Washington/Peking. Kim Jong-un verlangte die Abschaffung sämtlicher US-Sanktionen, wollte aber im Gegenzug nicht alle seine Atomwaffen verschrotten.

Mit großen Erwartungen hatte US-Präsident Donald Trump den Gipfel in Hanoi angekündigt. Im Atom-Streit mit Nordkorea wollte er einen Durchbruch erzielen. Doch das Spitzentreffen mit Machthaber Kim Jong-un endete am Donnerstag vorzeitig – nicht einmal eine Grundsatzerklärung gab es.

Welche Erwartungen hatte US-Präsident Donald Trump vor dem Gipfel in Hanoi aufgebaut?

Trump hatte im Vorfeld von einem „fantastischen“ Gipfel gesprochen und sich de facto als friedensnobelpreiswürdig bezeichnet. Für den selbst ernannten Dealmaker-in-Chief ist das Ausbleiben einer belastbaren Einigung mit dem Herrscher aus Pjöngjang nach den aufgebauschten Erwartungen der vergangenen Woche ein „totales Versagen“, sagte stellvertretend für viele Fachleute Victor Cha, unter Präsident George W. Bush im Nationalen Sicherheitsrat für Nordkorea verantwortlich.

Was ist seit dem Spitzentreffen in Singapur im Juni 2018 passiert?

Nach der Eisbrecher-Begegnung vor acht Monaten in Singapur haben es Trumps Unterhändler nicht vermocht, eine belastbare Verständigung darüber zu erzielen, wo für beide Seiten die unverrückbaren Schmerzgrenzen liegen.

Was war der Knackpunkt für das Scheitern?

Nordkorea wartete mit der Maximal-Forderung auf, dass Amerika das wirtschaftliche Sanktions-Regime gegen Pjöngjang erst „in seiner Gesamtheit“ aufgeben müsse. Erst danach könne man damit rechnen, dass Pjöngjang erste Anstalten macht, sein Atom-Programm abzubauen. „Das konnten wir nicht machen, darum mussten wir gehen“, sagte ein sichtlich entnervter Trump am Donnerstagmorgen während einer eilends einberufenen Pressekonferenz in Hanoi. Sein Außenminister Mike Pompeo, hauptverantwortlich für die mediokre Vorbereitung des Gipfels, machte gute Miene zum miserablen Spiel: „Wir sind heute weiter als vor 36 Stunden.“

Warum das Scheitern des Nordkorea-Gipfels ein Fiasko für Trump ist

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    Wichtigste Details durch die Trump-Brille gesehen: Man habe zwar Fortschritte gemacht, es reiche aber nicht, was die Nordkoreaner als Gegenleistung angeboten hätten. Was genau, sagte Trump nicht. Sein Verhältnis zu Machthaber Kim Jong-un sei trotz des in der Sackgasse geendeten Gipfels „hoffentlich weiter gut - wir mögen uns“. Ob es in naher oder ferner Zukunft einen dritten Gipfel gibt, ließ der Präsident offen.

    Durch eine Frage des Nordkorea-Kenners David Sanger von der New York Times wurde erkennbar, dass Trumps Team der Gegenseite offenbar einen schweren Gesichtsverlust zufügten. So habe Kim Bereitschaft signalisiert, der von Washington geforderten Zerstörung der Atomanlage Yongbyon zuzustimmen. Als die US-Verhandler auch die Beseitigung einer zweiten, bislang geheim gehaltenen Urananreicherungsanlage verlangten, seien Kims Leute „sehr überrascht“ gewesen.

    Hatte sich Trump also mit der immer wieder gelobten Abrüstungsbereitschaft Kims etwas vorgemacht?

    Das trifft zumindest auf die öffentlichen Einschätzungen des US-Präsidenten zu. Der von Trump zuletzt massiv kritisierte Koordinator aller US-Geheimdienste, Dan Coats, hatte die Lage zutreffend beschrieben, als er vor wenigen Wochen im Kongress sagte: „Wir gehen derzeit davon aus, dass Nordkorea versuchen wird, seine Fähigkeiten im Bereich Massenvernichtungswaffen beizubehalten.“ John Bolton, der für Scharfmacherei bekannte Nationale Sicherheitsberater Trumps, hatte der Euphorie des Chefs vor der Abreise nach Hanoi etwas pikiert entgegengesetzt: „Nordkorea hat seine Versprechen bisher nicht erfüllt.“

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    Welche negativen Konsequenten hat der abrupte Abbruch der Gespräche?

    Weil weder ein Zeitplan noch ein dritter Gipfel-Termin vereinbart wurde, darf sich Nordkorea ab sofort von den USA als De-Facto-Atommacht außerhalb des Atomwaffensperrvertrages anerkannt fühlen. Das deutete die frühere Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice an. Bis auf Weiteres werde niemand kontrollieren, was Pjöngjang an seinen Atom-Standorten treibe, von denen einige erst durch intensive geheimdienstliche Aktivitäten der Amerikaner entdeckt worden seien, sagen Nordkorea-Experten in Washington.

    Wie reagierten die Regierungen in Südostasien?

    Vor allem in Südkorea zeigten sich viele geschockt über den vorzeitigen Abbruch des Gipfels in Hanoi. Medien berichteten, dass Präsident Moon Jae-in „entsetzt“ über den Ausgang gewesen sei. Er habe fest damit gerechnet, dass es zu einer weiteren Annäherung kommen werde. Auch eine offizielle Friedenserklärung mit Nordkorea hatte er in Hanoi für möglich gehalten. Seit dem Ende des Korea-Kriegs 1953 befinden sich Südkorea, die USA und Japan nach wie vor offiziell im Kriegszustand mit Nordkorea.

    Trump und Kim- Darum ist der Gipfel gescheitert

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      Die chinesische Führung gab sich überrascht. Nach der offiziellen Lesart begrüßt Peking die Annäherung zwischen Nordkorea und den USA. Hinter den Kulissen befürchten jedoch nicht wenige, China könnte an Einfluss verlieren, wenn Kim und Trump sich einigen. Zudem beunruhigt Peking, dass die USA ihren Einfluss in Ostasien noch mehr ausweiten könnten.

      Was sagt die Opposition in den USA?

      „Manchmal muss man gehen, und das war diesmal der Fall“, sagte US-Präsident Donald Trump bevor er in die Air Force One stieg und nach Washington zurückflog.
      „Manchmal muss man gehen, und das war diesmal der Fall“, sagte US-Präsident Donald Trump bevor er in die Air Force One stieg und nach Washington zurückflog. © Reuters | LEAH MILLIS

      Das Scheitern der Verhandlungen ist aus Sicht der Demokraten doppelt peinlich, weil Trump in Hanoi bereits ein großes Zugeständnis gemacht hat und nun mit leeren Händen nach Hause kommt. So wollten die USA nicht mehr wie bisher eine „vollständige, überprüfbare und unumkehrbare nukleare Abrüstung Nordkoreas“ verlangen, bevor man dem bitterarmen Land die Lockerung der wirtschaftlich strangulierenden Sanktionen in Aussicht stellt. Trump bestätigte einen entsprechenden NBC-Bericht gestern kurz vor dem Heimflug.

      Viele waren überrascht, als der Präsident erklärte, er glaube Kim, nicht für den Tod des US-Studenten Otto Warmbier verantwortlich zu sein. Warmbier war während einer Nordkorea-Reise 2016 wegen des angeblichen Diebstahls eines Propaganda-Posters zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Er fiel in einem berüchtigten Gefängnis unter bis heute ungeklärten Umständen ins Koma und wurde schließlich freigelassen. Wenige Tage nach dem Rücktransport in die USA starb er im Juni 2017.

      Trump sagte nun, dass Kim ihm versichert habe, nichts von den schlimmen Inhaftierungsbedingungen für Warmbier gewusst zu haben. Trump wörtlich: „Ich glaube nicht, dass er das erlaubt hätte und ich werde ihn beim Wort nehmen.“

      Ist Trump gegenüber autokratischen Führern zu leichtgläubig?

      Trumps Loyalität zu Kim erinnert an seine stark kritisierte Inschutznahme des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS). Nach dem bestialischen Mord des saudischen US-Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul durch Schergen des Königshauses in Riad verteidigte der Präsident den Prinzen. Während der US-Geheimdienst CIA die Urheberschaft für den Auftragsmord klar bei MBS sieht, hält Trump dem jungen Machthaber die Stange. „Er sagt, er hat es nicht gewusst.“

      Kim Jong Un wollte nach Angaben von US-Präsident Donald Trump alle Sanktionen aufgehoben haben. „Wir konnten das nicht tun“, berichtete er weiter. „Sie wollten die Sanktionen vollständig aufgehoben haben.“ Die nordkoreanische Seite war Trump zufolge bereit, atomar abzurüsten, aber nicht in einer Weise wie von den USA gefordert.