Helsinki. Außenministerin Annalena Baerbock ist zu Besuch bei den Nato-Anwärtern Finnland und Schweden. So lieft der Auftakt der Reise.

Pekka Haavisto beginnt seine Rede mit Komplimenten. Es sei ihm eine „große Freude“, die „liebe Annalena“ zu begrüßen, sagte der finnische Außenminister. Seine deutsche Amtskollegin lächelt. Beide stehen im Ständehaus, ein staatliches Repräsentationsgebäude mitten in Helsinki. Die Wände sind holzgetäfelt, die Decken sind mit Gemälden verziert.

Doch dann ist es mit den Freundlichkeiten vorbei. Haavisto spricht von der „russische Aggression“ und dem „Bruch des Völkerrechts“. Finnland habe ein militärisches Hilfspaket von 400 Millionen Euro an die Ukraine geschickt. Ein weiteres sei geplant. Seine Regierung habe noch keine „abschließende Entscheidung“ zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine getroffen. Aber denkbar sei eine Beteiligung bei Ausbildung und Wartung.

Baerbock unterstreicht, dass sich die „geopolitischen Koordinaten“ seit dem 24. Februar „unverrückbar“ verschoben hätten. Bei der Verschickung von Kampfpanzern sei die internationale Abstimmung entscheidend. „Kampfjets sind keine Debatte, die wir führen“, fügt sie hinzu. Baerbock befindet sich im Scholz-Modus. Sie nimmt ihre Rhetorik mit Blick auf Russland zurück. Ende Januar hatte sie vor dem Europarat mit dem Satz „Wir befinden uns im Krieg gegen Russland“ für Wirbel gesorgt.

Annalena Baerbock in Finnland und Schweden

Baerbocks zweitägige Reise steht unter der Überschrift: Solidarität mit den Nato-Beitrittskandidaten im Norden Europas. Finnland und Schweden haben unter den Schockwellen des Ukraine-Krieges ihre traditionelle außenpolitische Neutralität aufgegeben. Im Mai 2022 stellten beide Länder gemeinsam den Antrag auf Mitgliedschaft im westlichen Militärbündnis. Auslöser für diesen Schritt war die Sorge, dass die imperialen Ambitionen des russischen Präsidenten Wladimir Putin weiter reichen könnten als die Ukraine. Die Allianz befürwortete auf ihrem Gipfel Ende Juni zwar grundsätzlich die Norderweiterung, doch derzeit blockiert die Türkei den Prozess.

Vor allem Finnland drängt darauf, schnell unter den Schutzschirm der Nato zu schlüpfen. Das Land teilt eine rund 1340 Kilometer lange Grenze mit Russland. Von der Hauptstadt Helsinki sind es nur 300 Kilometer Luftlinie bis nach St. Petersburg, das komplette finnische Staatsgebiet liegt in der Reichweite russischer (Atom-)Raketen.

Dass Finnland in die Allianz strebt, ist eine kleine sicherheitspolitische Revolution. Die Regierung in Helsinki hatte gegenüber Russland jahrzehntelang eine Politik des vorauseilenden Gehorsams betrieben – eine Linie, die weltweit unter dem Begriff „Finnlandisierung“ bekannt war.

Seit Ukraine-Krieg dominiert Gefühl der Bedrohung

Die Wurzeln dieser Haltung reichten bis tief in die Vergangenheit zurück. Finnland war im November 1939 von der Roten Armee angegriffen worden. Es musste nach Ende des „Winterkrieges“ im März 1940 Gebiete an die Sowjetunion abtreten. Helsinki konnte zwar vermeiden, von der UdSSR direkt in den Ostblock gezogen zu werden. Aber das hatte seinen Preis: Das Land musste sich zu Neutralität verpflichten und Moskau sogar ein informelles Mitspracherecht bei gewissen außen- und innenpolitischen Fragestellungen zugestehen.

Doch das ist nun passé. Seit der russischen Invasion in die Ukraine dominiert das Gefühl der Bedrohung. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin sagte klipp und klar: Wäre die Ukraine früher in die Nato aufgenommen worden, gäbe es jetzt keinen Krieg in dem Land. Der Westen hätte nach der Krim-Annexion durch Russland 2014 „Stärke“ zeigen sollen. „Wir wollen Mitglied der Nato werden, weil wir nie wieder Krieg in Finnland haben wollen. Wir waren schon einmal im Krieg mit Russland.“

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