde EU-Importe wie Pasta, Käse, Oliven und irischem Whisky reagieren.

Altmaier hat bei seiner Stippvisite in Washington dafür geworben, für beide Flugzeug-Riesen gleichermaßen auf staatliche Unterstützung zu verzichten. Dass eine europäische Retourkutsche auf die spezifischen US-Strafzölle das allgemeine Gesprächsklima weiter eintrüben könnte, ist ihm bewusst.

HIntergrund: USA und Europa: Das sind die sechs größten Streitpunkte

Altmaier hofft bei Handels-Querelen auf politischen Willen

Für zusätzliche Schatten sorgt ein frischer Alleingang aus Paris. Die dort gesetzgeberisch weit gediehene Einführung einer Digitalsteuer, mit der die US-Internet-Riesen Google, Amazon, Facebook und Apple belegt werden sollen, um jährlich rund 400 Millionen Euro in die Steuerkasse zu spülen, hat in den USA Verstimmung und das überparteiliche Verlangen nach Gegenmaßnahmen ausgelöst. Sprich: Strafzölle, gesondert für Paris. Dabei darf sich Trumps Handelsbeauftragter Lighthizer nach US-Medien des gleichen gesetzlichen Drehbuchs bedienen, aus dem Präsident Trump bereits China an breiter Front mit höheren Zöllen belegen ließ.

Wie in dieser Konstellation ein EU-weites Handelsabkommen mit den USA abgeschlossen werden soll, so ein Experte im US-Außenministerium, „wird mit jedem Tag schleierhafter“. Zumal Standard-Konflikte wie Iran oder die Nato-Kasse unverändert weiter schwelen.

Vom Naturell her optimistisch: Peter Altmaier schaffte es bei seinem Abstecher ins kalifornische Silicon Valley auch zur Golden Gate Bridge.
Vom Naturell her optimistisch: Peter Altmaier schaffte es bei seinem Abstecher ins kalifornische Silicon Valley auch zur Golden Gate Bridge. © dpa | Andreas Hoenig

Der vom Naturell her optimistische Wirtschaftsminister, der nach einem Abstecher ins kalifornische Silicon Valley (Themen: Künstliche Intelligenz/Autonomes Fahren) am Freitag dem Mercedes-Werk im Süd-Bundesstaat Alabama einen Besuch abstattet, ließ sich davon bei einem Vortrag beim German Marshall Fund in Washington nichts anmerken.

Bis Jahresende, sagte er der Hitze geschuldet Sakko-los, könne man die Handelsfragen mit den USA in einem großen Paket lösen. Altmaier setzt offenbar darauf, dass die Regierung Trump den mit der Neuaufstellung der EU-Kommission in Brüssel verbundenen Zeitverzug einkalkuliert und schneller beim Handel zu einer Einigung kommen will. Im Publikum schauten manche verblüfft drein. Aber Altmaier hatte sich mit einem Vorschalt-Satz abgesichert: „Wenn der politische Wille da ist.“ Gemeint war vor allem der Wille Donald Trumps.